Nirgends wächst der weltgrösste Nahrungsmittelkonzern Nestlé schneller als in der Sparte Health Science. Im vergangenen Jahr ist der Bereich um mehr als ein Drittel auf einen Umsatz von 6,6 Milliarden Franken gewachsen. Ein grosser Teil des Zusatzumsatzes wurde zwar durch Firmenzukäufe erreicht, aber auch organisch gibt es Wachstum: Dort sei der Umsatz – so schreibt Nestlé im Geschäftsbericht – vor allem von Medical Nutrition und Produkten für gesundes Altern angetrieben.  

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Für Letzteres hat Nestlé die Marke Pure etabliert. Unter dieser werden Pillen mit Aminosäuren, Vitaminen, Coenzym Q10, Taurin und vieles mehr angeboten. Wahrscheinlich kommt bald ein Produkt dazu, das den Pegel von Nikotinamid-Adenin-Dinukleotid (NAD) bei älteren Menschen erhöhen soll. Denn derzeit testet der Nahrungsmittelgigant einige solche Mittel in einer klinischen Studie in Lausanne, die noch bis Ende Jahr läuft. Das geht aus Dokumenten hervor, die der «Handelszeitung» vorliegen.   

Wissenschaftlich gut belegte Vermutung

Das muss vor dem Hintergrund gesehen werden, dass Wissenschaftler schon länger festgestellt haben, dass der Pegel von NAD mit dem Alter sinkt. Das hat Auswirkungen, denn NAD ist in fast allen menschlichen Zellen vorhanden und an zahlreichen Reaktionen des Zellstoffwechsels beteiligt. Deswegen gibt es die wissenschaftlich gut belegte Vermutung, dass wieder jünger wird, oder sich zumindest wieder jünger fühlt, wer den NAD-Pegel wieder auf jugendlichere Werte erhöhen kann. 

Dabei gibt es das Problem, dass es nicht hilft, NAD selber einzunehmen. Der Grund ist – vereinfacht gesagt –, dass das Molekül chemisch zu gross ist, um dorthin zu gelangen, wo es hinmüsste. Deswegen haben Wissenschaftler darauf zurückgegriffen, den NAD-Pegel zu erhöhen, indem sie Vorläufer dieses Moleküls verabreichen, die im Körper zu NAD werden.  

Was erhöht den NAD-Pegel am meisten?

Zu diesen gehören insbesondere Nicotinamidriboside (NR) und Nicotinamid-Mononukleotide (NMN). Letztere werden insbesondere von David Sinclair, Professor an der renommierten Harvard Medical School, propagiert. Er erwähnt immer wieder gerne öffentlich, dass er selber und sein Vater täglich ein Gramm NMN nehmen.

In der klinischen Studie am Clinical Innovation Lab von Nestlé in Lausanne wird nun überprüft, welcher Vorläufer den NAD-Pegel in den Versuchspersonen am meisten erhöht. Dabei wird neben NR und NMN auch Nicotinamid abgegeben und ein Placebo. Ende 2023 sollten die Ergebnisse vorliegen.

Dann dürfte Nestlé wohl ein entsprechendes Produkt lancieren wollen. Auf Anfrage dazu schreibt eine Vertreterin der Firma nur: «Da diese klinische Studie noch nicht abgeschlossen ist, können wir Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt jedoch keine weiteren Informationen geben.» 

Es gibt bereits Produkte auf dem Markt

Es gibt schon einige Anbieter, die entsprechende Nahrungsergänzungsmittel anbieten. Dazu gehört etwa die Schweizer Firma Avea, die ein Produkt mit NMN anbietet. Deren Chief Product Officer, die Westschweizer Nahrungsmittelwissenschaftlerin Sophie Chabloz, nimmt diese sogar selbst ein. Das Unternehmen gehört zu Maximon, dem «Company Builder» von den beiden Unternehmern Marc Bernegger und Tobias Reichmuth. Die beiden organisieren die jährliche Longevity Investors Conference in Gstaad, über die die «Handelszeitung» berichtet hat.

Ein Nahrungsergänzungsmittel mit NR gibt es von der US-Firma Chromadex. Sie ist an der Börse kotiert und mit rund 100 Millionen Franken bewertet, rund sechs Prozent weniger als noch vor 12 Monaten. Der Sitz der Firma ist in Los Angeles, wo etwas über 100 Personen beschäftigt sind. Verwaltungsratspräsident der Firma ist Roger Kornberg, dem im Jahr 2006 der Nobelpreis in Chemie verliehen wurde. Er ist Professor an der renommierten Stanford Medical School.

Wenn der weltgrösste Nahrungsmittelkonzern Nestlé mit einem ähnlichen Produkt auf den Markt kommen würde, dürfte das der Wissenschaft rund um die Erhöhung des NAD-Pegels sehr viel neuen Schwung geben.