Es sind die Zahlen von über hundert Frauen, welche einer Geschäftsidee zum Durchbruch verhelfen. Genauer sind es die Umfänge der Damen an Hüfte, Schenkel, Knie und Fessel, anhand deren zwei findige ETH-Studenten einen Algorithmus entwickelt haben. Mit diesem schneidern die Jungunternehmer ihren Kundinnen die perfekte Jeans auf den Leib und ersparen so vielen Frauen den leidigen Einkaufsmarathon.

«Wir mussten uns von Frauen oft anhören, wie schwierig es sei, die perfekte Jeans zu finden», sagt Michael Berli, Mitgründer des Jeansherstellers Selfnation. Deshalb haben er und sein Geschäftspartner Andreas Guggenbühl vor rund zwei Jahren als Bachelor-Studenten an der ETH Zürich mit dem Tüfteln begonnen. Der Informatiker und der Maschinenbauer haben zusammen einen Algorithmus entwickelt, mit dem eine dreidimensionale Visualisierung der individuellen Modellierung jeder Frau an Bein und Po möglich wird. Damit haben Berli und Guggenbühl etwas geschafft, woran viele Konkurrenten bisher scheiterten.

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Kurze Lieferfrist

Seit Ende November können Kundinnen ihre Jeans auf Mass bei Selfnation online bestellen. In den ersten zwei Monaten hat das junge Unternehmen nach eigenen Angaben bereits über 100 Paar Jeans verkauft – Reklamationen habe es noch keine gegeben, einige hätten bereits zum zweiten Mal bestellt, sagt Berli. Ein Video auf der Webseite führt durch die einzelnen Schritte und erklärt, wie man die richtigen Masse mit dem Messband misst: Hüfte, Schenkel, Knie, Wade, Fessel, Beinlänge. Eine Jeansvariante wählen, alle Messzahlen eingeben und da leuchtet das 3D-Modell der eigenen Hose auf dem Bildschirm.

«Es funktioniert wirklich», sagt Berli und zeigt auf die Schnittmustervorlagen, die an der Wand hängen. Dank der dreidimensionalen Visualisierung könne das Schnittmuster für jede einzelne Hose viel präziser ermittelt werden. Es habe unzählige Tests gebraucht, bis es verlässlich funktioniert habe, sagt der 24-Jährige. Für 219 Franken liegt Berlis Jeanshose nach 10 Tagen im Briefkasten seiner Kundinnen.

Im Zürcher Technopark

Das kleine Büro, das sich Berli mit seinem Geschäftspartner und einer weiteren Mitarbeiterin angemietet hat, lässt sich in wenigen Schritten durchqueren. Ein unscheinbarer Raum im ersten Stock des Zürcher Technoparks, spärlich eingerichtet, in der Ecke stapeln sich Jeansmuster. Die Kreativarbeit finde in Berlin statt, sagt Berli. Dort arbeiten zwei Designerinnen an neuen Entwürfen für das Jeansangebot. Noch ist der virtuelle Ladentisch nicht sehr üppig bestückt: Die Kundinnen können gerade mal zwischen sechs verschiedenen Modellen auswählen. In Kürze sollen dort neue Modelle mit mehr Farben und Schnitten folgen.

Auch die Produktion findet fernab des Technoparks statt. Die Schneiderinnen, die für Selfnation arbeiten, sitzen in Nordbayern. Je nach Auftragslage sind dort mehrere von ihnen im Einsatz. Die Jeansstoffe bezieht Berli von einem Produzenten in der Nähe von Mailand. «Uns sind kurze Transportwege und faire Bedingungen bei der Herstellung wichtig», sagt er. Dadurch sind die Herstellungskosten zwar vergleichsweise hoch – dafür spare man beim Transport.

Tüfteln an neuem Algorithmus

Damit hebt sich Berli mit seinem Angebot von der Mehrheit seiner Online-Konkurrenz ab, die oft in Asien produzieren und damit auch längere Lieferfristen haben. Dennoch ist er nicht der Einzige, der auf Nähe setzt. Auch der deutsche Online-Anbieter diejeans.de verarbeitet norditalienische Jeansstoffe in der Nähe von Düsseldorf zu massgefertigten Jeans (siehe Kasten) – zu ungefähr gleichen Preisen. Das kümmert Berli wenig, er will mit seinem fünfköpfigen Team wachsen. Für Shop-in-Shop-Lösungen sei er bereits mit einigen Boutiquen im Gespräch. Auch das nahe liegende Ausland will Berli bald beliefern.

Für den Ausbau unterstützt auch die Plattform Venture Kick des Instituts für Jungunternehmen das Startup aus Zürich. In den ersten beiden Runden bekam Selfnation dort 30 000 Franken. Wenn das Projekt erfolgreich weiterlaufe, gebe es nächsten Sommer nochmals 130 000 Franken, heisst es bei Venture Kick. Die Unterstützung kann Berli gebrauchen. Denn nicht nur Frauen haben es schwer, die perfekte Jeans zu finden – auch Männer seien davon betroffen, sagt er. Deshalb tüfteln er und sein Geschäftspartner Andreas Guggenbühl bereits an einem Algorithmus für die massgeschneiderten Männerjeans. Mit ein paar Anpassungen könne er weite Teile des bisherigen Berechnungsmodells übernehmen. Bereits dieses Jahr sollen auch Männer bei Selfnation auf Mass einkaufen können.

Jeans aus dem Internet: Schneidern nach Kundenmass

Sich die eigene Jeans am virtuellen Nähtisch schneidern zu lassen, ist im Trend. Weltweit gibt es dazu eine Vielzahl an Anbietern. Die meisten fokussieren jedoch auf individuelle Accessoires wie Applikationen, Nähte, Nieten, Farben oder Abriebe des Stoffes. Nach genauen Massen der Kunden schneidern nur die wenigsten. Einer, der online ebenfalls die perfekte Passform für Frauen und Männer verspricht, ist diejeans.de aus Deutschland. Die Münchner Firma produziert wie Selfnation ebenfalls in Deutschland, die Stoffe kommen aus Norditalien.