Paul Reutlinger, ehemaliger CEO der SAirGroup-Tochter Sabena, muss sich mit seiner eigenen Geschichte befassen. Die inzwischen konkursite belgische Airline hat in Zürich die Eröffnung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen ungetreuer Geschäftsführung, unwahrer Angaben über kaufmännische Gewerbe und Kursmanipulation beantragt. Im Visier der Kläger: die verantwortlichen Organe der ehemaligen SAirGroup und damit zwangsläufig auch Reutlinger, als Sabena-Chef seinerzeit Statthalter der Schweizer in Belgien.

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Im Jahr 1996 wurde Reutlinger nach Brüssel beordert, um die 49,5-Prozent-Tochtergesellschaft mit der Swissair zusammenzuführen, und er vergass in der Folge nie, in wessen Sold er stand: Der oberste Sabena-Lenker erhielt seinen Lohn stets aus Zürich überwiesen, sein Bonus war nicht etwa an das Ergebnis der belgischen Airline gekoppelt, sondern an jenes der Konzernmutter SAirGroup. Und dieser fühlte er sich in seinen unternehmerischen Entscheiden auch stets verpflichtet. So auch 1997, als eine Teilerneuerung der Mittelstreckenflotte der Sabena anstand: Boeing oder Airbus, lautete dabei die Frage. Die Belgier hatten in der Vergangenheit stets auf den US-Hersteller gesetzt, auf diesen waren Pilotenkorps und Wartung ausgerichtet.

Reutlinger aber wollte Airbus und boxte diesen Entscheid auch durch. In einem als «confidentiel» taxierten Protokoll des Sabena-VR vom 17. November 1997 heisst es: «Dans la perspective des activités du Groupe et compte tenu de meilleurs résultats économiques, le Management Committee de Sabena recommande la famille Airbus.»

Im Sabena-Management sass neben Reutlinger auch der ehemalige Swissair-Mann Peter Ramel als Finanzchef. Heute zweifelt der Präsident der Sabena-Konkursverwaltung, Christian van Buggenhout, stark daran, dass es bei diesem Entscheid mit rechten Dingen zugegangen ist. Die Vermutung liege nahe, meint er, «dass die dem Verwaltungsrat der Sabena vorgelegten Zahlen auf voreingenommene Weise dargestellt wurden, mit dem Ziel, den VR zu täuschen und seine Wahl zu Gunsten von Airbus zu beeinflussen».

Für diese Version spricht, dass Reutlinger noch am gleichen Tag ein zwei Dutzend Seiten starkes und offensichtlich bereits ausgearbeitetes Memorandum of Understanding unterschrieb zum Kauf von 34 nagelneuen Airbus-Maschinen auf Rechnung der Sabena. Danach verkaufte die Konzernmutter 21 noch in ihrem Besitz befindliche Optionen des Typs A-319 an die belgische Tochtergesellschaft. Während die belgischen Mitglieder des Sabena-VR offenbar über die Existenz dieser Optionen nie aufgeklärt wurden, strich die SAirGroup-Tochter Flightlease Ende 1997 den Gewinn dieses Deals ein: knapp sechs Millionen Dollar. Der Airbus-Flottenentscheid hatte auch für eine weitere SAirGroup-Tochter positive Folgen: SR Technics war im Gegensatz zum Pendant in Belgien auf die Wartung von Airbus-Fliegern spezialisiert.

Reutlinger dürfte jedenfalls einige Mühe bekunden, diesen Entscheid als im Sinne des Sabena-Mehrheitsaktionärs – des belgischen Staates – zu begründen. Falls er in dieser Sache überhaupt je angeklagt werden wird. RL