Schwarz gewandet, wie ein verspannter Schachspieler, sass Urs Rohner im Zürcher Konferenzforum St. Peter. Als Giftpfeile muss er die Mikrofone der Medien, die auf ihn gerichtet waren, empfunden haben. Der CS-Präsident redete noch schneller als üblich, verhaspelte sich, klammerte sich ans Manuskript auf dem Bildschirm. Und sprach fast schon trotzig den Satz: «Tidjane Thiam geniesst weiter das volle Vertrauen von mir persönlich.»

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Es war eine Art der Kapitulation. Intern kann keiner recht glauben, dass bloss zwei Leute – Pierre-Olivier Bouée, Chief Operation Officer, und Remo Boccali, Sicherheitschef, als Einzige von der wochenlangen Überwachungsaktion gegen ein Konzernleitungsmitglied wussten. Ausgerechnet Bouée, das Alter Ego von Konzernchef Tidjane Thiam, mit dem er zwanzig Jahre aufs Engste zusammenarbeitete. Wenig zur Klärung trägt bei, dass «einige private Kommunikationen» vorgängig gelöscht wurden, wie es im Untersuchungsbericht heisst, den der Verwaltungsrat zur Abklärung der Causa in Auftrag gegeben hatte.

Nichts gegen Machtkartell getan

Rohner hielt sich strikt ans Manuskript. Und an den Plan, die Affäre möglichst schnell abzuhaken. Doch er wusste auch, er hatte seine letzte Chance verpasst. Nämlich jene, ein Machtwort zu sprechen, Kante zu zeigen, der Kultur der Bank seinen Stempel aufdrücken.

Stattdessen trug er in den letzten Monaten selber zur Eskalation bei: durch Zögern und Zaudern. Es musste dem vollamtlichen Präsidenten doch zu Ohren gekommen sein, dass der Konzernchef in der Bank eine Parallelstruktur aufgebaut hatte. Es war ein Vierer- respektive Dreiergremium, das bestimmte: Thiam, Bouée und Kommunikationschef Adam Gishen. Bis vor wenigen Monaten gehörte auch HR-Chef Peter Goerke zum innersten Machtzirkel – bis er plötzlich zum Senior Advisor mutierte.

Sie alle kennen sich aus gemeinsamen Tagen beim Versicherer Prudential in London. Thiam war Konzernchef, Bouée Risikochef, Goerke war HR-Chef und Gishen der externe Finanzberater.

In diesem Zirkel wurde entschieden, über Sparvorgaben oder über die mitunter brachiale Entmachtung von Kaderleuten. Rohner griff nicht ein, um das Machtkartell zu stoppen. Auch den Konflikt zwischen Khan und Thiam liess er monatelang schwelen, ohne dass er den Kontrahenten die Postordnung erklärte. Dabei musste ihm klar sein: Thiam und sein Chef der Internationalen Vermögensverwaltung sind – neben Schweiz-Chef Thomas Gottstein – zentral für den Geschäftserfolg der Bank.

Es ging zwischen Thiam und Khan nicht primär um Baulärm oder Bäume, die für heisse Köpfe und laute Worte sorgten. Es ging um einen Machtkampf unter Egos, bei dem Rohner – zumindest indirekt – eine Rolle spielte. Denn intern kursierte schon 2018 das Planspiel, dass Rohner den Konzernchef in einem oder zwei Jahren auswechseln könnte, um die fitgetrimmte Bank auf einen neuen Wachstumskurs zu bringen. Als Alternative für die Zukunft hielt der Präsident seinen Zögling Khan in der Hinterhand.

Thiams Reaktion

Seit der Veröffentlichung des Untersuchungsberichts zum Fall Khan verlor die CS-Aktie 3 Prozent. Konzernchef Thiam wandte sich per Mail an die Belegschaft. Mit dem Rücktritt seines COO sei die volle Verantwortung übernommen worden für diesen «absolut isolierten Fall». Die jüngsten Ereignisse seien für alle herausfordernd und bedauerlich, weil Fehler gemacht worden seien. Weiter bat er das Personal, sich jetzt auf das vierte Quartal zu konzentrieren.

Körners Karriere

Der Deutschschweizer gilt als erfahrener Banker. Er arbeitete nach dem Studium bei McKinsey, stieg bei der Credit Suisse in die Geschäftsleitung auf, wo er Urs Rohnerkennenlernte. Später wechselte er zur UBS, wo er als COO fungierte und das Assetmanagement leitete.

Dieses Szenario dürfte Thiam nicht entgangen sein. Mit der Eskalation zwischen ihm und seinem potenziellen Konkurrenten sorgte er für dessen abrupten Abgang. Rohner blieb auch hier viel zu lange passiv. Erst Anfang 2019 nahm er zur Kenntnis, dass sich seine besten Rennpferde wegen der Zahl von Presseauftritten, Baulärm und zwei Laubbäumen zofften.

Am Schluss handelte er mit dem scheidenden Khan einen Abgang aus, der sämtliche Trennungs-Usanzen der Branche aushebelte. Diese Vorzugsbehandlung hat das Verhältnis zwischen Thiam und Khan weiter verschlechtert. Der Abgang durch die Haupttür und der rasche Wechsel zur UBS waren der Auslöser für die Überwachungsoperation, die schliesslich zum Eklat führte. Und zum Reputationsschaden der Bank.

Lieber zuwarten als handeln

Wer mit einem Dutzend Weggefährten redet, kommt immer zum ähnlichen Befund: Rohner ist smart, schnell, strategisch. Aber wenn ein forsches Durchsetzen oder eine klare Ansage gefragt ist, ist er der Taktierer, der zuwartet. Das zeigte sich im Herbst 2014. Als VR-Präsident weibelte er bereits seit über zwei Jahren für den Strategieschwenker weg vom Investmentbanking hin zur Vermögensverwaltung.

Ungeachtet der geforderten Kurskorrektur setzte der damalige Chef Brady Dougan im Oktober 2014 einen Konzernumbau durch, der irritierte: Dougan holte zwei weitere Investmentbanker in die Konzernleitung und schwächte die Vermögensverwaltung, die der Präsident stärken wollte. Auch hier: kein Machtwort von oben, kein Njet, das Dougan von seinem strategiewidrigen Beförderungsplan abbrachte.

Bitter für den früheren Wirtschaftsanwalt und M&A-Experten, dass er in der komplett ausgearteten Khan-Affäre der grosse Verlierer ist. Sein Kronfavorit: bei der Konkurrenz an einer Schlüsselstelle. Sein CEO: angeschlagen. Die Reputation der Bank: dito. Das Personal: verunsichert.

Was ihm in den nächsten Monaten bloss noch bleibt, ist die Suche nach dem eigenen Nachfolger. Er hat es selber so gesteuert: Eine seiner ersten Handlungen als neuer CS-Präsident war die Senkung der Amtsdauer der Verwaltungsräte von 15 auf 12 Jahre. Weil er bereits seit 2009 im Strategiegremium sitzt (seit 2011 als Präsident), muss er spätestens 2021 abtreten. Und weil kein Externer direkt auf den Präsidentenstuhl rückt, müsste er bereits zur GV 2020 einen valablen Kandidaten für das höchste Amt in den Verwaltungsrat locken.

Thiam wurden seit längerem Gelüste aufs Präsidentenamt nachgesagt. Doch nach den jüngsten Schlagzeilen tendieren seine Chancen gegen null. Also wird wohl einer von aussen zum Zug kommen.

Das Timing würde stimmen

Bereits kursieren erste Namen, darunter Philipp Hildebrand, ehemaliger SNB-Präsident und zurzeit Führungsmitglied bei der Investmentfirma Blackrock. Auch Dave Blumer wird genannt, ehemaliger Chef des Assetmanagement der Credit Suisse, der ebenfalls in der Blackrock-Konzernleitung sitzt. Noch häufiger fällt der Name Ulrich Körner, der bis vor kurzem Mitglied der UBS-Konzernleitung war. Rohner und Körner kennen sich aus gemeinsamen CS-Tagen.

Das Timing würde perfekt stimmen: Körners Kündigungsfrist läuft im Frühling 2020 ab – kurz vor der Generalversammlung der Credit Suisse

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