Seit zwei Wochen liefert «Marktplatz» in der Zentralschweiz Frischprodukte. Ab September 2005 will man auch ein Trockensortiment mit 3500 Artikeln sowie Fleisch- und Wurstwaren anbieten. Marktplatz hat über 60 Detaillisten unter Vertrag, bis Oktober sollen es 100 sein. «Damit hätten wir die Hälfte der ehemaligen Primo- und Visavis-Betreiber in der Zentralschweiz gewonnen», erklärt Marktplatz-Geschäftsleiter Guido Müller. Der 47-Jährige gilt als alter Hase im Lebensmittelhandel. «Da versucht ein Kleiner etwas, woran ein Grosser gescheitert ist», so Detailhandelsexperte Gotthard F. Wangler. Zur Erinnerung: Bon-appétit konnte mit der für die Dorflädeli zuständigen Usego über Jahre keinen Gewinn mehr erwirtschaften, weshalb Ende 2004 der Rückzug angekündigt wurde.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

«Es ist sehr mutig»

Beim Aufbau nutzt Müller bestehende Infrastrukturen: Etwa mit der Mundo AG, die seit Jahren Hotels mit Früchten und Gemüse beliefert, oder beim Trockensortiment mit der Cadar SA, einem Grossisten aus der Westschweiz. Die Warenverteilung besorgt eine lokale Transportfirma. «Marktplatz» soll im Vollbetrieb nicht mehr als 15 bis 20 Leute beschäftigen. «Wir sind eine topschlanke Organisation», betont Müller und spricht von bloss 250000 Fr. Anlaufkosten. Der Name «Marktplatz» soll schon bald an der Verkaufsfront als einheitlicher Brand anzutreffen sein. Der neue Belieferer hat sich einen Umsatz von 100 Mio Fr. zum Ziel gesetzt.

Müllers Optimismus stösst in der Branche auf eine Skepsis. «Es ist zwar sehr mutig, eine neue Einkaufsorganisation aufzubauen», so Wangler. Klug sei die Strategie, sich auf die Zentralschweiz zu beschränken. Ganz anders handelt der ebenfalls in den letzten Monaten gegründete «Treffpunkt» in Bern. Er will ab Juli Läden auch in den entlegensten Winkeln der Deutschschweiz bedienen (siehe «HandelsZeitung» Nr. 20 vom 18. Mai 2005).

Ab einer Mindestbestellung von 2000 Fr. beim Trockensortiment und 400 Fr. bei den Frischprodukten kommt beim «Marktplatz» jeder Detaillist zum Zuge. Das sind mildere Vorgaben als etwa bei Volg, wo die entsprechenden Abladewerte 5500 und 800 Fr. betragen. Die Detaillisten sind beim «Marktplatz» auch frei, gewisse Produkte von lokalen Bauern oder Käsereien zu beziehen.

Lädelisterben geht weiter

«Ein Detaillist sollte mindestens 80% der Ware beim gleichen Belieferer beziehen, sonst kann dieser kaum profitabel operieren», sagt Wangler. Volg setzt offiziell eine 90%-Klausel. Faktisch seien es aber nur 75%, relativiert Volg-Sprecher Reinhard Wolfensberger. Gegenüber den neuen Konkurrenten «Marktplatz» und «Treffpunkt» gibt sich Volg gelassen. 153 ehemalige Primo- und Visavis-Detaillisten hätten sich für Volg entschieden, mit 100 weiteren sei man im Gespräch. Das ist rund ein Drittel der Usego-Hinterlassenschaft in der Deutschschweiz. 100 Dorfläden hat Spar neu unter Vertrag genommen, und 25 weitere dürften bis zum Herbst noch hinzukommen.

Für alle Belieferer sind Dorfläden im Mittelland natürlich interessanter als in Randregionen. Schlecht sieht es in Graubünden aus, wo bereits zehn ehemalige Primo und Visavis dichtgemacht haben. «20 weitere Läden stehen auf der Kippe», erklärt Marco Valsecchi, Geschäftsleiter der Region Viamala. Er hat eine Dorfladenkommission initiiert, die nun bedrohte Geschäfte mit öffentlichen Beihilfen von den Fixkosten entlasten will. Viele dieser Dorfläden setzen weniger als 400000 Fr. um. «Zum gesunden Überleben brauchte es aber einen Umsatz von 3 Mio Fr.», schätzt Wangler. Mehr als ein Drittel der 1100 ehemaligen Primo und Viasavis dürften diese Limite nicht erreichen.