Stadler Rail will an die Börse. Letztes Jahr aber sank der Umsatz von 2,4 Milliarden Franken auf 2 Milliarden. Diese Zahlen taugen nicht zur Wachstumsstory
Thomas Ahlburg*: Der Rückgang ist einfach zu erklären. 

Da sind wir gespannt. 
Der Umsatz hängt stark von den Auslieferungsterminen unserer Züge ab. Die Verumsatzung erfolgt erst, wenn wir ausgeliefert haben. Ein Beispiel: Wir produzieren den Hochgeschwindigkeitszug Giruno für die SBB vor. Auswirkungen auf den Umsatz hat das Projekt erst, wenn wir den Zug den SBB übergeben. Das wird 2019 der Fall sein. 

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Die Konkurrenz rechnet anders? 
Das ist so. Wir verrechnen nach der Auslieferung, die andern nach den angefallenen Kosten in einer Produktion. 

Und wenn Sie wie die anderen rechnen? 
Dann würden wir für 2018 einen Umsatz von sicher über 2,4 Milliarden ausweisen. 

Bis 2020 wollen Sie 4 Milliarden Umsatz erreichen. Realistisch? 
Diese Zahl ergibt sich daraus, was wir dann im entsprechenden Umfang an Zügen ausliefern werden. Wir haben aktuell einen Auftragsbestand von 13,2 Milliarden Franken und wenn wir den Umsatz auf die geforderten Ausliefertermine abbilden, weiss ich, welchen Umsatz wir in welchem Jahr machen. So kommen die rund 4 Milliarden für 2020 zustande. 

Diese Rechnung geht nur auf, wenn Sie pünktlich abliefern. 
Richtig. Pünktlichkeit ist ein Bestandteil der Stadler-DNS. Da sind wir stark. 

Bei der Signaltechnik, dem Signalling, sind Sie erst vor zwei Jahren eingestiegen. Alstom und Siemens sind in diesem Zukunftsmarkt viel weiter. 
Das ist relativ. Für das europäische Zug-Kontroll-System ETCS, das auf dem Zug mitfährt, muss man gewisse Leistungsfähigkeiten nachweisen. Siemens und Alstom haben dies letztes Jahr gemacht. Wir streben dies dieses Jahr an. Wir reden hier also von einem Rückstand von maximal einem Jahr. Dieser ist nicht sehr relevant, weil sich das Thema Kontrollsysteme sehr schnell entwickelt. Die Differenz ist also sehr überschaubar. 

Ein margenstarkes Geschäft. 
Wir haben in der Vergangenheit sehr erfolgreich Rollmaterial gebaut und verkauft, dabei war das Sicherheitssystem ein typisches Zukaufteil. Damals gab es die Notwendigkeit nicht, diese Teile selber zu entwickeln. Erst aufgrund der Marktdominanz von Siemens und Alstom entstand Handlungsbedarf. Darauf haben wir reagiert, zum Beispiel mit dem Joint Venture Angelstar zusammen mit der italienischen Firma Mermec

Konkurrent Bombardier scheint das Schreckgespenst für Sie zu sein. Die Kanadier gewannen eine Tram-Ausschreibung in Basel, eine in Zürich und auch beim SBB-Doppelstockschnellzug hatten sie die Nase vorne. 
Wir stehen für fairen Wettbewerb. Wenn dieser eingehalten ist, haben wir nichts einzuwenden. In Zürich gab es allerdings die eine oder andere Diskussion über die Ausgewogenheit des Auswahlverfahrens. Ansonsten sind wir aber in der Schweiz mit unseren Zügen dank unserem hohen Engagement sehr gut vertreten. 

Früher wiesen Sie eine Betriebsmarge von über 10 Prozent aus, jetzt sind es 7,5 Prozent. Weshalb dieser Rückgang? 
Wir haben stark investiert in den Ausbau unserer Kapazitäten, allein letztes Jahr waren es 188 Millionen Franken. Dann gab es immer wieder Währungsverwerfungen. Schliesslich sind wir auch in Märkten unterwegs, die preissensitiver sind. Wir arbeiten daran, dass wir uns in den nächsten Jahren weiter verbessern, dort hilft uns auch das wachsende Service- und Signalling-Geschäft. 

Die Bombardier-Doppelstöcker sind das Ärgernis der SBB. Sind Sie mitschuldig am Debakel?
Sehe ich nicht. Wie kommen Sie darauf? 

Sie waren Chef des Bombardier-Werkes in Görlitz, wo die Züge produziert wurden. 
Der Vertragsabschluss war kurz bevor ich bei Bombardier begonnen hatte. Ich habe nur knapp zwei Jahre dort gearbeitet. 

Weshalb nur so kurz? 
Weil mir ein Unternehmen wie Stadler Rail mit seiner KMU-Mentalität, den einfachen Strukturen und den kurzen Wegen besser liegt. 

Sie meinen: Bombardier ist bürokratisch? 
Es liegt nicht an mir, Urteile über andere Firmen abzugeben. 

Wann setzt sich das autonome Fahren auf der Schiene durch? 
Auf bestimmten Strecken wird es innerhalb der nächsten drei Jahre Tests geben. Den Rollout einer Serienapplikation sehe ich in fünf bis sieben Jahren. 

Dann werden Züge auch in der Schweiz ohne Lokführer unterwegs sein? 
Die Automatisierung wird schrittweise geschehen. Zuerst sehen wir die Anwendung von Fahrassistenzsystemen. Sie bieten Vorteile bei der Energieeffizienz und unterstützen die Lokführer. Dann wird man das autonome Fahren auf Nebenstrecken einführen, wobei der Lokführer Kontrollfunktionen wahrnimmt. 

Wann ist man auf Hauptstrecken so weit? 
Technologisch ist dies in zehn Jahren sicher möglich. Ob dies aber gewünscht wird, ist eine ganz andere Frage. Da gehts um gesetzliche Fragen oder den Wunsch der Betreiber und der Passagiere. 

Ihre Abschlussarbeit an der ETH
«Die Beurteilung von Innovationen im Nutzfahrzeugbereich». Hier reden wir von Lastwagen, die Passion für Züge kam später dazu.

*Thomas Ahlburg ist seit dem 1. Januar 2018 CEO von Stadler Rail. Vor seinem Wechsel zu Stadler im Jahr 2012 war Ahlburg Leiter des Bombardier-Werks in Görlitz.