Dialog bringt uns weiter. So lautet das Motto von Raiffeisen für ihren Geschäftsbericht 2018, der Anfang April erscheint. In der Affäre um das KMU-Beteiligungsvehikel Investnet ist der Gesprächsfaden jedoch längst gerissen.

Raiffeisen ficht die Verträge mit den Minderheitsaktionären an. Die Investnet Holding gehört zu 40 Prozent den beiden Gründern Peter Wüst und Andreas Etter sowie Raiffeisen-Ex-Chef Pierin Vincenz. In ihrer Nichtigkeitsklage argumentiert die Genossenschaftsbank mit «Willensmängeln», also von Vincenz und Co. getäuscht worden zu sein. Womit auch der Aktionärsbindungsvertrag Makulatur sei. Die Raiffeisen-Argumentation basiert auf einer laufenden Strafuntersuchung. Gegen alle drei Investnet-Minderheitsaktionäre ermittelt die Zürcher Staatsanwaltschaft nämlich seit letztem Frühjahr wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung.

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Inmitten der straf- und zivilrechtlichen Auseinandersetzung hat die neue Raiffeisen-Führungscrew um Chef Heinz Huber und Präsident Guy Lachappelle nun eine substanzielle Wertberichtigung auf eben diesem KMU-Beteiligungsvehikel vorgenommen: Das Portfolio umfasst über dreissig Firmen in der Schweiz, Deutschland und Österreich und wird statt der bisherigen 305 Millionen Franken noch mit 180 Millionen Franken in den Büchern stehen.

Diese Wertanpassung interessiert nun offenbar auch die Zürcher Staatsanwaltschaft. Schliesslich stehen Vincenz und Co. im Rahmen der Strafuntersuchung in Verdacht, die Genossenschaftsbank mit verdeckten Treuhandverträgen beim Investnet-Einstieg getäuscht zu haben. Der leitende Strafermittler Marc Jean-Richard-dit-Bressel hat deshalb die Unterlagen zur Investnet-Wertanpassung edieren lassen, wie die «Handelszeitung» erfahren hat. Auf Anfrage hält sich die Staatsanwaltschaft bedeckt. Auch die Bank macht keine Angaben zu den «laufenden Verfahren».

Möglichst gute Ausgangslage

Die neue Raiffeisen-Führungscrew nimmt beim KMU-Portfolio also eine Bewertungsanpassung von 125 Millionen Franken vor. Davon sind gemäss der Bank rund 100 Millionen Franken Wertberichtigungen und Abschreiber auf Goodwill. 25 Millionen entfallen auf Rückstellungen für Rechtskosten. Die Führung spricht nach dem Schritt von einem «realistischen finanziellen Bild». Eines, das für das neue Management wohl eine möglichst gute Ausgangslage schafft.

Denn noch im jüngsten Halbjahresbericht betonte Raiffeisen, dass man dem «Werterhalt der Portfoliogesellschaften» ein «besonderes Augenmerk» schenke. Auch steht der Abschreiber in Kontrast zu einem Bewertungsgutachten, das Raiffeisen seinerzeit selbst bei EY in Auftrag gegeben hatte.

Die «Big Four»-Wirtschaftsberater kommen darin zum Schluss, dass per Ende 2017 der Substanzwert nur schon auf den 14 grössten Beteiligungen aus dem KMU-Portfolio mehr als 110 Millionen Franken betragen würden. Der Substanzwert gilt gemeinhin als Preisuntergrenze, da er die zukünftige Ertragskraft einer Firma nicht berücksichtigt.

Substanzwert der grössten 14 Beteiligungen

Die EY-Schätzung macht also deutlich, wie konservativ das Duo Lachappelle und Huber nun das KMU-Portfolio bewertet. Dies erlaubt zum einen dem neu angeheuerten Portfoliomanager – BLR & Partners – um EMS-Präsident Ulf Berg und Sunrise-Präsident Peter Kurer einen unbeschwerten Start mit viel finanziellem «Upside».

Zum anderen dürfte das Vorsichtsprinzip der neuen Führung den Standpunkt der Bank in den laufenden Rechtsverfahren untermauern, wonach Raiffeisen sich unter der Führung von Ex-Chef Pierin Vincenz das Investnet-Portfolio teuer erkauft habe. Der neue CEO Heinz Huber erklärte denn auch an der Jahrespressekonferenz, dass der Abschreiber seinen «Ursprung» in der Ära Vincenz habe.

Gutachten beim Investnet-Einstieg

Das Manöver erscheint durchsichtig. Ob es juristisch verfängt, bleibt abzuwarten. Denn der finanzielle Einstieg der Genossenschaftsbank in das KMU-Vehikel Investnet 2012 war keine klandestine Hauruck-Aktion von Pierin Vincenz und seinem dauermandatierten Freund Beat Stocker. Vielmehr war es Patrik Gisel, der damalige Leiter Markt und spätere Bankchef, der mit den Investnet-Gründern den Einstieg zu Ende verhandelte. Gisel stützte sich in den Verhandlungen auf ein Gutachten zu Investnet, das die Bank bei der Finanzboutique IFBC eingeholt hatte.

Geschrieben hatte es der Corporate-Finance-Experte Thomas Vettiger. Dieser wollte sich auf Anfrage nicht dazu äussern. Fest steht, dass der damalige Raiffeisen-Verwaltungsrat wie auch die Geschäftsleitung Kenntnis vom IFBC-Papier hatten. Die Empfehlungen wurden aber nicht «eins zu eins» übernommen, sagt ein Involvierter. Die Sache nahm ihren Lauf.

Am 1. Juli 2020 wären nun Vincenz, Etter und Wüst berechtigt, ihre Investnet-Anteile der Raiffeisen Schweiz zu «einer definierten Bewertungsmethodik» anzudienen. Ob die Bank zahlen muss, dürften wohl die Gerichte entscheiden.