Die Meldung der Nachrichtenagenturen liess aufhorchen: «This E. Schneider erhält künftig keinen Lohn mehr.» Ganz so dramatisch ist es aber nicht. Statt wie im letzten Jahr 1,4 Millionen Franken einzustreichen, erhält Schneider, der CEO des Bodenbelagherstellers Forbo, nur mehr Aktien, nämlich genau 47 395 Stück, die mit einer Haltefrist von fünf Jahren ausgestattet sind.

Erstaunen macht sich breit. Denn für Schneider bedeutet dies, dass er die nächsten fünf Jahre seinen Lebensunterhalt selbst berappen muss. Ein absolutes Novum in der Schweiz. Sorgen um die tägliche Nahrungsaufnahme des 54-Jährigen sind jedoch unbegründet. Als der Automatenaufsteller und Zwischenverpfleger Selecta verkauft wurde, konnte Schneider ein beachtliches Vermögen auf die Seite legen. Bei diesem einstigen Turnaround-Kandidaten fungierte Schneider nicht nur als CEO, sondern hielt auch einen beachtlichen Anteil der Aktien. Damit konnte er sich auf einem französischen Bauernhof zur Ruhe setzen – bis ihn die Forbo-Verwaltungsräte anriefen. Hier kann er erneut sein Sanierungstalent unter Beweis stellen.

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«Der Verwaltungsrat und ich wollten ein Zeichen setzen für eine neue Art von Entlöhnung», sagt Schneider. Denn die Gehälter von Schweizer CEO seien «zum Teil zu hoch für die Leistungen, die erbracht werden». Nur wenn ein Firmenlenker Mehrwert für ein Unternehmen geschaffen hat, dürfe er auch viel verdienen. «Trifft ein Manager eine Fehlentscheidung, verliert er seinen Bonus, mich hingegen trifft es existenziell.»

In der Tat ist Schneiders finanzielle Zukunft wesentlich davon abhängig, wie erfolgreich er Forbo sanieren wird. Nicht nur, dass er seinen Lohn künftig in Aktien ausbezahlt erhält – er hat ausserdem einen «substanziellen Teil» seines Privatvermögens in die Firma gesteckt. Während der letzten zwei Jahre erwarb Schneider ein Paket Forbo-Aktien, das einen Wert von derzeit rund 29 Millionen darstellt. Damit ist Schneider nach Michael Pieper und der US-Fondsgesellschaft Tweedy, Browne drittgrösster Aktionär.

Analysten und Aktionäre kommentieren diesen riskanten Schritt mit Hochachtung. Thomas Shrager, Partner von Tweedy, Browne, griff höchstpersönlich zum Telefon, um Schneider zu gratulieren. Alessandro Foletti, Analyst bei LODH, erachtet es als sehr positiv, dass Schneider einen Grossteil seines Privatvermögens investiert hat und damit seinen Wohlstand an den Unternehmenserfolg von Forbo bindet.

Ein Grossaktionär, der sich auch ums Operative kümmert, ist gut fürs Geschäft. Dies belegt ein Blick auf die Historie des Swiss Entrepreneurial Index, den die Bank Swissfirst berechnet. Der Index setzt sich aus 68 Unternehmen zusammen, bei denen ein oder mehrere Aktionäre eine Führungsrolle ausüben oder mindestens 20 Prozent am Unternehmen halten. Innerhalb von zehn Jahren haben diese eigentümergeführten Unternehmen ihren Börsenwert um beachtliche 353 Prozent gesteigert, während der SPI nur um 110 Prozent zulegte. Allein im laufenden Jahr kletterte der Swiss Entrepreneurial Index um 21,8 Prozent, der SPI blieb mit 8,3 Prozent weit zurück.

Woran liegt es, dass die inhabergeführten Firmen eine bessere Performance abliefern? Hauptgrund dürfte die Unabhängigkeit sein. «Strategie und Planungen sind langfristiger angelegt», sagt Peter Bühler, Partner bei der Beratungsfirma Ernst & Young. «Der Return on Investment wird nicht quartalsweise gemessen», bestätigt Professor Urs Fueglistaller, Direktor des Instituts für KMU an der Universität St. Gallen. Das Schielen auf den Shareholder Value und die Dividendenpolitik rücke in den Hintergrund. Solche Unternehmen seien eher bereit, grosse und risikoreiche Investitionen zu wagen, weil sie die Zeit haben, die Pflänzchen zu giessen und in Ruhe wachsen zu lassen.

Konsistenz in der Führung und im Unternehmen, das ist zum Beispiel die Devise von Klaus-Michael Kühne. Er leitet in dritter Generation als VR-Präsident seinen Logistikkonzern Kühne + Nagel. Mit 55 Prozent am Aktienkapital beteiligt, denkt der 69-Jährige nicht daran, kürzer zu treten. «Ich fühle mich fit, der Aufgabe gewachsen und belastbar. Das geht nicht bis in alle Zeiten, aber für die nächsten Jahre habe ich keine konkreten Pläne abzutreten.»

In vielen managergeführten Firmen endet der Planungshorizont beim nächsten Quartalsbericht. Führt dagegen ein Inhaber, dann liegt der Horizont «sicherlich bei drei bis fünf Jahren», sagt Peter Bühler. Damit gleichen diese Konzerne ihre Schwäche in schlechten Börsenphasen über die lange Frist wieder aus. Eine empirische Studie von Fueglistallers Institut zusammen mit Ernst & Young über familiengeführte Unternehmen ergab, dass diese in schrumpfenden Börsenmärkten mindestens gleich stark an Wert verlieren wie andere, dafür aber in Boomzeiten stärker an Wert zulegen.

Damit, sagt Urs Fueglistaller, seien eigentümergeführte Firmen weniger anfällig auf saisonale Schwankungen. In der Schweiz beweisen das Firmen aus den verschiedensten Branchen: Schindler (Aufzüge), Synthes (Medizinaltechnik) oder Luxusgüter (Richemont).

Der Exzentriker Johann Rupert, Sohn des Firmengründers von Richemont, steigt in Krisenzeiten schon mal höchstpersönlich als CEO in die Steigbügel, wenn Not am Mann ist. Dem Unternehmen kommt das zugute. Der Aktienkurs übertrifft den Vergleichsindex SMI seit 1999 Jahr für Jahr.

Rupert besitzt nur 9,1 Prozent des Kapitals beim zweitgrössten Luxuskonzern der Welt, kontrolliert aber die Stimmenmehrheit – nicht unbedingt aktionärsdemokratisch, aber zum Wohle des Unternehmens, wie es Rupert sieht. Denn «würde sich irgendein spekulativer Hedge Fund bei Richemont einkaufen, könnte ich nicht mehr langfristig arbeiten», sagte Rupert kürzlich gegenüber der BILANZ.

Ein weiterer Vorteil ist die Deckung der Interessen von Eigentümern und operativem Führungspersonal. Angestellte Manager denken naturgemäss an ihre Aussenwirkung, ihr Ansehen bei mächtigen Finanzinvestoren und nicht zuletzt an ein möglichst hohes Salär – wenn es im aktuellen Job nicht mehr klappt, möchte man versorgt sein und für andere Aufgaben in Frage kommen.

Der Konkurrenzvorteil, resistenter gegen Schwankungen zu sein, setzt aber voraus, dass die Eigner loyal zusammenhalten. Denn Interessenkonflikte können zwar auch innerhalb von Eigentümergruppen entstehen – wie im Fall der Jet-Aviation-Gründerfamilie Hirschmann oder der Tchibo-Clique Herz –, sind aber eher die Ausnahme. Üblich dagegen ist eine Einigung, auch mehrerer Stämme, zum Wohl des Unternehmens. Bei Kaba etwa halten drei Familien, die dem Gründer nachfolgen, noch eine grosse Minderheitsbeteiligung – einvernehmlich.

Die Investoren, und gerade die einflussreichen angelsächsischen Finanzanalysten, wissen es zu schätzen, wenn sich massgebliche Anteilseigner in der Konzernleitung engagieren, «sei es als VR-Präsident oder CEO», sagt Bühler. «Das schafft grösseres Vertrauen.» Und es stecke oft mehr Herzblut drin als bei angestelltem Führungspersonal. Das dürfte Edgar Oehler aus der Seele gesprochen sein. Als Ziehsohn des Firmengründers Jakob Züllig übernahm Oehler 2003 die Aktienmehrheit an der Bauausrüstungsfirma Arbonia Forster. Von da an ging es aufwärts. Oehler ist sich sicher: «Ein echter Unternehmer ist nur, wer sich mit eigenem Geld am Unternehmen beteiligt.»

Arbonia-Gründer Züllig, ein gelernter Metzger, brachte die Firma nie wirklich auf Wachstumskurs. Heutzutage kommt allerdings die Quittung meistens zügig. Denn dass Eigentümer ihre Managementqualitäten überschätzen, kann zwar vorkommen. Aber auf Fehlbesetzungen «gibt der Markt schnell und brutal die Antwort», sagt Fueglistaller.

Die Tendenz, dass Firmen mit dominanten Eigentümern als Spiegel und zur Verbreiterung der Expertise familienfremde Personen in den Verwaltungsrat holen, zeigt zudem, dass sich die Eigner bewusst sind, dass externe Kontrolle nur helfen kann.

Und Wissenslücken oder Defizite schliessen viele Unternehmer aus eigenem Antrieb. Allein am KMU-Lehrstuhl in St. Gallen haben schon weit über 2000 KMU-Chefs ihre Managementfähigkeiten geschult – fast alle davon Schweizer. Fueglistaller registriert bei einigen durchaus Nachholbedarf in Sachen Finance oder Risikomanagement, im Strategischen aber, also bei Marktbewertung und Produktentwicklung, seien viele Unternehmer «sehr fit – manchmal ohne es selbst zu wissen».

Dirk Ruschmann
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