Die Aussichten der AHV sind ungewisser als noch vor 10 oder 20 Jahren. Umso wichtiger wird die 2. Säule. Bereits ein Drittel der Pensionierten wählt dabei den Kapitalbezug – machen diese Menschen das Richtige?  

Massimiliano Tagliabue: Das hängt jeweils von der individuellen Situation ab. Beispielsweise von den Familienverhältnissen oder von der Gesundheit. Jemand mit einer sehr hohen Lebenserwartung fährt mit einer Rente besser. Auch vorsichtige Menschen müssen sich bei einer regelmässigen Rente bis ans Lebensende nicht immer Gedanken darüber machen, ob das Geld wohl noch ausreicht. Sie müssen sich auch nicht um die Verwaltung des Vermögens kümmern. Viele wählen eine Mischform. Eine Rente bildet zusammen mit der AHV die sichere Basis, mit dem Kapitalbezug gewinnt man trotzdem ein Stück Freiheit und kann Steuern sparen. 

Das Thema ist nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick aussieht.  
Die meisten Menschen unterschätzen die Problematik. Jeder Fall ist anders. Es hängt von der Familiensituation mit erbrechtlichen Aspekten und dem Alter von Kindern und Ehefrau, von den Wohnverhältnissen, der Gesundheit und den steuerlichen Auswirkungen ab. Heute leben auch immer mehr Menschen zusammen im Konkubinat. Da ist gesetzlich nichts geregelt, es kommt immer auf das jeweilige Reglement der Pensionskasse an. 

Bei vielen Pensionskassen muss ich bis zu drei Jahre vor der Pensionierung mitteilen, ob ich einen Kapitalbezug wünsche. Wann muss ich mit meiner Planung starten?  
Die meisten beschäftigen sich leider zu spät mit ihrer Pensionierung und verpassen deshalb auch Chancen. Wenn jemand mit 64 kommt, wird es schwierig, eine optimale Lösung zu finden. Wir raten, mit 55 eine erste Planung zu machen und zu schauen, wo die Person steht. Zu diesem Zeitpunkt kann man noch Entscheidungen treffen. 

Welche Erfahrungen machen Sie?  
In den meisten Fällen haben die Leute sehr viele Fragen – aber sie sind in der Regel schlecht vorbereitet. Es fällt auf, dass viele während ihres Erwerbslebens kein Budget aufstellen. Umso schwieriger wird es für diese Menschen abzuschätzen, was sie im Rentenalter benötigen. Viele sind überzeugt, man brauche sowieso viel weniger, weil man dann alt sei. 

Und dann gibt es böse Überraschungen.  
Wir zeigen auf, dass man Reserven braucht für Arzt und Zahnarzt oder Renovationen bei Wohneigentum. Oft amortisieren ältere Menschen mit einem Teil des Kapitals ihre Hypothek und vergessen dabei, dass sie trotzdem noch Reserven benötigen. Einige denken auch nicht daran, dass bei einer Hypothek die Frage der Tragbarkeit im Pensionsalter mit kleinerem Einkommen anders ist als vorher. Und gerade die heutige Rentnergeneration leistet sich am Anfang kostspielige Wünsche wie zum Beispiel eine Weltreise. 

Wie kann man die Rente berechnen?  
Man muss zuerst eine Bestandesaufnahme der aktuellen Situation vornehmen. Mit verschiedenen Simulationen lässt sich genau aufzeigen, wie die Lösung mit einer Rente, einer gemischten Variante oder einem reinen Kapitalbezug aussieht. Anhand konkreter Zahlen sieht der Betroffene, wie lange er wie viel Geld erhält – und wie er unter Umständen seine Lebensverhältnisse anpassen muss. Das ist sehr hilfreich.

Weitere Informationen sowie die Vor- und Nachteile der beiden Bezugsformen finden Sie hier.

Tipps des Finanzplaners Massimiliano Tagliabue:

- Beschäftigen Sie sich ab 55 konkret mit den Fragen rund um Ihre Pensionierung.

- Erstellen Sie ein Budget: Wie sehen die Einnahmen und Ausgaben vor und nach der Pensionierung aus?

- Informieren Sie sich umfassend via Internet, Zeitungen und Kollegen – und lassen Sie sich dann von einem Fachmann beraten.

- Jedes Jahr erhalten die meisten Arbeitnehmer einen Ausweis ihrer Pensionskasse. Lesen Sie diesen und besprechen Sie Ihre Fragen mit der Personalabteilung oder einem Experten.

- Aufgepasst: Frühpensionierungen sind in der Regel eine sehr teure Angelegenheit.