Die Versprechungen waren vollmundig, als vor gut eineinhalb Jahren die Kreditvermittlungs-Plattform Lendico an den Start ging. «Unser Anspruch an diese Kooperation ist es, Crowdlending in der Schweiz aus dem Nischenstatus in den Massenmarkt zu heben», sagte Postfinance-Chef Hansruedi Köng damals. Die Kooperation: Das waren das Berner Staatsinstitut und das 2013 gegründete Berliner Finanz-Start-Up Lendico, das nun der niederländischen Bank ING Diba gehört und bis vor kurzem Teil der börsenkotierten Rocket Internet war. Es ist der Beteiligungs-Konzern der Samwer-Brüder, jener Seriengründern der deutschen Digitalwirtschaft, die hinter Online-Powerhäusern wie Zalando, Home24 oder DeliveryHero stecken.

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«PF» als «einziger Aktionär»

Inzwischen gehört Lendico Schweiz ganz dem Postfinance-Konzern, wie Recherchen der «Handelszeitung» zeigen. Still und leise hat Rocket Internet beim Schweizer Kredit-Vermittler das Handtuch geworfen. Anfang Dezember wird in einem Sitzungsprotokoll «PF» bereits als «einziger Aktionär der Gesellschaft» aufgeführt. Allerdings hat es das Staatsinstitut nicht für nötig befunden, die Öffentlichkeit und Lendico-Kunden über die «geänderte Aktionärsstruktur» zu informieren, wie es im Protokoll heisst. Sowohl auf der Website der KMU-Kreditplattform wie auch auf Postfinance.ch ist weiter die Rede von einem «Joint-Venture mit der Lendico-Gruppe». Auf Anfrage erklärt Postfinance, dass im Geschäftsbericht 2017, der Anfang März erscheine, die «Lendico Schweiz AG bereits als 100 Prozent Beteiligung aufgeführt sein» werde.

Zu den Trennungsgründen, sagt Sprecher Johannes Möri, ohne auf finanzielle Details einzugehen: «Bei der Lendico Gruppe Deutschland stand der Markt Schweiz nicht im Vordergrund.» Zudem seien im «Shared Services Modell» die Abhängigkeiten von der Gruppe zu gross. Lendico müsse jedoch «agil auf dem Heimmarkt sein», so Möri. Das ist auch dringend nötig, denn die «digitale und schnelle Alternative zu Banken», wie es im Selbstbeschrieb heisst, hat bislang keine Stricke verrissen.

Von Köngs hehrem Anspruch, Crowdlending in der Schweizer aus dem Nischenstatus in den Massenmarkt zu heben, ist Lendico meilenweit entfernt. Dies, obwohl das Finanz-Startup – im Gegensatz zur privaten Crowd-Konkurrenz – mit dem Qualitätssiegel «Postfinance» startete. Doch vielmehr droht Lendico, eineinhalb Jahre nach Lancierung, gegenüber anderen KMU-Crowdlendern wie CreditGate24 oder Swisspeers den Anschluss zu verlieren.

Seit dem Start im Dezember 2016 hat der Zürcher Crowdlender lediglich fünf Kreditprojekte im Gesamtvolumen von gut 300 000 Franken vermittelt. Zum Vergleich: Konkurrent Creditgate24 konnte in den drei Jahren seit Gründung gut 36 Millionen Franken an KMU-Krediten vermitteln. Wenn auch mit deutlich mehr personellen Mitteln als die Postfinance-Tochter. Bei Lendico lahmt also die Pipeline an Kreditprojekten. Denn die Berner Mutter hält ihr Zürcher Finanz-Startuup auf Distanz. «Die meisten KMU-Kunden erfahren von ihrem Postfinance-Berater gar nicht, dass sie ihren Kreditbedarf über Lendico finanzieren könnten», sagt ein Insider. Der gelbe Riese vermittle schlicht keine «Leads» aus dem Geschäftskunden-Bereich.

Geschäftsbanken übten Kritik

Die Distanz zum eigenen Crowdlender hat Gründe: Bereits bei der Lendico-Lancierung im Sommer 2016 gingen nämlich die politischen Wogen hoch. Das Staatsinstitut umgehe mit dem ausländischen Crowdlending-Joint-Venture das im Postorganisationsgesetz stipulierte Verbot von Kreditvergaben, monierten Kritiker. Allen voran die konkurrierten Geschäftsbanken witterten Verrat am Verbot. Der Walliser SP-Nationalrat Mathias Reynard schrieb daraufhin eine umfängliche Interpellation an den Bundesrat betreffend «Folgen und Risiken» der «neuen Tätigkeiten der Postfinance».

Und die stets nüchterne «NZZ» sah die Postfinance gar, sich mit ihrem Lendico-Joint-Venture in den «Dunkelgraubereich» zu bewegen. Sprecher Möri findet die Kritik «unzutreffend» und stellt klar: «PostFinance vergibt über die Lendico Schweiz AG keine Kredite.» Sie vermittelt auch praktisch keine, möchte man anfügen.