BILANZ: Herr Svensson, Saab konkurriert mit den Multis EADS und Dassault. Wie fühlt man sich als Karpfen im Hechtteich?

Ake Svensson: Ich glaube, es kommt in diesem Geschäft nicht auf die Grösse an. Entscheidend ist, dass ein Hersteller von seinem Heimatland unterstützt wird – das zugleich sein wichtigster Kunde ist.

Diese Unterstützung haben Sie?

Wir haben von der schwedischen Regierung starke Rückendeckung: mit der Zusage, dass sie unseren Gripen als Rückgrat ihrer Verteidigung für die kommenden 40 Jahre sieht. Und das Flugzeug weiterentwickeln will, unabhängig davon, ob es auf Exportmärkten Erfolg hat oder nicht.

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Aber ist Saab als kleiner Lieferant nicht ein Risiko für die Schweiz?

Saab ist gross genug. Wir bauen ja nicht nur Kampfjets. Nur ein Drittel unserer Umsätze hängt von diesem Geschäft ab. Wir sind also nicht zu klein, um in diesem Feld mitzuspielen, auf dem nicht viele Spieler sind. Andererseits sind wir auch klein genug, um hoffentlich kosteneffizienter und flexibler zu sein. Wir können uns verschiedensten Bedürfnissen der Kunden anpassen.

Was heisst das?

Dass die Jets immer wieder an die Bedürfnisse des Kunden adaptiert werden. Wir haben darin sehr viel Erfahrung. Zur Zeit des Kalten Krieges war Schweden darauf fokussiert, das eigene Territorium gegen Bedrohungen aus dem Osten zu verteidigen. Heute geht es mehr um internationale Operationen. Deshalb mussten wir die Ausrüstung unserer Luftwaffe anpassen und neu einrichten. Hier sind wir inzwischen bei Version 20 des Gripen. So etwas bieten wir auch Exportkunden an.

Womit werben Sie für den Gripen – warum sollte die Schweiz nicht Rafale oder Eurofighter kaufen?

Weil der Gripen alle Anforderungen an ein zukunftstaugliches Flugzeug erfüllt, und das zu den geringsten Kosten.

Beim Gripen Saab sind die Betriebskosten niedriger?

Viel niedriger.

Um wie viel konkret?

Mit Zahlen wird es schwierig. Es hängt davon ab, welche Sie, auch von den Konkurrenten, in die Finger bekommen. Auch wir halten Daten geheim. Aber wenn Sie etwa an den Auswahlprozess für Kampfflieger in Brasilien denken: Hier hat sich, glaube ich, gezeigt, dass der Gripen viel günstiger zu betreiben und zu warten ist.

Warum sollte das so sein?

Im Gegensatz zu den Konkurrenten hat unser Jet nicht zwei, sondern nur ein Triebwerk. In Schweden haben wir das immer so gemacht. Denn ein Flugzeug kostet nicht nur bei der Anschaffung, sondern über die ganze Lebensdauer. Triebwerke sind teuer, und sie brauchen viel Wartung. Und da kommt noch etwas hinzu  …

… nämlich was?

Die schwedische Luftwaffe wollte auf normalen Strassen landen können, den Jet dann im Wald warten und dort die Waffen tauschen. Dies mit einer kleinen Crew und wenig Werkzeug, und zwar auch ohne Berufssoldaten. Der Gripen musste also so konstruiert werden, dass er sehr einfach zu betreiben ist. Deshalb kann man ihn in 15 bis 20 Minuten warten, dann hebt er wieder ab. Auch das spart Wartungskosten. Andere Jets benötigen Stunden.

Es kursieren Berichte, wonach Rafale in der Schweiz das Rennen gemacht habe. Diese wurden dementiert. Machen Sie sich Sorgen?

Nein. Keiner kennt den Armasuisse-Bericht. Die Meldungen sind falsch.

Zudem ist eine Diskussion im Gang, ob man den Kauf neuer Jets um einige Jahre verschieben soll. Haben die Offiziellen den Bewerbern mal gesagt, dass alles in Frage gestellt wird?

Nicht, dass ich wüsste. Wir haben unsere finalen Angebote abgegeben und warten auf die Ergebnisse der Evaluation. Wann der nächste politische Schritt kommen wird, weiss wohl niemand so genau. Aber ich habe auch verstanden, dass es einen Bedarf gibt, die Flotte für die Zukunft zu erneuern. Ob das in diesem oder im folgenden Jahr entschieden wird – das muss man dem politischen Prozess überlassen.

Frankreichs Präsident Sarkozy setzt sich persönlich für den Rafale ein. Helfen Ihnen die schwedischen Politiker?

Die unterstützen uns sehr. Auf einer gemeinsamen Dienstreise hörte ich meinen Verteidigungsminister sagen, dass wir langfristige Partner suchen, um den Flieger weiterzuentwickeln. Schweden ist sehr offen für Technologietransfer, fürs Teilen.

In der Schweiz sind drei Wettbewerber am Start. Wie sieht der Gesamtmarkt aus?

Generell gibt es weltweit einen Ersatzbedarf für Kampfjets, die im Einsatz sind. Den Bedarf schätzen wir mittelfristig auf über 2000 Flugzeuge. Unser Ziel ist, zehn Prozent dieses Marktes zu erobern, also gut 200 Flugzeuge zu verkaufen.

Dazu müssen Sie weitere Exportkunden finden.

Sogar die USA haben für ihren Flieger der nächsten Generation, den Joint Strike Fighter, die Lösung mit einem Triebwerk gewählt. Und der am weitesten verbreitete Kampfjet der Welt, der F-16, hat auch nur ein Triebwerk. Ich denke, das spricht für uns.

Dass der Flieger die Anforderungen erfüllt, ist die Basis einer Kaufentscheidung. Aber auch die üblichen Kompensationsgeschäfte spielen eine grosse Rolle.

Wenn man in ein Kampfflugzeug investiert für die kommenden 30 bis 40 Jahre, möchte man als Politiker, dass auch die eigene Industrie etwas davon hat. Insbesondere wenn man Firmen hat, die elektronische Systeme für einen Kampfjet herstellen können, würde man die natürlich gern dabeihaben. Das kann ich gut nachvollziehen.

Gibt es keine Geheimnisse mehr im Bau von Kampfjets?

Doch, etwa wenn es um Gegenmassnahmen gegen Angriffe geht. Da ist es verständlich, dass Kunden niemandem zeigen wollen, was sie für die grössten Bedrohungen halten. Wir können so eine Art Basis der Gegenschlagmassnahmen liefern. Aber die Bibliothek, die verschiedene Bedrohungen definiert, kann auf einer so hohen Sicherheitsstufe liegen, dass das Käuferland nicht will, dass wir sie einspeisen. Dann lassen sie die Software von ihren eigenen Leuten einbauen.

Wie oft müssen Sie erklären, dass Saab AB nichts mehr mit dem Autohersteller Saab zu tun hat?

Das wurde erst mit der Krise der Autoindustrie zum Thema, vor allem, wenn man mit Leuten auf der Strasse spricht. Der Verteidigungsindustrie oder den Investoren braucht man nicht zu erklären, dass wir keine Autos bauen.

Wäre es für Saab lebensbedrohlich, wenn der Jet keine Käufer mehr fände?

Nicht wirklich. Erstens wegen der vorhandenen Kundenbasis in Südafrika, Ungarn, Tschechien und Thailand und zweitens, weil Schweden zu uns steht. Wir haben den Gripen zusammen entwickelt, er steht jetzt am Anfang seiner Lebensdauer und wird für sehr lange Zeit hier genutzt werden. Das ist eine starke Grundlage.