Das Übernahmeangebot in Höhe von 1,4 Milliarden Franken für die angeschlagene Gategroup ist die neuste Schlagzeile von in der Schweiz geschäftenden chinesischen Investoren. Zuletzt hatte der Thurgauer Trinkflaschenhersteller Sigg verkündet, künftig mit einem neuen chinesischen Besitzer tätig zu sein.

Rekordhohe 44 Milliarden Franken bietet die chinesische Staatsfirma ChemChina für das Basler Agrochemieunternehmen Syngenta. Doch das Geschäft könnte an einem Veto der USA scheitern. Unlängst wehrte sich Syngenta gegen Vorwürfe, der Verkauf des Unternehmens an ChemChina könnte die Versorgungs- oder die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten gefährden.

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Milliardenschwere Übernahmen

Die Einkaufstour von Firmen aus dem Reich der Mitte in der Schweiz begann indes schon vor einigen Jahren. 2015 tätigten sechs chinesische Unternehmen in der Schweiz Käufe oder beteiligten sich an Schweizer Unternehmen. Damit liegt die Schweiz europaweit auf Rang neun, wie eine im Februar veröffentlichte Studie des Beratungsunternehmens EY zeigt.

Die grösste Übernahme war diejenige des Schweizer Flughafendienstleisters Swissport. Für eine Summe von 2,7 Milliarden Franken kaufte die chinesische HNA im vergangenen Juli 2015 Swissport. Im Februar ging der weltgrösste Sportrechtehändler Infront Sports & Media aus Zug für rund 1,05 Milliarden Euro an die chinesische Wanda-Gruppe. Infront vermarktet unter anderem die Übertragungsrechte für die nächste Fussball-WM.

Fussballclubs und Hotels auf Einkaufsliste

Besitzer des Mischkonzerns Wanda ist der Geschäftsmann Wang Jianlin, der 2015 mit einem geschätzten Vermögen von 32,4 Milliarden Dollar als reichster Chinese galt. Er besitzt einen Anteil von 20 Prozent am spanischen Fussballclub Atlético Madrid.

Dem chinesischen Geschäftsmann Yunfeng Gao wiederum haben es vor allem Hotels in der Innerschweiz angetan. Das Hotel Palace in Luzern ist seit dem vergangenen Jahr in seinem Besitz. Zwei Hotels auf der Melchsee-Frutt sowie das Hotel Europäischer Hof in Engelberg gehören ebenfalls ihm.

Schweizer Firmen beliebt

Laut EY gab es 2015 drei weitere Übernahmen oder Beteiligungen von Schweizer Firmen durch Chinesen. Es handelt es sich dabei um Miniclip in Neuenburg, nach Branchenangaben dem weltgrössten Onlinespiele-Anbieter, den Anlagen- und Maschinenbauer ATS Wickel und Montagetechnik in Würenlos AG sowie das Gesundheitsunternehmen Swiss Biological Medicine in Teufen AR.

In der Aufzählung von EY nicht erwähnt wird der Batteriehersteller Leclanché. Ende 2015 wurde bekannt, dass die von einem chinesischen Investor kontrollierte luxemburgische Golden Partner International neu einen Anteil von 29,7 Prozent am waadtländischen Unternehmen hält.

Der Kauf ausländischer Unternehmen steht seit einigen Jahren ganz oben auf der Agenda von chinesischen Investoren. Dafür gibt gemäss vor allem zwei Gründe, wie Stephan Oehen, Chef des Beratungsunternehmens Invest sagte.

Nischenanbieter und Luxusfirmen

Erstens seien die meist staatlichen Konzerne von der Regierung angehalten worden, gezielt im Ausland zu expandieren. Zweitens ergebe sich für chinesische Investoren durch Übernahmen die Möglichkeit, sich wichtiges Know-how anzueignen, sagte der Spezialist für Handelsfragen Schweiz-China.

Bislang sei es vorwiegend in zwei Bereichen zu Übernahmen gekommen: bei spezialisierten Nischenanbietern der Industrie und im Luxusgütersektor, sagte Oehen. So verkaufte der Industriekonzern OC Oerlikon vor drei Jahren gut die Hälfte seiner Textilmaschinensparte für rund 650 Millionen Franken an die Jingsheng Gruppe. Ebenfalls 2012 übernahm die chinesische Beteiligungsgesellschaft Baoshida die Werke des pleite gegangenen Buntmetallunternehmens Swissmetal an den Standorten Dornach SO und Reconvilier BE.

Seit 2011 gehört die Uhrwerkproduzentin Eterna im solothurnischen Grenchen der chinesischen Haidan-Gruppe. 2013 gelangte zudem die Luxusuhrenhersteller Corum aus La Chaux-de-Fonds NE für 86 Millionen Franken in den Besitz von Haidan, die mittlerweile City Champ heisst. Ein Jahr später übernahm dasselbe Unternehmen für 40,8 Millionen Franken die Dreyfuss-Gruppe mit ihren Schweizer Uhrenmarken Rotary und Dreyfuss & Co sowie der englischen Marke J&T Windmills.

Rasante Zunahme

Die Zahl der Zukäufe chinesischer Kapitalanleger in Europa ist seit 2005 kontinuierlich gestiegen. Gingen 2005 noch 34 Unternehmen in chinesische Hände, so waren es gemäss den Zahlen von EY zehn Jahre später bereits 179. Das sind etwa 10 Prozent mehr als im Jahr zuvor und fast doppelt so viele wie noch 2010. In Europas Wirtschaft ist das Reich der Mitte der fünftgrösste Investor.

Mit 36 beziehungsweise 34 Übernahmen oder Beteiligungen im vergangenen Jahr sind Deutschland und Grossbritannien für chinesische Anleger die attraktivsten Zielländer in Europa. Danach folgen Frankreich (20), Spanien (12) und Russland (9).

Mehr Geld im Spiel

Ausser der Zunahme von Firmenkäufen durch chinesische Investoren sind laut Oehen in der Schweiz zwei weitere Trends feststellbar. Einerseits würden die Übernahmen immer grösser, in der Anfangsphase seien meistens zweistellige Millionensummen bezahlt worden. Andererseits stammten immer mehr Investoren aus Festlandchina, nachdem zu Beginn vor allem Anleger aus Hongkong in der Schweiz investiert hätten, sagte der Experte.

Gemäss Oehen dürfte es sich erst um den Anfang einer chinesischen Expansionswelle im Ausland handeln. In China sei trotz des verlangsamten Wirtschaftswachstums viel Liquidität vorhanden, um kräftig im Ausland zu investieren.

(sda/jfr)