Von jemandem, der als Wirtschaftsberater der konservativen Präsidenten Richard Nixon und Ronald Reagan gedient hat, würde man kaum erwarten, dass er sich für die Freigabe von Marihuana in den USA stark macht. Doch genau dies tat der über 90-jährige Milton Friedman vor wenigen Monaten zusammen mit Hunderten anderer Wirtschaftswissenschaftler in einem Brief an Regierung und Parlament der USA. Wie bei den meisten politischen Stellungnahmen Friedmans waren auch hier ökonomische Argumente ausschlaggebend. Eine Liberalisierung würde zu einem Rückgang der Kriminalität führen und damit zu tieferen Kosten für Staat und Gesellschaft.

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Friedman setzt sich nicht für die Freigabe von Drogen ein, weil er deren Schädlichkeit unterschätzen würde, sondern er stellt die persönliche Freiheit über alles. Wer will, soll sich mit Drogen schädigen können. Wo immer möglich soll sich der Staat zurückhalten und auf einige wenige Kernaufgaben beschränken: dafür sorgen, dass die Gesetze geachtet und private Verträge eingehalten werden, sowie das Funktionieren der Märkte sicherstellen.

So schrieb er in seinem 1962 erschienenen Standardwerk «Capitalism and Freedom», das damals wegen seiner radikal liberalen Thesen grosses Aufsehen erregte: «Was wir dringend brauchen, um ökonomische Stabilität und Wirtschaftswachstum zu erreichen, ist eine Rückführung des staatlichen Einflusses.» Gerade das Gegenteil tat indes der von ihm sehr geschätzte Präsident Richard Nixon. Er führte nicht nur Lohn- und Preiskontrollen ein, sondern auch eine Unmenge neuer Gesetze. «Nixon war der sozialistischste Präsident der USA im 20. Jahrhundert», sagte Friedman in einem Interview. Unter Nixon hatte Friedman wenig Einfluss; seine Zeit kam erst etwa ein Jahrzehnt später.

Für Milton Friedman, der sich als Liberaler in der Tradition der europäischen Radikalen des 19. Jahrhunderts sieht, sind persönliche und wirtschaftliche Freiheit untrennbar miteinander verknüpft. Die Pflege der freien Marktwirtschaft, dieser «seltenen und empfindlichen Pflanze», steht für ihn an oberster Stelle. Regierungen tendierten dazu, die Macht zu konzentrieren, was eine Gefahr für die Freiheit bedeute. Oftmals mit dem verbalen Zweihänder macht Friedman den Staat für alle möglichen Übel verantwortlich: für steigende Arbeitslosigkeit, für schlechte Schulen und damit verbunden für sozialistische Denkweisen. Ebenfalls lehnt er einen obligatorischen Militärdienst ab.

Abschaffen wollte Friedman in den sechziger Jahren auch den Führerschein, Ärztelizenzen, die staatliche Altersvorsorge oder den sozialen Wohnungsbau. Folgerichtig ist er auch gegen gesetzliche Mindestlöhne, dafür aber für die Freigabe der Abtreibung und der Prostitution. Bemerkenswert ist sein Argument für die Abschaffung von beruflichen Bewilligungen aller Art: Der Lizenzzwang diene nur den Interessen derjenigen, die bereits diesen Beruf ausübten. Er halte die Honorare künstlich hoch, verschlechtere die Qualität der Leistung und verhindere den Zugang zu diesen Berufen für möglicherweise besser Geeignete.

Unter den Wirtschaftstheoretikern ist John Maynard Keynes, der mit seiner Nachfragetheorie und der damit verbundenen starken Stellung des Staates die Wirtschaftspolitik der Kriegs- und Nachkriegsjahrzehnte bis in die siebziger Jahre geprägt hatte, Friedmans Hauptgegner. Dies, obwohl Friedman Keynes als grossen Ökonomen bezeichnete und von ihm beeinflusst wurde. «Als ich einige Memos las, die ich als Angestellter des Schatzamtes während des Krieges verfasst hatte, stellte ich fest, dass ich viel stärker ein Keynesianer war, als ich geglaubt hatte.»

Das änderte sich, als er den Einfluss der Geldmenge auf die Konjunktur untersuchte und in seinem 1963 veröffentlichten Werk «A Monetary History of the United States, 1867–1960» die Theorie vertrat, dass die Geldpolitik nicht über den Zinssatz, wie von Keynes postuliert, sondern über die Geldmenge gesteuert werden müsse. Die Konjunktur werde nicht gestärkt, wenn der Staat die Ausgaben erhöhe, sondern indem der Staat die Geldmenge in moderatem Ausmass erhöhe – so moderat jedenfalls, dass damit nicht die Inflation wachse. Wenn nämlich die Politiker mehr ausgäben als einnähmen, müssten sie das Geld entweder beim Steuerzahler oder auf dem Kapitalmarkt beschaffen. Höhere Steuern machten aber positive Konjunktureffekte zunichte, und höhere Staatsschulden verdrängten private Kreditnehmer vom Kapitalmarkt und behinderten so Investitionen.

Während Keynes von einem Zustand der Labilität des Wirtschaftssystems ausgeht, die sich besonders in den dreissiger Jahren zeigte, als er seine Theorie entwickelte, kommt Friedman zu gegenteiligen Schlüssen. Die Depression sei nicht wegen des Versagens des Marktes entstanden, sondern weil die Regierung falsch reagiert habe. Die Federal Reserve Bank habe die Geldmenge bis März 1933 um ein Drittel verringert statt vergrössert, weshalb aus einer normalen Rezession eine verheerende Depression entstanden sei, bei der fast ein Drittel aller Banken Pleite ging. Sein Schluss: «Geld ist eine zu ernste Angelegenheit, als dass man es den Herren von der Zentralbank anvertrauen könnte.»

Doch gerade die Zentralbanken führten in den achtziger und neunziger Jahren eine stark monetaristische Geldpolitik. Das ist heute nicht mehr so. «Damals glaubte man tatsächlich», sagt Ulrich Kohli, Chefökonom der Schweizerischen Nationalbank, «dass es genüge, einfach die Geldmenge zu steuern. Man erzielte in der Phase hoher Inflation auch gute Resultate. Aber heute wird die Geldpolitik eher über die Zinsen umgesetzt.»

Milton Friedman war es nicht in die Wiege gelegt, dass er einmal einer der bedeutendsten Ökonomen würde. Geboren 1912 in New York als viertes Kind jüdischer Einwanderer aus der heutigen Ukraine, wuchs er in der Industrielandschaft von New Jersey unter nicht eben verheissungsvollen Bedingungen auf. Als er 15 war, starb der Vater. Der junge Milton musste für die Familie mitverdienen. Dank einem Stipendium konnte er mit 16 Jahren an der Rutgers University studieren. Bereits als 21-Jähriger holte er sich an der University of Chicago, wo er später, von 1946 bis 1983, als Professor lehrte, den Master-Titel. Nach einer Assistenztätigkeit ging er 1937 als Wirtschaftsexperte nach Washington, wo er in der Abteilung für Steuerforschung des Schatzamtes arbeitete. 1943 bis 1946 war er in der Abteilung für statistische Kriegsforschung der Columbia University tätig, wo er auch doktorierte.

Dass er in Chicago während der Zeit der Depression studierte, prägte seine politischen Ansichten. Auf die Frage, wieso er in dieser Zeit nicht wie viele andere Intellektuelle Kommunist oder zumindest Sozialist gewesen sei, antwortete Friedman: «Das hat mit dem Zufall zu tun, dass ich Wirtschaftswissenschaften an der University of Chicago studierte, die damals ein Hort der klassischen liberalen Ökonomen war.» Und deren Stammvater war Adam Smith. Dessen 1776 veröffentlichtes Buch «The Wealth of Nations» stellt das Individuum ins Zentrum der Wissenschaften. Und um die Bedürfnisse dieser Individuen zu befriedigen, eigne sich der freie Markt am besten. «Wäre die freie Marktwirtschaft nicht das effizienteste System, ich wollte sie trotzdem – wegen der Werte, die sie repräsentiert: Wahlfreiheit, Herausforderung, Risiko», so Friedman.

Seine 1968 unter dem Begriff «Monetarismus» zusammengefasste Theorie wurde ab den achtziger Jahren, als die weltweite Stagflation – Inflation plus stagnierende Wirtschaftsproduktion – als Krebsübel gesehen wurde, wegleitend für die Politik der meisten Zentralbanken sowie des Internationalen Währungsfonds (IWF). «Damals hat man gesehen», so Ulrich Kohli, «dass die Keynesianer zu diesem Phänomen nichts beitragen konnten. Deshalb besann man sich auf Friedman.»

Gemäss Friedman ergibt die Geldmenge mal die Umlaufgeschwindigkeit das Sozialprodukt. Und da die Umlaufgeschwindigkeit mehr oder weniger stabil bleibt, weil die Haushalte ihr Verhalten nicht abrupt ändern, wird eine Ausweitung der Geldmenge das Sozialprodukt erhöhen. Friedman versuchte zu belegen, dass jedem Aufschwung in den USA eine Ausweitung der Geldmenge vorangegangen war. Die Geldmengenpolitik hat heute bei den Zentralbanken nur noch geringe Bedeutung, doch liefert ihnen die Geldmengenentwicklung weiterhin wertvolle Informationen: «Der Zusammenhang zwischen Geldmenge und Inflation ist zwar unbestritten», sagt Ulrich Kohli, «aber nur im langfristigen Vergleich. Deshalb bringen auch Versuche einer kurzfristigen Konjunktursteuerung nichts.» Heute möchte Kohli den Kurs der Nationalbank nicht mehr als monetaristisch bezeichnen, «wenngleich der Einfluss von Friedman noch präsent ist». Man verwende einen Mix von ökonomischen Modellen und Theorien. Für Manfred Gärtner, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen, sind allerdings Europas Zentralbanken noch immer stark geprägt von Friedmans Theorie: «Gerade die Europäische Zentralbank ist noch extrem monetaristisch ausgerichtet, während die amerikanische Fed seit Jahren einen pragmatischen Kurs fährt, an dem die Keynesianer ihre helle Freude hätten.»

Friedman, der zur Galionsfigur des Neoliberalismus wurde, postulierte aber nicht nur eine Steuerung der Geldmenge, sondern auch eine Reihe von flankierenden Massnahmen, um den Staat zurückzubinden: Privatisierung, Deregulierung, Kürzungen der Sozial-, Gesundheits- und Bildungsbudgets. Je kleiner der Einfluss des Staates, umso besser, denn Friedman hält die Politiker für die Quelle der Instabilität des Wirtschaftssystems. Seine Ideen hätten kaum ihren Siegeszug um die Welt angetreten, hätten nicht die damals stärksten Führerfiguren der westlichen Welt, Ronald Reagan und Margaret Thatcher, seine Theorien zu ihrer eigenen Wirtschaftspolitik gemacht.

Was allerdings Friedmans Forderung nach radikaler Senkung der Staatsquote betrifft, so war sein Erfolg bescheiden: In den USA ging diese zwischen 1982 und 2002 zwar von 39 auf 36 Prozent zurück, aber fast ausschliesslich infolge des reduzierten Verteidigungsbudgets. Während die meisten Staaten eine Staatsquote von 30 bis 50 Prozent haben, findet Friedman, 10 Prozent wären eigentlich angemessen.

Für die Länder der Dritten Welt waren die ganz im Sinn von Friedmans Theorie von IWF und Weltbank durchgesetzten Strukturanpassungsprogramme verheerend. Nicht nur wurden Sozial- und Gesundheitsausgaben radikal gekürzt sowie Subventionen für Strom und Wasser gestrichen, sondern auch die Grenzen für westliche Produkte geöffnet. Dadurch wurden diese Märkte von Waren aus dem Westen überschwemmt, die oftmals subventioniert waren wie etwa landwirtschaftliche Erzeugnisse, während sie ihre eigenen Produkte kaum mehr loswurden. Das führte oft zu extremen sozialen Verwerfungen, Verelendung, Finanzkrisen und Unruhen.

Der zweifelhafte Erfolg dieser Politik wurde ab Mitte der neunziger Jahre sichtbar; die Weltbank änderte ihr Verhalten. Auch Manfred Gärtner beurteilt die Politik des IWF rückblickend kritisch: «Der IWF hat wohl zu einfache Rezepte angewendet und den Ländern der Dritten Welt oftmals Bedingungen auferlegt, die dem kulturgeschichtlichen, wirtschaftlichen und politischen Entwicklungsstand nicht angemessen waren.» Der freie Markt ohne Eingriffe des Staates regelt laut Friedman fast alles.

So ist er auch etwa Garant dafür, dass Menschen nicht diskriminiert werden. Denn der Markt ist anonym: Käufer kaufen dort, wo es am günstigsten ist, seien dies Produkte oder Arbeitskräfte, und sie schauen nicht darauf, welche Hautfarbe oder Religion ein Verkäufer hat. «Ein unpersönlicher Markt trennt wirtschaftliche Aktivitäten von politischen Ansichten und schützt zugleich den Einzelnen vor Diskriminierung», meint Friedman.

Selbst Schwarzmärkten kann Friedman etwas Positives abgewinnen. Sie sind für ihn Einrichtungen, um Regierungskontrollen zu umgehen. Ein Schwarzmarkt entstehe nur dort, wo es schlechte Gesetze gebe. «Es ist nicht das ultimative moralische Prinzip», sagt Friedman, «jedem Gesetz zu folgen.» Es gebe höhere Gesetze als staatliche. So rechtfertigt er etwa auch Kriegsdienstverweigerer.

Radikal waren damals, als Friedman sie in die Diskussion brachte, auch seine Ideen für ein Steuersystem. Er postulierte eine drastische Senkung der Spitzensätze, dafür eine Verbreiterung der Steuerbasis und die Abschaffung der unzähligen Ausnahmen, Abzüge und Schlupflöcher. Für Einkommen unter dem Existenzminimum fordert er indes eine negative Steuer, also einen Zuschuss durch den Staat. Eine solche Massnahme sei am wirkungsvollsten zur Bekämpfung der Armut, weil sie den Menschen Bargeld gebe, flexibel sei und unbürokratisch. Vor allem in den Ländern des ehemaligen Ostblocks stiessen diese Ideen auf Anklang. Länder wie Russland, die Slowakei, Rumänien und die baltischen Staaten führten sogar die ebenfalls von Friedman propagierte Flat Tax ein, also den einheitlichen Steuersatz für alle Einkommen. Ob allerdings Friedmans Rezepte auch nachhaltig Erfolg haben, ist für Manfred Gärtner noch offen: «Zweifellos profitierten diese Länder von guten Bedingungen: Strukturhilfen der EU, tiefe Arbeitskosten, geringe Sozialleistungen. Für den Umbruch nach der Planwirtschaft war mehr Markt sicher richtig. Der wahre Test kommt allerdings, wenn die Umbruchphase abgeschlossen ist und sich die Volkwirtschaften dieser Länder den andern europäischen angenähert haben.»

Seine bedeutendsten Werke schrieb Friedman in den fünfziger und sechziger Jahren, als der Keynesianismus sich dem Höhepunkt zubewegte. Damals fanden seine Theorien noch wenig Resonanz. Der Wendepunkt kam, als entgegen den Annahmen der Keynesianer in den siebziger Jahren sich sowohl die Arbeitslosigkeit als auch die Inflation in Schwindel erregenden Höhen bewegten.

Ein Experimentierfeld für seine Theorien erhielt Friedman in Chile, als sich die Militärs nach dem Putsch von General Augusto Pinochet gegen die rechtmässig gewählte Regierung von Salvador Allende einem fast schrankenlosen Liberalismus verschrieben. Friedman war zwar nur am Rande an dieser Wirtschaftspolitik beteiligt. Er besuchte Chile 1975 und gab eine Reihe von Vorlesungen. Doch etliche chilenische Ökonomen, die an der University of Chicago ausgebildet waren, die so genannten Chicago Boys, nahmen unter Pinochet in der chilenischen Wirtschaft und Regierung Schlüsselpositionen ein und setzten einen kompromisslosen Privatisierungs- und Liberalisierungskurs durch. Friedman wurde für sein Engagement zu Gunsten eines Regimes, das mordete und folterte, heftig kritisiert.

Als er 1976 den Wirtschaftsnobelpreis entgegennahm, kam es zu heftigen Protesten während der Zeremonie. «Es gab eine konzertierte Aktion, um mich zu teeren und zu federn», sagte er Jahre später ironisch in einem Interview. Sein Engagement in Chile verteidigte er damit, dass er schliesslich nur ein paar Vorlesungen gegeben habe, die gleichen übrigens, die er später in Jugoslawien und China vorgetragen habe, und dagegen habe es keinerlei Proteste gegeben.

Die neoliberale Wende, von Friedman seit den sechziger Jahren propagiert, hinterliess tiefe Spuren. Die Schere zwischen Arm und Reich verbreiterte sich rasant, die Spanne zwischen den tiefsten und höchsten Löhnen in den Unternehmen ebenso. In den reichsten Ländern der Welt nahm die Zahl der Armen stark zu; Teile des Mittelstandes drohen zu verarmen.

Die von Friedman mitbegründete Chicago School brachte nicht weniger als acht Nobelpreisträger hervor. Dennoch – oder gerade deswegen – mangelte es Friedman nie an Gegnern und Kritikern. Die von dieser Schule aufgestellten Modelle waren stark ökonometrisch und mathematisch definiert. Kritiker bemängeln, dass die Methoden zwar von perfekten Annahmen ausgingen, aber die Wirtschaft in einem unrealistisch statischen Zustand darstellten. Die Modelle seien theoretisch interessant, hätten aber keinen Bezug zur Realwirtschaft.

Scharf ins Gericht mit Friedman ging Paul Samuelson, Studienfreund und ebenfalls Nobelpreisträger, den nicht wenige als den bedeutenderen Ökonomen sehen: Friedmans Buch «Capitalism and Freedom» sei schlicht «zum Lachen». Und Pierre A. Rinfret, der eine beeindruckende Karriere als Geschäftsmann machte, ebenfalls Regierungsberater war und von Nixon einen Ruf ins Kabinett erhielt, ist wohl der vehementeste Friedman-Kritiker überhaupt. Seine Erfahrung aus jahrzehntelanger Bekanntschaft und teilweise gemeinsamer Arbeit in Kommissionen mit Friedman fasst er so zusammen: «Ein eingebildeter, lügenhafter, egoistischer und verheerender Mensch, ein lausiger Ökonom mit gefährlich einfachen Meinungen und Erklärungen der wirtschaftlichen Welt.» Alle seine zahlreichen Kontakte und Debatten mit Friedman seien ein «Flug ins Fantasieland» gewesen. Er habe ihn auch dabei ertappt, wie er Daten manipuliert habe.

«Seine Statistiken waren so falsch wie eine Dreidollarnote», schreibt Rinfret auf seiner Homepage. Er habe Theorien so konstruiert, dass sie seinen Vorurteilen entsprochen hätten. Bei etlichen Annahmen lag Friedman, wie spätere Forschungen zeigten, auch daneben: «Weder funktionierten die Märkte so frei, noch reagierten die Preise so flexibel, wie sie Friedman beschrieben hatte», erklärt Ulrich Kohli.

Sowohl für Kohli als auch für Manfred Gärtner gilt Friedman dennoch als einer der grössten Ökonomen des 20. Jahrhunderts. Doch meint Gärtner: «Es ist ernüchternd zu sehen, wie wenig von Friedmans Theorien heute noch sichtbar ist. Das zeigt auch, wie schnelllebig die Forschung in den Wirtschaftswissenschaften ist.» Und Kohli fügt bei: «Monetarismus war während einiger Zeit fast zu einem Schimpfwort geworden.»

Für Ulrich Kohli ist etwas vom Wesentlichsten, was von Friedman bleibt, die Widerlegung der Theorie, dass man – wie das auch der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt noch glaubte – zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit wählen müsse. «‹Ich habe lieber fünf Prozent Inflation als fünf Prozent Arbeitslosigkeit›, war ein Bonmot von Schmidt. Schon in den sechziger Jahren verwarf Friedman diese Theorie als inkohärent. Er wies sogar nach, dass es eine positive Korrelation zwischen hoher Arbeitslosigkeit und hoher Inflation gibt. Es ist heute bei den Notenbanken universell akzeptiert, dass man die Arbeitslosigkeit nicht mit Inflation bekämpfen kann. Die Preisstabilität steht absolut im Vordergrund.»

Milton Friedmans Theorien verdrängten dank massiver politischer Unterstützung jene von Keynes. Doch zu ersetzen vermochten sie sie nicht. Vielmehr erlebt der Neo-Keynesianismus seit einigen Jahren eine Renaissance, auch an amerikanischen Universitäten. «Zweifellos haben Friedmans Theorien sich befruchtend auf die keynesianisch ausgerichtete Forschung ausgewirkt», sagt Manfred Gärtner. «Das Spannende ist ja, wie es zu neuen Erkenntnissen führt, wenn sich zwei Lager streiten.»

Wichtigste Werke von Friedman

«A Theory of the Consumption Factor» (1957).
«Capitalism and Freedom» (1962).
«Inflation: Causes an Consequences» (1963).
«A Monetary History of the United States, 1867–1960» (1963).
«Money and Economic Development» (1973).
«Free to Choose» (1980, zusammen mit Rose Friedman).
«Tyranny of the Status Quo» (1984, mit Rose Friedman).
«Two Lucky People: Memoirs» (1998, mit Rose Friedman).

Literatur über Friedman

Eamonn Butler: Milton Friedman. A Guide to Economic Thought. Aldershot 1985.
Helmar H. Veltzke: Theorie und Politik des Monetarismus. Wissenschaftslogische Analyse und Kritik des neoquantitätstheoretischen Ansatzes Milton Friedmans. Pfaffenweiler 1987.
William Frazer: The Legacy of Keynes and Friedman: Economic Analysis, Money and Ideology. Westport 1994.

Link

www.huppi.com/kangaroo/L-chimonetarism.htm: Kritik an Milton Friedman.

Die Hauptwerke

«Kapitalismus und Freiheit» (Capitalism and Freedom)

Mit diesem 1962 erschienenen Werk legte Friedman ein ultraliberales
Bekenntnis vor, das damals auch Liberale teilweise irritierte. So plädierte er für die völlige Streichung von Agrarsubventionen, die Beseitigung von Importbeschränkungen und Zöllen, vollständige Privatisierung der gesetzlichen Sozialversicherung und die Abschaffung der Wehrpflicht. Für Bedürftige und wenig Verdienende wollte er eine negative Einkommenssteuer einführen.

«A Monetary History of the United States, 1867–1960»

Diese voluminöse Studie, die Friedman mit Anna Schwartz veröffentlichte, legte den Grundstein zum Monetarismus. Die Autoren zeigten anhand vieler Beispiele, dass Änderungen der Geldmenge einen sehr grossen Einfluss auf den Konjunkturzyklus haben. Das gilt sowohl für den konjunkturellen Auf- wie den Abschwung. Ausgangspunkt der Studie war die Grosse Depression in den USA zwischen 1929 und 1933, als die Geldmenge um ein Drittel sank.

In der nächsten Ausgabe:

Amartya Sen, Verfasser bahnbrechender Beiträge zur Wohlfahrtsökonomie und zur Theorie der kollektiven Entscheidungen.