Es war wohl der grösste Marketinghype der IT-Geschichte. Noch nie wurde über ein Produkt vor dessen Markteinführung so viel geschrieben wie über das iPhone 3G. Allein in der Schweiz befassten sich knapp 1700 Artikel mit dem Kulthandy von Apple, bevor es Anfang Juli überhaupt erhältlich war.

Dagegen ist die Einführung des neuen Blackberry Bold, der ab 15.  September in den Läden liegen wird, fast eine Geheimdienstoperation. Dabei hätte der Hersteller, Research In Motion (RIM), allen Grund dazu, ebenfalls eine PR-Lawine loszutreten. Schliesslich wendet sich Apples «Zweiphone» direkt an die Businessuser und damit an die Stammkundschaft von RIM. Mit dem Blackberry Bold – explizit als iPhone-Killer positioniert – will RIM nun dagegenhalten.

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Apfel gegen Brombeere: Welches ist das bessere Gerät für den Road Warrior?

Telefonieren kann man natürlich mit beiden gut, daher gleich zum Härtetest:

WELCHES DER GERÄTE IST BESSER ZUM SURFEN? Keine Frage, der Safari-Browser auf dem iPhone ist die beste Internetumsetzung, die man bisher auf einem tragbaren Gerät gesehen hat. Die Bedienung mit dem Touchscreen ist intuitiv und macht richtig Spass. Die Darstellung ist hervorragend und schnell, zudem zeigt das iPhone eine Website im Querformat an, wenn man das Gerät um 90 Grad dreht. Gegen so starke Konkurrenz anzutreten, ist undankbar. Der Blackberry-Browser zeigt zwar keine wirklichen Schwächen, aber so flüssig wie mit dem iPhone geht das Surfen nicht.

Auch beim Speed kann RIM nicht punkten. Beide Geräte empfangen Daten dank HSDPA in Höchstgeschwindigkeit. Obwohl der Blackberry-Server diese vor dem Versenden komprimiert, landen sie zum Teil deutlich langsamer auf dem Display als beim iPhone. Immerhin kann man den Bold auch als Notebook-Modem einsetzen – da muss Apple passen. Dennoch: Diese Runde geht so deutlich wie keine andere an das iPhone.

WELCHES IST BESSER ZUM MAILEN? Die Killerapplikation E-Mail spielt beim Kaufentscheid eine wichtige Rolle. Das Lesen von elektronischer Post ist auf dem iPhone ähnlich komfortabel wie das Surfen. Ganz anders das Schreiben. Texte erfasst man mittels einer Bildschirmtastatur, die etwa die Hälfte des Displays einnimmt. Damit zu arbeiten, ist kein Vergnügen: Die Tasten liegen – nicht nur für Wurstfinger – viel zu eng beieinander und sind auch nicht wie gewohnt versetzt, sondern streng untereinander angeordnet. Eine sehr hohe Tippfehlerrate ist die Folge; entsprechend lange dauert das Verfassen von Texten. Der Touchscreen reagiert zudem nicht auf Druck, sondern auf den Unterschied der Spannung zwischen Fingerkuppen und Luft. Mit langen Fingernägeln lässt sich das Gerät nicht bedienen: das iPhone – ein Machogerät.

Dagegen verfügt der Blackberry Bold über eine echte Klaviatur. Und die ist gegenüber den Vorgängermodellen noch einmal spürbar besser geworden: die Tasten ergonomisch abgeschrägt, mit klarem Druckpunkt und genug Abstand voneinander. Das iPhone versucht den Nachteil auszugleichen durch eine Eingabehilfe, die – ähnlich der T9-Funktion beim Handy – beim Tippen Vorschläge macht. Dieses Feature hat Apple gründlich vermurkst. Häufig schlägt die Software Fantasievokabeln vor, die in keinem Wörterbuch stehen. Das Schlimmste aber: Man muss die Empfehlungen explizit ablehnen, sonst übernimmt sie das iPhone bei Druck auf die Leertaste automatisch. Wer kann sich nur so etwas ausdenken?

RIM merkt man die lange Erfahrung im E-Mail-Management an. Ob man Out-of-Office-Meldungen konfiguriert, Signaturen bearbeitet oder eine Suche – auch über alte E-Mails, die nur noch auf dem Server liegen – durchführt: Mit dem Bold lässt sich die Mailbox unterwegs fast so komfortabel bearbeiten wie vom PC aus. Und ein LED-Lämpchen signalisiert durch Blinken neue Post, auch ohne dass man das Gerät einschalten muss.

Beim iPhone fehlen wichtige Basisfunktionen: Copy/Paste etwa gibt es nicht, Textbausteine können also nicht einfach kopiert werden. Auch eine Suchfunktion beim E-Mail-Stapel fehlt. (MMS gibt es übrigens auch nicht, aber das dürfte den Businessuser nur am Rand interessieren.) Ingesamt ist der Blackberry das klar bessere E-Mail-Gerät.

WELCHES VERARBEITET OFFICE-DOKUMENTE BESSER? Weder der Blackberry noch das iPhone können einen ausgewachsenen Laptop ersetzen. Doch unterwegs mal schnell einen Text, eine Tabelle oder eine Präsentation verarbeiten sollten sie schon können. Das iPhone zeigt Dokumente aus Word, Excel oder Powerpoint zwar an, bearbeiten lassen sie sich aber nicht. Beim Blackberry geht das. Klarer Punktsieg.

WELCHES HÄLT LÄNGER DURCH? Für Heavy User ist die Batterielebenszeit ein entscheidendes Kriterium. Sie ist bei beiden Geräten nominell zwar ähnlich; die Marketingabteilungen fantasieren von über 300 Stunden Stand-by. Im täglichen Einsatz geht dem iPhone jedoch deutlich schneller die Puste aus, häufig schon am frühen Abend. Beim Blackberry sind wenigstens zwei Tage in der Regel machbar, danach kann man immer noch eine Ersatzbatterie einlegen. Beim iPhone ist der Akku aus Designgründen verschweisst und damit nicht austauschbar. Klarer Punktsieg für den Blackberry.

WELCHES IST BESSER IN DIE IT-SYSTEME ZU INTEGRIEREN? Diese Frage wird die IT-Administratoren besonders interessieren – und diese entscheiden am Ende, welches Gerät sie für ihre Mitarbeiter zulassen. Hier verfolgen die beiden Kontrahenten ganz unterschiedliche Philosophien: Apple baut auf die ActiveSync-Technologie von Microsoft. Ein paar Tasten-, pardon: Touchscreendrucke am iPhone reichen, und das Gerät ist mit Microsoft Exchange verbunden – aber nur damit. Wer im Betrieb also Lotus Notes oder Novell GroupWise einsetzt, kommt um den Blackberry (vorerst) nicht herum. Zudem ist die ActiveSync-Lösung zwar kostenlos, sie gilt aber als hackeranfällig und hat den Nachteil, dass sie zwar Kalender- und Adress-
einträge synchronisiert, aber keine Aufgabenlisten.

RIM verwendet eine eigene Software namens Blackberry Enterprise Server, die sich über die Jahre als sehr sicher erwiesen hat. Sie erlaubt ein zentrales Anwendungsmanagement sowie die permanente Überwachung aller Geräte. Die Apple-Lösung ist deutlich simpler gestrickt: Dass iTunes und der App Store benutzt werden, um Anwendungen zu verteilen, wird manch sicherheitsbewussten IT-Chef die Stirn runzeln lassen. Zumal es ihm nicht möglich ist, einzelne Anwendungen zentral zu sperren. Das ferngesteuerte Löschen eines verlorenen Gerätes erlauben aber beide Systeme, und auch mit Virtual Private Network (VPN) kommen beide zurecht. Fazit: Die Blackberry-Lösung ist aufwendiger, aber leistungsfähiger.

WELCHES IST DAS BESSERE UNTERHALTUNGSGERÄT? Natürlich würde dieses Argument kein Businessuser offiziell anführen und erst recht kein IT-Verantwortlicher in der Entscheidungsfindung zulassen – offiziell. Aber wichtig für die Benutzerzufriedenheit ist es eben schon, mit welchem Gerät man sich auf langen Flugreisen die Zeit besser vertreiben kann. Die Antwort lautet wenig überraschend: mit dem iPhone. Nicht wegen der perfekten Anbindung an den Apple-eigenen Musikshop iTunes. Da kann der Blackberry mit dem Mediaplayer noch mithalten: Er spielt die verschiedensten Musikformate ab, auch Songs im Apple-Format, sofern sie nicht kopiergeschützt sind. Doch das Schauen von Filmen macht auf dem iPhone dank grösserem Bildschirm wesentlich mehr Spass.

WELCHES IST KOSTENGÜNSTIGER? Klarer Punkt für Apple: Hier braucht es ausser Microsoft Exchange Server und ActiveSync keine weitere Investition. Bei RIM fallen die Kosten für die Serversoftwarelizenz an, zudem empfiehlt sich dedizierte Serverhardware. Wer dies scheut, kann die Blackberry-Software auch hosten lassen (ab 54 Franken pro Monat).

Für Kleinstunternehmen und Privatpersonen bietet Apple mit MobileMe einen Synchronisationsservice auf Abo-Basis (79 Euro pro Jahr und Benutzer). Er synchronisiert Outlook – wieder ohne Aufgaben – beziehungsweise die entsprechenden Apple-Programme und schlägt damit in der Leistungsfähigkeit das Privatkundenangebot Blackberry email (10 Franken pro Megabyte), das sich auf E-Mails beschränkt.

FAZIT: Keine Frage, beides sind hervorragende Geräte, die in ihrer Klasse Massstäbe setzen. Dem «Zweiphone» merkt man an, dass es von der Consumerseite herkommt und sich nun auch vom Corporate-Markt ein gutes Stück holen will.

Zugunsten des Lifestyle muss der Businessuser hier aber bisweilen Kompromisse machen. Der Blackberry hingegen, der Inbegriff des Businessphones, hat seinen Purismus abgelegt, ist sehr viel ansehnlicher geworden und öffnet sich mit Features wie Mediaplayer und Kamera nun auch der Konsumentenseite. So gut wie dem iPhone gelingt ihm das zwar nicht, aber er macht deutlich mehr Spass als seine Vorgängermodelle. Wer unterwegs Inhalte hauptsächlich nur konsumiert, der wird am iPhone mehr Freude haben. Wer E-Mails oder Office-Dokumente unterwegs auch erstellt – und das dürften realistischerweise die meisten Businessuser sein –, für den ist der Blackberry Bold die bessere Wahl.