Die Grossbanken hatten in den vergangenen Jahren mit strukturellen Problemen und Intransparenz zu kämpfen, die mehrfach Millionenbussen zur Folge hatten. Aber auch das Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter kann richtig teuer werden, wie der Fall des ehemaligen Credit-Suisse-Mitarbeiters zeigt, der jüngst in Genf verurteilt wurde. Der frühere Angestellte hatte rund 30 Millionen Franken von Kunden ergaunert. Der Gesamtschaden belief sich auf 143 Millionen Franken, der Reputationsschaden trifft auch die Credit Suisse.

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Immer wieder gebe es Rechtsfälle bei der Credit Suisse wie auch bei anderen Häusern der Branche, weil Mitarbeiter sich missbräuchlich verhalten hätten, sagte CS-Chef Tidjane Thiamvor einigen Tagen. Um schwarzen Schafen auf die Spur zu kommen, hat die Credit Suisse eine besondere Praxis etabliert: Wenn ein Mitarbeiter Fehlverhalten besonders vorbildlich aufzeige, wirke sich das positiv in der jährlichen Beurteilung aus und schlage sich entsprechend in möglichen Bonuszahlungen nieder, heisst es von Seiten der Grossbank. Allerdings werde dies nicht einzeln betrachtet, sondern sei vielmehr Teil einer Gesamtbewertung, so ein Sprecher der Bank auf Nachfrage der «Handelszeitung». Dennoch: Es besteht ein finanzieller Anreiz, Fehlverhalten von anderen Mitarbeitern aufzuzeigen.

Finanzielle Anreize können Probleme schaffen

Dass die Credit Suisse das Verantwortungsbewusstsein ihrer Mitarbeiter so fördert, ist neu. So hat sich die Branche – allen voran die Grossbanken und die Investmentbanker – in den vergangenen Jahren seit der Finanzkrise keinen guten Ruf erarbeitet, weil oft eher Whistleblower Strafen fürchten mussten als die eigentlichen Missetäter.

Allerdings ist die Wahl der Mittel von Seiten der Credit Suisse tendenziell problematisch. Denn welche Wirkung hat es auf das Arbeitsklima, wenn Mitarbeiter ihre eigenen Kollegen «verpetzen»? Wird nicht sogar eine Kultur des Misstrauens innerhalb eines Unternehmens gefördert?

Folgen für das Arbeitsklima

Die Arbeitspsychologin Miriam Schirmer von der ZHAW wundert diese Praxis nicht in der ohnehin sehr kompetitiven Finanzbranche. Sie warnt aber: «Wenn klassisch strukturierte Grosskonzerne wie jetzt im Beispiel die CS ihre konkurrenzförderlichen Anreizsysteme um diesen Aspekt erweitern, kann das Bespitzelungen unter den Mitarbeitenden fördern, Kooperationsprozesse behindern und dem Arbeitsklima schaden.»

Um Fehlverhalten und Betrügereien von Mitarbeitenden zu verhindern, sollten Unternehmen vielmehr eine Kultur entwickeln, in der Werte wie Loyalität, Vertrauenswürdigkeit und integres Verhalten verankert sind. Schirmer sagt: «Falschmeldungen, Intrigen und Mobbing unter den miteinander in Konkurrenz stehenden Mitarbeitenden könnten Tür und Tor geöffnet werden, um die interne Konkurrenz unter Umständen auf diesem Wege loszuwerden.»

Mehrzahl der Schweizer Grossunternehmen haben Meldestellen

Wichtiger als eine Entlohnung für das Aufdecken von Unregelmässigkeiten seien unternehmensinterne Meldestellen für Hinweisgeber und die Gewährleistung ihrer Anonymität, sagt Frank Spenna, Co-Geschäftsführer der Zürcher Beratungsfirma Integrity Line.

Das belegt auch eine Studie, die Integrity Line zusammen mit der HTW Chur zum Thema Whistleblowing durchgeführt hat. Darin wurde untersucht, ob es in Schweizer Unternehmen Meldestellen für Hinweise zu Missständen gibt. Der erste Schweizer «Whistleblowing Report» hat gezeigt, dass Meldestellen und anonyme Meldemöglichkeiten Standard bei den meisten Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern sind und anonyme Meldungen akzeptierte Praxis sind. Kleine und mittlere Unternehmen hingegen bieten ihren Angestellten noch unzureichende Hinweismöglichkeiten – nur 11 Prozent der KMU haben eine entsprechende Stelle.

Spenna hält dabei fest, dass viele Mitarbeiter selbst für Transparenz sorgen wollen: «Die Bereitschaft, Fehlverhalten anderer Mitarbeiter zu melden, ist sehr gross. Wir haben festgestellt, wie wichtig es für Mitarbeiter ist, zu ihrem Arbeitgeber zu stehen und missbräuchliches Verhalten von Kollegen nicht zu akzeptieren. Die meisten Mitarbeiter, die Missstände melden, wollen ihrem Unternehmen etwas Gutes tun.»