BILANZ: Wird die Energiewende überhaupt umgesetzt?

Roland Dörig: Das müssen Sie die Politiker in Bern fragen. Fakt ist: Der Ausstieg aus der Kernenergie bedeutet den Einstieg in die konventionelle thermische Energie, das heisst in Gas. Vor dieser Entscheidung standen wir bereits in den sechziger Jahren.

Inwiefern?

Damals hiess die Frage: Energieversorgung mit oder ohne CO2? Die Antwort darauf: ohne CO2 – und mit Kernenergie.

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Wäre heute die Antwort: ohne CO2 und mit Solarenergie?

Heute nicht. Wir müssen realistisch bleiben. Es geht um den Ersatz von 40 Prozent der nationalen Stromproduktion. Wir brauchen leistungsfähige Grosskraftwerke als Brückentechnologie, um die Energielücke der Zukunft zu füllen. Dabei gilt es zu berücksichtigen: das schrittweise Abstellen unserer Kernkraftwerke und das Auslaufen der Importverträge mit Frankreich. Als Kompensation im grossen Stil sehe ich in der Schweiz nur Gaskraftwerke. Sonnen- und Windstrom aus nationaler Produktion können nur eine ergänzende Rolle spielen.

Sind Sie nicht zu pessimistisch?

Mit dem Kernenergieausstieg fällt substanziell Bandenergie weg. Solarstrom vermag diesen Wegfall nicht zu kompensieren. Klar ist, dass wir sämtliche Technologien weiterverfolgen müssen und keine Option aus der Hand geben dürfen, damit wir in einer energetischen Zukunft ohne CO2 leben können. Es gibt auch in der Energieversorgung keinen Free Lunch.

Weshalb taugt Solarstrom in Zukunft noch zu wenig?

Ein Problem liegt in den national geprägten Förderungen. Deutschland hat – staatlich gefördert – weltweit die mit Abstand grössten Sonnenstrom-Kapazitäten aufgebaut, die Sonne scheint im Süden allerdings länger und häufiger. Die Fördermechanismen der Staaten müssten in einem paneuropäischen System die Anreize für Investitionen so koordinieren, dass dort investiert wird, wo der grösste Nutzen entspringt. Das heisst bei erneuerbaren Energiequellen: Sonnenstrom von dort, wo die Sonne scheint, Windstrom von dort, wo der Wind bläst.

Sie setzen auf Gaskraft?

Zumindest als Brückentechnologie. Aber auch hier zeigen sich gravierende Stolpersteine auf dem Weg zum Energiemix der Zukunft: Kein Mensch investiert heute in ein neues Gaskombi-Kraftwerk, weil schlicht die Rentabilität nicht gegeben ist. 

Stefan Barmettler HZ
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