BILANZ: Bewölkt, regnerisch, grau und nass. Ihre Solaranlage produziert diesen Sommer wenig Strom.

Mirjana Blume: Ich habe keine Panels auf dem Dach und produziere daher keine eigene Sonnenenergie.

Wie bitte? Sie führen ein Unternehmen in der Solarstrombranche und konsumieren Strom aus Atom- und Wasserkraft?

Ich wohne zur Miete, ausserdem steht das Haus unter Denkmalschutz. Das sind schlechte Voraussetzungen für eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach. Wir beziehen jedoch beim lokalen Elektrizitätswerk ausschliesslich Ökostrom.

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Sie sprechen ein Hauptproblem des Solarstroms an. Die Technologie kommt wegen Landschafts- und Naturschutz, der geografischen Lage und der hohen Kosten nicht in die Gänge.

Das ist ein Problem. Wir erhalten starke Zeichen von Gemeinden und Kantonen, dass sie auf Sonnenenergie setzen wollen. Sobald die Panels aber auf das Dach sollen, hagelt es Einsprachen.

Weil damit kein Schönheitspreis zu gewinnen ist?

Auch. In einem Fall in Zürich kämpfen wir seit zwei Jahren mit Einsprachen, weil die Rückseite der Module Anwohner womöglich blenden könnte.

Fukushima und der geplante Ausstieg aus dem Atomstrom in der Schweiz dürften die Wahrnehmung verändert haben.

Anfragen von Hausbesitzern mehren sich seit Fukushima. Industriezonenbesitzer und Firmen fragen verstärkt nach unserer Meinung. Der Status quo herrscht dagegen bei den Förderbedingungen. Das ist eine politische Thematik, die Zeit braucht. Bis heute ist aber erst wenig gelaufen. So kommen wir auf keinen grünen Zweig.

Ab 2013 werden die Mittel immerhin auf 500 Millionen Franken verdoppelt, der Bundesrat prüft gar die unbeschränkte Förderung alternativer Energien.

Das ist ein Tropfen auf den heissen Stein. Alleine in der Fotovoltaik sind heute fast 10 000 Projekte blockiert, weil der Fonds ausgeschöpft ist. Das ist mit ein Grund, weshalb in der Schweiz der Solarstrom nur 0,15 Prozent des gesamten Strommix ausmacht. Im solarfreundlichen Deutschland liegt der Anteil bei 3 Prozent.

Berlin stützt die deutsche Solarindustrie mit unbeschränkten Subventionen.

Das deutsche System ist sinnvoll. Die Beiträge bewegen sich degressiv zu den Technologiepreisen. Je besser und je grösser das Angebot, desto preisgünstiger wird die Solarenergie, und entsprechend sinken die Förderbeiträge.

Noch sind die hohen Gestehungskosten in der Solarindustrie aber ein Bremser.

Verglichen mit anderen Erzeugern mag es teuer sein. Die Tarife sind aber in Bewegung. In den vergangenen zwei Jahren haben sich die Modulpreise halbiert.

Kritiker bemängeln den hohen Anteil an grauer Energie in Solarzellen.

Nach bloss eineinhalb bis zwei Jahren gewinnen die heutigen Anlagen die zur Produktion eingesetzte Energie wieder zurück. Der Energieaufwand hat sich enorm verbessert.

Der Verband Swissolar will den Solaranteil bis 2025 auf ein Fünftel des Energieverbrauchs steigern. Realistisch?

Klar ist nicht jedes Dach ein sinnvoller Standort. Theoretisch wäre es aber möglich. In erster Linie müssen wir die Finanzierung lösen. Schweizer Banken tun sich sehr schwer, in Solaranlagen zu investieren, selbst nach den Ereignissen in Japan. Anders in Deutschland, wo die Deutsche Bank eine der grössten Investorinnen im Solarbereich ist. Das andere Problem sind die Förderbedingungen: Einerseits behindern die limitierten Mittel ein schnelles Wachstum, andererseits mahlen die Mühlen der Behörden äusserst langsam. Wer eine Eingabe macht, muss rund zwei Jahre auf einen Zuschlag warten. Die Branche würde für Investoren massiv attraktiver, wenn die Obergrenze für die Förderung wegfiele.

Politisch ist das kaum machbar.

Das müsste sich zeigen. Ich hoffe auf den Fukushima-Effekt. Momentan scheint im Energiebereich einiges machbar zu sein.

Seit dem vom Bundesrat angekündigten Ausstieg aus der Kernenergie ist es aber ziemlich ruhig geworden.

Das ist der übliche Lauf der Dinge. Einzig die Regierungen der Schweiz und Deutschlands wollen aus dem Atomstrom aussteigen. Alle anderen Länder haben sich nicht bewegt. Im Gegenteil: Italien geht wieder Richtung Kernenergie. Solarstrom ist nun mal teuer, und Europa hat derzeit andere Probleme als die Energiepolitik.

Wie sieht Ihre persönliche Prognose aus?

Ein Solaranteil von 10 bis 15 Prozent am Energieverbrauch ist in der Schweiz bis 2025 realistisch. Das bedingt allerdings neue Speichermöglichkeiten sowie Verbesserungen auf der Finanzierungsseite und ausserdem ein besseres Bildungsangebot. Viele Solarexperten stammen aus Deutschland.

Es fehlen positive Signale. Edisun Power hat nach 14 Jahren die kritische Grösse nicht erreicht und sucht einen Partner, um die Kapazitäten zu verdoppeln.

Grossunternehmen wie Bosch, Siemens, ABB oder SMA engagieren sich in der Solarenergie. Das zeigt das Potenzial. Allerdings tummeln sich viele Klein- und Kleinstunternehmen in der Branche. Eine Konsolidierung ist unvermeidlich und natürlich. Edisun Power hat vor 14 Jahren als Projekt begonnen, ist jährlich gegen 30 Prozent gewachsen, in vier Ländern aktiv und mittlerweile an der Börse kotiert. Eine genügend grosse Basis haben wir aber bisher nicht erreicht. Deshalb wollen wir dieses Jahr einen Finanz- oder Strategiepartner finden, um die nötige Grösse zu erlangen.

Die Banken sind zurückhaltend, das dürfte schwierig werden.

Unsere Banken sind zurückhaltender als die europäischen. Derzeit laufen Gespräche mit diversen potenziellen Partnern, und wir hoffen, dass wir bis Ende Jahr ein positives Resultat verkünden können.

Edisun Power macht gut zwei Drittel des Umsatzes im Ausland. Wie schenkt der starke Franken ein?

Der Verlust von gut 1,1 Millionen Franken im Vorjahr geht wegen Bewertungsanpassungen zu einem Grossteil auf die Währungsturbulenzen zurück. Wir hedgen unsere Umsätze, Investitionen im Ausland finanzieren wir wenn möglich vor Ort. Ganz auffangen können wir die Verluste aber nicht, zumal die meisten Anlagen im Euroraum stehen.

Starker Franken, wenig Support für die Solarbranche: Wann verlegt Edisun Power den Firmensitz in den Euroraum?

Wir sind eine Schweizer Firma, unsere Wurzeln sind in Zürich. Die Frage ist aber berechtigt, wir haben sie uns auch gestellt. Andererseits finden wir in der Schweiz schnell gut qualifiziertes Personal.

Edisun wächst jährlich zweistellig, der Aktienkurs hat sich seit dem IPO fast halbiert. Wo harzt es?

Bis auf ein paar wenige Schweizer Solartitel haben in der Branche alle gelitten. Das liegt an der wenig konstanten Strategie bei den Förderbedingungen. Innerhalb weniger Tage werden in Ländern wie Spanien Grundsatzentscheide wieder umgestossen. Rechts- und Investitionssicherheit geht dadurch verloren, Investoren verlassen das Feld. Ausserdem haben wir eine grosse Basis von Kleinaktionären, die den Titel eher träge machen.

Sie verlassen Edisun Power Ende Jahr nach vier Jahren und haben angekündigt, nicht in der Solarbranche bleiben zu wollen. Wie sehen Ihre Pläne aus?

Ich wechsle als Finanzchefin zu einem IT- und Telekommunikations-Start-up in Oerlikon. Das Unternehmen wurde vor vier Jahren gegründet und befindet sich mitten im Aufbau.

Sie haben genug von der Solarbranche?

Ich komme von den Finanzen her, habe beim Aufbau von drei Unternehmen mitgewirkt. Aufbauen und Gestalten liegt mir. Ist dieser Prozess abgeschlossen, suche ich mir eine neue Aufgabe.

 

Mirjana Blume ist Unternehmens- und Finanzchefin von Edisun Power. Per Ende Jahr verlässt die 35-Jährige den Schweizer Solarstromproduzenten und wechselt in die IT- und Telekombranche.