Den Grossauftrag der SBB für Doppelstock-Fernverkehrszüge hat Peter Spuhler nicht an Land gezogen – Fluch und Segen zugleich für seine Stadler Rail. Einerseits bleibt ihr der Eintritt in ein neues Segment verwehrt – zumindest vorerst. Und andererseits, auch wenn Spuhler das sicherlich anders sieht: Mehrere Bahnexperten sagen hinter vorgehaltener Hand, Spuhler könne «ganz froh sein, dass er diesen Auftrag nicht bekommen hat». Denn das Wachstum der Stadler Rail sei «auch ohne die Fernverkehrszüge eindrücklich genug».

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Spuhler investierte allein in den vergangenen zwei Jahren rund 100 Millionen Franken in den Kapazitätsausbau, immerhin etwa ein Zehntel des Umsatzes. Dennoch wird Stadler Rail bis Anfang 2013 ausgelastet sein. Die Fernverkehrszüge hätten eine einleuchtende Erweiterung der Angebotspalette gebracht. Dass Bombardier den Zuschlag erhalten hat, wird Spuhler aber kaum dauerhaft von diesem Markt fernhalten. Der frühere Eishockeyspieler und Kommandant einer Gebirgsgrenadier-Kompanie hat das Fernverkehrs-Know-how in seiner Firma nun aufgebaut und wird es in Zukunft nutzen wollen.

Ausnahmefall. Dafür hat Peter Spuhler nun offensichtlich etwas Zeit gewonnen, um andere Baustellen zu bearbeiten. Denn gemäss Informationen der BILANZ hat er dem Zürcher Private-Equity-Haus Capvis das Angebot unterbreitet, dessen 20-Prozent-Anteil an seiner Stadler Rail zurückzukaufen. 2006 war Capvis eingestiegen. Spuhler suchte damals Rückendeckung, falls es einen Börsengang gebraucht hätte, um das Wachstum der Stadler Rail und allfällige Firmenkäufe zu finanzieren. Capvis, sagt Partner Rolf Friedli, sei dafür «bei einer hervorragend geführten Firma eingestiegen, die quasi ein Rollenmodell für die Schweiz ist». Und akzeptierte deshalb eine Minderheitsbeteiligung, «was wir nur in Ausnahmefällen machen», so Rolf Friedli.

Capvis gilt im deutschsprachigen Raum als hoch respektierte und zugleich eine der aktivsten Beteiligungsgesellschaften im Industriesektor, spezialisiert auf Situationen, wenn der Eigentümer wechselt oder Konzernteile abgespalten werden. Unter anderem war Capvis an Ticketcorner beteiligt und hat die Börsengänge des Hörgeräteherstellers Phonak und des Schleifmittelproduzenten Sia Abrasives begleitet.

Bei Stadler soll der Einstiegspreis, den Capvis zahlte, etwa 100 Millionen Franken betragen haben. Die Vorstellungen punkto Ausstiegspreis gehen offenbar auseinander: Während Spuhler 160 bis 175 Millionen geboten haben soll, stelle sich Capvis einen Erlös von 200 Millionen oder mehr vor, berichten Eingeweihte. Offiziell bestätigt keiner der direkt Beteiligten, dass ein Angebot auf dem Tisch liegt: Spuhler liess ausrichten, er gebe keinen Kommentar ab; Friedli sagt nur, um die Capvis-Beteiligung an Stadler «gibt es Spekulationen, seit sie besteht».

Doch die genannten Summen machen Sinn: Über fünf Jahre aufgezinst, ergibt Spuhlers Angebot eine jährliche Rendite von 10 bis 12 Prozent, die Capvis-Forderung 15 Prozent – was etwas über der von Private-Equity-Gesellschaften erwarteten Durchschnittsrendite (rund 12 bis 13 Prozent) und damit im Zielkorridor liegt.

Die Haltefrist von Beteiligungen beträgt bei Capvis im Normalfall vier bis sechs Jahre, Stadler Rail wäre also bald «fällig». Aber Spuhler macht weiterhin keine Anstalten, mit Stadler auf einen Börsengang zuzusteuern – für Capvis der bevorzugte Exit aus ihrem Investment. Auch sagen Beobachter, Capvis müsse ihren Investoren langsam «etwas vorweisen». Denn weitere Beteiligungen wie der Lagereinrichter Lista und der Textilmaschinenbauer Benninger haben harte Zeiten hinter sich; beide liegen wie Stadler im Fonds Capvis II. Allerdings hat Capvis aus diesem Vehikel gerade die Lebensmittelfirma Orior erfolgreich an die Börse gebracht und hier die Beteiligung von 85 Prozent auf knapp 20 Prozent reduziert.

Weiterer Horizont. Daher weist Rolf Friedli zurück, dass Capvis unter Druck stehe: «Das ist Unsinn, wir müssen keine Exits zeigen. Unsere Investoren stellen Capvis ihre Gelder mit einem Zeithorizont von zehn bis zwölf Jahren zur Verfügung.» Performance-Daten der Fonds verschweigt Friedli eisern, betont aber: Dass Capvis erfolgreich wirtschafte, könnten Aussenstehende am Umfang der Fonds erkennen. Tatsächlich ist deren Volumen stetig gewachsen, das heisst, die Investoren haben mehr Geld zur Verfügung gestellt: Capvis I, 1999 aufgelegt, umfasste noch wenig mehr als 300 Millionen Franken, der Fonds Capvis II, der auch Stadler Rail enthält, ist über 460 Millionen schwer, und der 2008 gestartete Capvis III ist mit über 900 Millionen gefüllt. Friedli wertet das als Vertrauensbeweis der Anleger.

Zudem sitzt Capvis-Kollege Alexander Krebs im Stadler-Rail-Verwaltungsrat: Er kennt die internen Zahlen. Stadlers Gewinnmarge soll im Branchenvergleich gut sein und könnte demnach im zweistelligen Bereich liegen. Vorerst dabeizubleiben und das Wachstum Stadlers weiterhin mitzunehmen, könnte also eine Option für Capvis sein – und damit Verhandlungsmasse. Das Tauziehen hat begonnen.

Dirk Ruschmann
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