Diesen Satz würden wir gerne vom Bundesrat hören: «Der Umbau des Sozialstaates und seine Erneuerung sind unabweisbar geworden.» Gesagt hat ihn der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder, als er im März 2003 im Deutschen Bundestag seine Reformagenda 2010 vorstellte. Damals waren beim nördlichen Nachbarn die Sozialabgaben unerträglich hoch geworden, unter anderem durch eine rekordhohe Arbeitslosigkeit.

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Von solchen Zuständen ist die heutige Schweiz Gott sei Dank weit entfernt. Doch auch hierzulande gibt es einen Reformstau. Statt die strukturellen Probleme der AHV und der Krankenversicherung mit Reformen zu lösen, kleistert die Politik das Problem mit immer mehr Geld zu. Dieser Kurs ist nicht nachhaltig.

Wo bleibt die Fairness?

Schlimmer noch: Das Parlament erhöht die Lohnabzüge, um neue Wohltaten wie die 13. AHV-Rente, den Vaterschaftsurlaub und die externe Kinderbetreuung zu finanzieren. Die 13. Rente wurde vom Volk angenommen und muss budgetiert werden. Doch es gibt keinen vernünftigen Grund, warum die entstehende Last überwiegend den Beschäftigten aufgebürdet werden soll.

Die alleinige Finanzierung über die Mehrwertsteuer wäre richtig, um auch Pensionierte an den Kosten zu beteiligen. Ökonomisch ist dabei irrelevant, dass Lohnnebenkosten meist vom Arbeitgeber und vom Beschäftigten zu gleichen Teilen finanziert werden. Aus Sicht des Unternehmens nehmen steigende Lohnabzüge den Spielraum für Lohnerhöhungen und verteuern den Faktor Arbeit. Sie nagen damit an der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Schweiz.

Steigende Lohnkosten gefährden Jobs

Das ist Gift, denn allein schon der permanent aufwertende Franken bereitet den exportorientierten Unternehmen Probleme und sorgt für steigenden Druck, die Produktivität zu erhöhen. Steigen dann auch noch die Kosten für Arbeit, ist das ein zusätzlicher Anreiz, Menschen durch Maschinen zu ersetzen. Die hohe Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft ist nicht vom Himmel gefallen. Das Mindeste, was die Politik tun kann, ist, von weiteren Belastungen abzusehen.

Von der Regierung ist in Sachen Fitnessprogramm für die Schweizer Wirtschaft aber erschreckend wenig bis gar nichts zu hören. Niemand scheint mehr die Kraft aufzubringen, Sozialreformen anzupacken. Statt die Finanzierung der 13. AHV-Rente zusammen mit der finanziellen Sanierung anzugehen, deren Notwendigkeit aufgrund der Demografie absehbar ist, will Sozialministerin Elisabeth Baume-Schneider beides in einer Art Salamitaktik nacheinander anpacken. Nach dem Motto: Erst mal Geld ins System kippen, über ein höheres Rentenalter sprechen wir später.

Es scheint, dass die Milliardenhilfen in der Corona-Pandemie und die gigantischen Liquiditätshilfen der SNB für die Credit Suisse den Kompass der Regierung und auch der Bevölkerung verstellt haben. Mehr Gemein- statt Eigensinn, mehr Masshalten statt Draufsatteln sind nötig. Es ist gefährlich und unfair, Lohnabzüge in immer neue Höhen zu treiben. Der Reformstau verschwindet nicht. Je länger er anhält, umso grösser der Bedarf für eine «Agenda 2030» der Sozialwerkereform.