Der Start der selbst ernannten Steuersenker-Koalition in Italien steht wirtschaftlich unter einem schlechten Stern. Denn das konjunkturell ohnehin als Nachzügler in der Euro-Zone geltende Land schwächelt. Das Plus beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) war zu Jahresbeginn mit 0,3 Prozent relativ mager und dürfte nach Ansicht von Experten im Frühjahr noch niedriger ausfallen. Die Industrieproduktion schrumpft mittlerweile bereits den vierten Monat in Folge.

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Und in einer Umfrage der Personalagentur Manpower ist Italien das einzige Land unter 44 Staaten, in dem Firmen für den Sommer einen Abbau ihrer Mitarbeiterzahl planen. Dies nährt die Furcht, dass das zarte Pflänzchen Wachstum absterben könnte.

Dennoch will es die neue Regierung aus populistischer 5-Sterne-Bewegung und rechter Lega wagen, die Steuern sowie das Renteneintrittsalter zu senken und obendrein ein Grundeinkommen von 780 Euro monatlich einzuführen. Dabei hat Italien einen Schuldenberg in Höhe von 132 Prozent im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung angehäuft - nach Griechenland der zweithöchste in der Euro-Zone.

«Heikle Phase»

«Das ist eine heikle Phase. Wenn die Verschuldung noch höher werden sollte, steuern wir direkt auf eine Krise wie 2011 zu - oder schlimmer», warnt Ökonomie-Professor Roberto Perotti von der Mailänder Bocconi-Universität. Damals war das EU-Gründungsmitglied am Kapitalmarkt ins Visier der Investoren geraten. Die Anleger verlangten immer höhere Zinsen, wenn sie dem italienischen Staat Geld liehen. Zum Höhepunkt der Euro-Schuldenkrise kletterten die Renditen der zehnjährigen Staatsbonds auf mehr als sieben Prozent. Erst mit den Anleihenkäufen der EZB beruhigte sich die Lage wieder.

Deutlich nach oben ging es auch in den vergangenen Wochen mit den italienischen Bond-Renditen. Die Aussicht auf eine ausufernde Schuldenpolitik des Mittelmeerlandes trieb die Zinsen zeitweise auf 3,4 Prozent. Führende Währungshüter mahnten die europakritischen Koalitionspartner in Rom bereits zur Haushaltsdisziplin. Zudem gelte es, den Boden der gemeinsamen europäischen Verträge nicht zu verlassen.

 Mit Steuersenkungen zu mehr Wachstum

Die italienischen Regierungspartner haben vereinbart, die Konjunktur mit «begrenzten» schuldenfinanzierten Ausgaben anschieben zu wollen. Sie argumentieren, dass sie mit Steuersenkungen und öffentlichen Investitionen für einen Wachstumsschub sorgen können. Dabei setzen sie darauf, dass letztlich die Konjunktur anspringt und auch die Steuerquellen stärker sprudeln werden.

Senator Armando Siri von der Lega sieht darin ein Erfolgsrezept, um das Land aus seiner langjährigen konjunkturellen Lähmung zu befreien: «Um die Schulden zu verringern, muss man das Wachstum ankurbeln, und dazu bedarf es Steuersenkungen.»

«Überhaupt nicht plausibel»

Der frühere Chefökonom im Finanzministerium, Lorenzo Codogno, sieht diese Pläne skeptisch. Falls umgesetzt, würden sie «in jedem Fall» zu einer Erhöhung der Schulden führen. Es sei «überhaupt nicht plausibel», dass das Problem über mehr Wachstum zu lindern sei.

Zudem weisen Experten daraufhin, dass Italien sich dem schwächeren wirtschaftlichen Umfeld in Europa nicht entziehen könne. Denn auch in Grossbritannien, Frankreich und Deutschland - dem grössten Handelspartner Italiens - standen die Zeichen zuletzt auf konjunkturelle Abkühlung. «Falls die deutsche Wirtschaft an Fahrt verlieren sollte, wonach es derzeit aussieht, hat Italien ein grosses Problem», so Ökonom Perotti.

(reuters/ccr)