«LX 1072 / 26. April – your flight has been cancelled. We apologize. Best regards.» So trocken lud die Swiss per SMS die Passagiere von ihrem Mittagsflug nach Frankfurt aus. Mangels einsatzbereiter Piloten wurde der Flug gestrichen. Es war einer von vielen: Nach Berechnung der BILANZ fielen im April an die 90 Europaflüge aus, bereits im März waren es rund 50 Verbindungen.

Nicht einmal mit dem Einmieten von Flugzeugen inklusive Besatzung (Wet Lease), etwa von Helvetic, Darwin und den Ferienfliegern Belair, Edelweiss und Hello, konnte Swiss die Streichungen verhindern. Welche konkreten Flüge ausfallen, bestimme die Swiss anhand der Anzahl der betroffenen Passagiere sowie der davon abhängigen Anschlussflüge und Alternativen, sagt Swiss-Sprecherin Andrea Kreuzer. Sie erklärt die gestiegenen März-Zahlen mit dem Wechsel vom Winter- zum Sommerflugplan; im April habe es «präventive Annullationen» gegeben, um sehr kurzfristige Streichungen zu vermeiden.

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Der Swiss European, die das Regionalfluggeschäft abwickelt, fehlt fliegendes Personal. Die Einsatzpläne sind eng gesteckt, und bei Verspätungen stossen Piloten oft an die Grenze der erlaubten Dienstzeiten (Flight Duty). Dann sind Reservebesatzungen notwendig, von denen die Swiss derzeit zu wenige hat. Laut Insidern stehen drei bis sechs der Avro-Regionalflieger am Boden, je nachdem, ob man Wartungs- und Reparaturausfälle mitzähle oder nicht.

Gründe für den Personalmangel gibt es mehrere. Erstens kämpft die Swiss European mit Abgängen: Gegenwärtig stehen 240 Piloten im Sold, vor wenigen Wochen waren es noch 276. Zweitens dauert es noch, bis die internen Piloten-Umschulungen auf den Regionaljet Avro Erleichterung bringen. Drittens ist die Krankheitsrate unter den Regionalpiloten zwar im Sinkflug – von zuvor 8 bis 10 sank sie im April auf 7,5 Prozent –, aber die Rate ist immer noch fast doppelt so hoch wie normal.

Auf diesem Krankheitsniveau ist mittlerweile auch das Kabinenpersonal angekommen. Früher waren pro Monat 2500 Krankheitstage üblich, derzeit sind es bis zu 4000, das entspricht, laut der Gewerkschaft Kapers, einer Ausfallquote von sieben bis acht Prozent. Eine erfahrene Maître de Cabine (M/C) klagt über «Schinderei» an Bord: Üblicherweise setzt Swiss nur noch die Minimalbesatzung ein. So wurden die knapp 100 Passagiere im Avro-Jet ehemals von vier Flight Attendants betreut, heute von zweien. Zudem sind die dienstfreien Zeiten zwischen Langstreckenflügen gekürzt worden. Auch komme es vor, dass eine Flight Attendant sechs Mal hintereinander an die US-Ostküste fliegt und dabei jedes Mal den Zeitunterschied von sechs Stunden aushalten müsse, sagt die Maître de Cabine: «Manche schlafen kaum noch.»

Es komme vermehrt zu Burn-outs, so Kapers-Chef Urs Eicher, der jetzt mit der Konzernleitung Verhandlungen aufnehmen will. Derzeit seien «die Arbeitsbedingungen so schlecht wie noch nie». Die Kehrseite der wirtschaftlichen Gesundung der Airline, sagt Eicher sarkastisch: «Bei uns wurde absolut überoptimiert.» Die Stimmung beim Kabinenpersonal ist auch aus einem anderen Grund schlecht. Absprachen mit der Dispositionsabteilung, die den Crews ihre Dienste zuteilt, würden oft nicht eingehalten, sagt eine M/C.

Sie berichtet von Fernflügen zwischen Hongkong sowie Miami und Zürich, die sich verzögerten, einmal wegen eines Sturms, einmal, weil ein Passagier einen Herzinfarkt erlitten habe. Die Kabinencrews hätten sich dann zeitlich flexibel gezeigt, damit der Flugbetrieb weiterlaufen konnte. Vereinbarungen der Crews mit der Dispositionsabteilung über Zeitausgleich und Anpassungen der Dienstpläne habe die Dispo dann schlicht übergangen. Der Frust sei enorm, sagt eine Flight Attendant: «Früher sagten wir, wenn wir nach Kloten fuhren: Wir gehen fliegen. Heute sagen wir nur noch: Wir gehen arbeiten.»

Flüge seien keine ausgefallen wegen des Personalmangels bei der Kabinencrew, versichert die Swiss – aber wie prekär die Lage ist, zeigen interne E-Mails, in denen das Unternehmen einen dringenden Appell an M/C richtet, die frei haben, Teilzeit- oder Büroarbeit verrichten, sie sollten zusätzliche Dienste in den Flugzeugen übernehmen.

Am vorvergangenen Wochenende hatte die Swiss nur zwei Maîtres de Cabine als Reserve zur Verfügung – ein Kontingent, «das in vielen Fällen schon samstagmorgens um sechs ausgeschöpft wäre», so eine M/C. Eicher beziffert ein ausreichendes Minimum auf etwa 15 Kabinenchefs.

Dirk Ruschmann
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