Swiss: Mit diesen Problemen kämpft der neue Chef Dieter Vranckx

Es dürfte eine freudlose Angelegenheit werden, wenn Dieter Vranckx zum ersten Mal in seinem neuen Amt vor die Öffentlichkeit tritt. Bald schon – am 4. März – wird der Swiss-Chef die Jahreszahlen der Airline präsentieren. Der Rückblick ins Corona-Horror-Jahr 2020 ist ohnehin zum Vergessen, hohe Verluste türmen sich auf. Auch der Ausblick ins laufende Jahr ist alles andere als vielversprechend. In den nächsten Monaten könnte sich die Lage vielleicht bessern, Corona-bedingte Lockdowns und Reisebeschränkungen eventuell in den Hintergrund gerückt sein. Knall in Kloten Doch danach sieht es eben nicht aus. Die Krise dauert viel länger und hat besonders die Fluggesellschaften wie die Swiss fest im Griff. Ein Grossteil der Flotte steht am Boden. In den vergangenen Jahren war die Verkündung der Swiss-Jahreszahlen stets ein freudiges Ereignis, um hohe Profite zu melden, viel Selbstbewusstsein zu zeigen und ebenso lobende Worte für die Swiss-Mitarbeitenden zu finden. Jetzt, im Frühjahr 2021, geht es ums wirtschaftliche Überleben des Unternehmens. Und statt Harmoniebekundungen Richtung Crew kommt es zum Knall in Kloten. Der Streit mit den Piloten und Pilotinnen verschärft sich, die Swiss hat den Gesamtarbeitsvertrag (GAV) gekündigt.Der neue Chef der Swiss – Dieter wer...? Mit Dieter Vranckx übernimmt bei der Swiss ein Überraschungskandidat. Wer ist der Mann? Die Lufthansa-Gruppe liegt im Winterschlaf Nun steht die Swiss am Wendepunkt. Das hat zum einen mit dem neuen Chef zu tun. Solch eine Zäsur, was die oberste Position im Topmanagement angeht, führt zwangsläufig dazu, dass viele Weichen neu gestellt werden. Doch im Fall der Swiss ist die Lage insofern brisanter, weil die wirtschaftliche Situation so prekär ist. Logisch, dass sich sowohl die Mitarbeitenden als auch Geschäftspartner und Passagiere der grössten Airline des Landes fragen: Wie wird der Neue in Kloten agieren? Und: Swiss, wie geht es weiter? Bisher ventiliert nicht zu viel nach aussen über das Agieren von Vranckx. Das liegt auch an den schwierigen Zeiten, in denen die gesamte Lufthansa-Gruppe und damit die Tochtergesellschaft Swiss operiert. Alles liegt quasi im Winterschlaf: Kaum Flüge, kaum Passagiere – und viele Mitarbeitende sind im Homeoffice statt im Büro oder daheim statt in Cockpit und Kabine unterwegs. Was zu hören ist: Ja, Dieter Vranckx sei der neue Chef, aber viel gespürt habe man ihn dann doch noch nicht. Eine neue Luftfahrtwelt Dabei sind seine Baustellen vielfältig: Es geht um nichts weniger, als die Swiss neu aufzustellen für die neue Luftfahrtwelt: Wie viele Flieger sind noch nötig? Wohin wollen und dürfen die Passagiere reisen? Vorgänger Thomas Klühr hat das Unternehmen Ende 2020 in der grössten Krise der Firmengeschichte verlassen. Ein easy Übergang, wie Klühr ihn hatte, als er im Jahr 2016 von Harry Hohmeister übernahm, ist Vranckx nicht vergönnt. Auch wenn Impfungen dafür sorgen könnten, dass sich die Corona-Gefahren bald zurückziehen, gibt es immer wieder drastische Reiserestriktionen. Und viele Länder sind noch für den Rest des Jahres quasi geschlossen.Warum wird ein Pilot Lokführer? Carlos Sprüngli war 25 Jahre lang Pilot, jetzt schult er auf Lokführer um. Das heisst: deutlich weniger Gehalt und Pendeln nahe Zürich statt Jetten um die Welt. Trotzdem ist der Schritt für ihn eine Verbesserung, erzählt Sprüngli im Interview mit Melanie Loos. Ein Gespräch über die Kehrseiten eines Traumberufes. Ein Albtraum für Airline-Manager. Derweil müssen sich die wenigen Passagiere, die überhaupt unterwegs sind, an neue Check-in-Regeln und PCR-Test-Vorschriften gewöhnen. Derzeit sind nur 10 Prozent des Swiss-Flugprogramms von 2019 im Angebot. In der Flugbranche wissen es alle: Das vor der Krise hohe Wachstum mit üppiger Passagiernachfrage kommt noch lange nicht zurück. Abbau statt Ausbau Vielmehr ist sparen, sparen und nochmals sparen angesagt; Staatshilfe muss zurückgezahlt werden: Die Swiss hat staatlich verbürgte Kredithilfen in der Höhe von 1,5 Milliarden Franken erhalten – beim Mutterkonzern Lufthansa ist der Staat eingestiegen. Jetzt Abbau statt Ausbau: Damit kennt sich Dieter Vranckx aus. Bevor er im Januar dieses Jahres das höchste Amt der Swiss übernommen hat, war er Chef der krisengeplagten Brussels Airlines, die ebenfalls eine Tochterfirma der deutschen Lufthansa ist. Dort hat der schweizerisch-belgische Doppelbürger viel Erfahrung mit Krise und Umbau gemacht. Die Pandemiefolgen für die sonst so erfolgsverwöhnte Swiss sind aber eine noch viel grössere Herausforderung. Vranckx ist langjähriger Lufthanseat, hat dort rund zwei Jahrzehnte lang Erfahrung gesammelt. Davon war er 13 Jahre lang bei der Swiss respektive bei der Swissair. Er ist also alles andere als ein Unbekannter in der Swiss-Zentrale an der Obstgartenstrasse in Kloten. Tausend Stellen weniger in zwei Jahren Vranckx geht nun die grossen Kostenblöcke an. Und damit trifft er gleich auch das Personal. Vorgänger Thomas Klühr hatte in den vergangenen Monaten betont, dass man gemeinsam als Team durch die Krise kommen wolle. Doch er machte keinen Hehl daraus, dass das böse Erwachen womöglich noch bevorstehe. Schnell wurde klar, dass es deutliche Einschnitte beim Personal geben wird: Innerhalb von zwei Jahren kommt es zur Reduktion von tausend Stellen bei der Swiss – über Frühpensionierungen und Teilzeitarbeit sowie einen Einstellungsstopp. Ausserdem hilft die Kurzarbeit, dass nicht Hunderte Swiss-Mitarbeitende plötzlich auf der Strasse stehen. Die grosse Frage: Reicht das alles? Bisher hiess es vonseiten des Swiss-Managements, dass die Situation im ersten Quartal 2021 entscheidend sei, um zu beurteilen, wie es weitergehe. Genau jetzt geht es also um die Zukunft. Zoff mit Pilotinnen und Piloten Und, was passiert? Die Swiss kündigt, nach monatelangen Verhandlungen, den GAV mit den Pilotinnen und Piloten. Der läuft zwar noch bis Ende März 2022. Aber die Botschaft ist klar: Wie bisher geht es nicht weiter, es kommt zum Donnerwetter. Und sogleich beginnt das Blame-Game.Staatshilfe für Swiss Swiss: Trotz Bundeshilfe grosser Stellenabbau geplant. Mehr hier. Bundesrat öffnet Kreditschleusen für die Swiss. Mehr hier. Hilfe aus Bern: Ein guter Deal für Swiss und Edelweiss. Den Kommentar lesen Sie hier. Die Swiss sagt, die Pilotinnen und Piloten seien nicht «zu ausreichenden Zugeständnissen während der Krisenjahre bereit». Die Cockpit-Gewerkschaft Aeropers sagt: «Trotz möglicher Einsparungen von 130 Millionen Franken bricht die Swiss-Geschäftsleitung Verhandlungen mit ihren Piloten über gemeinsame Lösungen zur Bewältigung der Corona-Krise ab.» Derweil läuft die Neiddebatte. Nach dem Motto: Die verwöhnten Pilotinnen und Piloten checken den Ernst der Lage nicht, kriegen mal wieder den Hals nicht voll. Völlig absurd seien solche Vorwürfe, kontert Aeropers. Natürlich unterstützen die Piloten «temporäre Massnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise». Hat Harry Hohmeister den Takt durchgegeben? Dass die Verhandlungen geplatzt sind, kam insofern überraschend, als dass die Edelweiss-Piloten und -Pilotinnen sowie das Swiss-Kabinenpersonal bereits Sparmassnahmen zugestimmt hatten. Warum klappt es bei den Pilotinnen und Piloten der Swiss nicht? Doch ganz so überraschend ist das Vorgehen der Swiss auch wieder nicht. Die Krise ist tief und lang; da bietet es sich an, nun einen klaren Schnitt zu machen. Will Vranckx damit schon in seinen ersten Wochen im Amt den harten Sanierer geben? Möglich. Vielleicht hat sogar Harry Hohmeister, Lufthansa-Vorstandsmitglied und Chief Commercial Officer Passenger Airlines, den Takt durchgegeben. Hohmeister war damals in Zürich als Swiss-Chef für seine eher ruppige Vorgehensweise berüchtigt. Nachfolger Klühr jedenfalls ist den Schritt, den GAV zu kündigen, nicht gegangen. Swiss sitzt am längeren Hebel Den Ärger wollte er sich sicherlich nicht mehr antun. Menschen, die mit Vranckx zu tun haben, beschreiben ihn als umgänglichen Typ. Als guten Krisenmanager. Aber er sei eben auch nicht so jovial wie Klühr. Wie auch immer. Bei der Swiss weht nun ein anderer Wind, Vranckx schlägt eine neue Gangart ein. Ob das langfristig allerdings gut kommt, im Verhältnis zur Mitarbeiterschaft oder im Umgang mit der Politik in Bern, die geholfen hat, die Swiss zu retten, ist eine ganz andere Frage. Die Piloten und Pilotinnen beraten derweil ihr Vorgehen, doch alles deutet darauf hin, dass die Swiss am längeren Hebel sitzt. Je länger die Pandemie dauert, desto mehr Druck lastet auf ihnen, grössere Zugeständnisse zu liefern. Darauf setzt die Swiss-Führung. Zumal Piloten auch nicht mal eben so einfach zur Konkurrenz wechseln können. Denn alle Airlines sind in Not. Viele Piloten sind längst gezwungen, sich berufliche Alternativen zu suchen. Probleme auf der Langstrecke Wenn Vranckx sich Anfang März der Öffentlichkeit stellt, warten viele unangenehme Fragen auf ihn. Der Ärger mit den Pilotinnen und Piloten dürfte dabei zu den eher kleineren Baustellen zählen. Dramatischer ist die Frage, wie es auf der Langstrecke weitergehen soll. Das sind die Routen, auf denen die Swiss eigentlich sonst ihr Geld verdient. Wie derzeit primär auf der Kurzstrecke und auf ganz wenigen Langstrecken unterwegs zu sein, ist kein Geschäftsmodell. Sollte sich die Lage ab dem Sommer nicht schnell bessern, steht bei der Swiss womöglich abermals der Ruf nach Staatshilfe auf der Agenda.

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