Der Detailhandelsmarkt ist gesättigt. Wo sehen Sie für den Immobilieninvestor Wachstumschancen?

Thomas Kurer: In der Schweiz gibt es mehr Detailhandelsfläche als es eigentlich brauchte. Aber gemessen an Quadratmetern pro Einwohner haben Deutschland oder die USA wesentlich mehr Kapazitäten. Das hängt damit zusammen, dass es in der Schweiz schwierig ist, für Detailhandelsflächen eine Baubewilligung zu bekommen. Doch finden im Detailhandel permanent Veränderungen statt. Das sind Chancen für die Investoren.

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Wieso?

Kurer: Es gibt immer wieder neue Detailhandelsformen wie zum Beispiel die Fachmärkte. Grundsätzlich geht der Trend in Richtung grössere Flächen. Aus solchen Verschiebungen resultiert immer ein Flächenabbau am einen Ort und ein -aufbau anderswo.

Auch ausländische Detailhändler wie Zara, Carrefour, Autogrill oder Fnac entdecken die Schweiz. Das sorgt ebenfalls für Bewegung..

Kurer: Ja. Die Tatsache, dass Ausländer hierher kommen, zeigt zudem, dass der Schweizer Markt interessant ist. Oft hat er auch die Funktion eines Testmarktes. Aber für die Ausländer ist der Markteintritt schwierig, weil die Schweiz ein sehr kleiner Markt ist. Viele brauchen Jahre, bis sie die idealen Standorte für ihr Konzept finden. Es braucht ja in der Regel mindestens fünf bis sechs Standorte, damit eine Kette funktionieren kann.

Nach dem Vorbild des St. Galler Säntisparks sollen mit Sihlcity in Zürich, Westside in Bern und EbiSquare in Ebikon, Luzern, gleich drei Einkaufs- und Freizeitpaläste entstehen. Ein interessantes Geschäft?

Kurer: Erlebnisparks haben meist eine marginale Wertschöpfung. Im Food- oder Kleiderbereich lassen sich Spitzenumsätze von 20 000 bis 30000 Fr. Umsatz pro m2 erreichen. Bei Freizeitanlagen, z.B. Muliplexkinos ist der Umsatz sehr viel tiefer. Die Immobilienpreise für Eventflächen sind aber mindestens gleich hoch. Deshalb sind wir sehr vorsichtig in der Beurteilung solcher Projekte.

Besteht die Gefahr eines Überangebots, wenn alle geplanten Freizeitparks auch realisiert werden?

Kurer: Grundsätzlich sind in der Schweiz alle Bedürfnisse abgedeckt. Der letzte wirkliche Mangel waren die Casinos. Wenn grosse zusätzliche Flächen entstehen, ist schon fraglich, wer diese nutzen soll. Wir haben bereits sehr viele attraktive Kinos, Schwimmbäder usw. in den Innenstädten. Doch wenn ein Investor einen attraktiven Mix an Einkauf und Erlebnis an sehr guter Lage anbietet, kann das durchaus funktionieren. Neue Zentren werden jedoch keine zusätzlichen Bedürfnisse schaffen.

Was Detailhandelsimmobilien für den Investoren stark von anderen Liegenschaften unterscheidet, ist die Umsatzbeteiligung am Geschäft der Mieter. In welcher Grössenordnung bewegt sich diese?

Kurer: Die Unterschiede sind riesig: Sie können von 2% bei Discountern bis 20% bei Flughafenshops gehen. Bei Kleidern ist die Grössenordnung 8 bis 12%, im Foodbereich rund 4%. Die Mietpreise fangen im einfachen Fachmarktbereich bei 200 Fr. an und gehen bis 2000 Fr. im Shoppingcenter. Ausschlaggebend für die Höhe der Umsatzbeteiligung sind Branche, Ertragskraft und Grösse der Verkaufsfläche. Man kann aber kein Shoppingcenter mit lauter lukrativen Mietern konzipieren. Das gäbe eine Monokultur, die für den Kunden nicht interessant wäre. Es läuft halt auf eine Quersubvention hinaus.

Sie haben zwei Standbeine, Detailshandels- und Geschäftsliegenschaften. Welches ist attraktiver?

Kurer: Die Rendite von Detailhandelsliegenschaften ist klar höher als die von Büroliegenschaften. Dabei muss das Risiko beim Detailhandel nicht unbedingt grösser sein.

Die Renditedifferenz kommt aber nicht von ungefähr.

Kurer: Bei Büroimmobilien ist die Lage entscheidend. Wenn diese stimmt, gibt es kaum Schwankungen. Wir entwickeln derzeit eine Immobilie in Genf, die zwischen Flughafen und Hauptbahnhof gelegen ist und moderate Mietzinsen hat. Das ist eine nahezu risikolose Liegenschaft. Da wird man immer einen Mieter finden, selbst wenn der Hausverwalter mal unhöflich ist.

Aber für den Detailhändler ist die Lage doch auch wichtig.

Kurer: Natürlich geht er dorthin, wo er sich die besten Umsätze erhofft. Dass an der Bahnhofstrasse oder in einem Shoppingcenter mehr Leute ein- und ausgehen ist klar. Es kommt aber stark darauf an, wie ein Shoppingcenter geführt wird. Wenn es schlecht gemacht wird, bleiben die Kunden aus und die Ladenbesitzer gehen. Detailhandelsimmobilien erfordern mehr Know-how und eine intensivere Betreuung als die Büroliegenschaften.

Wieso?

Kurer: Eine Detailhandelsimmobilie kann sich aus dem Markt bewegen. Denn das Wesen des Detailhandels verändert sich laufend. Diese Trends darf man nicht verschlafen. Kleine Shoppingcenter z. B., die vor 20 Jahren attraktiv waren, sind den Leuten heute zu klein. Baufachmärkte, bei denen vor ein paar Jahren 2000 bis 3000 m2 noch als ideale Grösse galt, stehen heute in Konkurrenz mit Baufachmärkten, die viermal so gross sind.

Wo gibt es Überkapazitäten?

Kurer: In Zürich West fragt man sich schon, ob es diese Flächen alle brauchen wird. Dennoch kann man mitten in einer Region mit zu grosser Detailhandelsfläche Erfolg haben. Bei Büroflächen ist das anders: Sie sind viel austauschbarer. Darum sind Büromieter eher in der Lage, die Preise zu drücken, wenn Überkapazitäten bestehen.

Was ist Ihnen eigentlich lieber: Ein Neubau auf der grünen Wiese oder eine Umnutzung?

Kurer: Von der beruflichen Herausforderung her finde ich eine Umnutzung viel spannender. Es gibt viel mehr Rahmenbedingungen, die es einzuhalten gilt. So kommen die Planer bei Umnutzungen auch auf besonders kreative Lösungen. Viele sind der Ansicht, ein Umbau sei teurer als ein Neubau. Wir sehen das differenzierter.

Inwiefern?

Kurer: Selbst in einer alten Fabrik gibt es in der Regel noch Mieter. Wir wollen aus der bestehenden Nutzung genug Erträge generieren, um die Unterhaltskosten, die Fremdkapitalkosten und einen Teil unseres Risikos der Umnutzung abzudecken. So sind wir den Unwägbarkeiten des Marktes, der Baubewilligung etc. nicht unterworfen. Bei Umnutzungen stehen wir so nicht vor dem Zwang zu bauen, nur weil wir bereits investiert haben. Kauft man Land auf der grünen Wiese, das dann ungenutzt bleibt, hat man hingegen ein Problem.

Wie viel Mehrwert können Sie mit einer gelungenen Umnutzung schaffen?

Kurer: Wir unterscheiden zwischen dem direkten Ergebnis, also der Rendite aus der Bewirtschaftung der Immobilien und zwischen dem indirekten Ergebnis, das durch Neubewertungen zu Stande kommt. Unser direktes Ergebnis nach Fremdkapitalkosten beträgt rund 6,5%, das indirekte Ergebnis liefert zusätzliche 1 bis 2%. Macht zusammen zwischen 7,5 und 8%. Im Jahr 2000 haben wir nochmals 1,6-mal diese Rendite mit einer Weiterentwicklung verdient. Wenn das alle drei bis fünf Jahre vorkommt, gibt das ein Renditeplus von 30 bis 50% aus Weiterentwicklung per annum. Entwicklungen sind sehr interessant, wenn man die Risiken unter Kontrolle hat.

Jelmoli-Chef Leumann hat uns einmal gesagt, zur Realisierung von Neuprojekten brauche es gar kein Eigenkapital. Jelmoli könne eine Liegenschaft zu 100% fremd finanzieren. Man müsse den Kreditgebern nur das Wertsteigerungspotenzial darlegen können.

Kurer: Wir haben rund 50% Nettoverschuldung über die ganze Gesellschaft. Bei einzelnen Projekten, die wir vollständig im Voraus vermieten können, haben wir die Möglichkeit, den Fremdkapitalanteil bis auf 70 oder 80% hochzufahren. Eine 100-prozentige Fremdfinanzierung erachte ich aber als viel zu riskant.

Wieso?

Kurer: Die Liegenschaftsbewertung ist eine fiktive Rechnung, eine subjektive Schätzung. Deshalb sollte man eine Sicherheitsmarge einrechnen, die mit Eigenkapital zu finanzieren ist. Sie sollte mindestens 20 bis 30% betragen. Auch die Börse bewertet die Buchwerte der Immobiliengesellschaften unterschiedlich vorsichtig. Das zeigt sich in Prämien oder aber Discounts von bis zu 30%.

Steckbrief

Name: Thomas Kurer

geboren: 22.3.1951

Zivilstand: ledig

Wohnort: Zürich

Ausbildung: Dipl. Arch. ETH, Weiterbildung am Center for Real Estate Development des MIT in Boston

Funktion: VR-Delegierter der A&A Liegenschaften Schweiz AG