BILANZ: Ihr Grossvater ist mit «Stierblut» gross geworden – dem «Sangre de Toro» –, einem Wein, über den jeder Schweizer, der gerne spanisch isst und trinkt, sicher schon einmal gestolpert ist. Es heisst, er habe den Namen aus der Zeit, als man in Spanien den Wein noch mit Hilfe von Stierblut geklärt hat.

Miguel Torres: Mein Grossvater hat den Wein vor fünfzig Jahren kreiert, aber ohne ihn je mit Stierblut zu klären. Das hat man zwar früher in Spanien gemacht, aber nicht bei uns. Den Namen hat mein Grossvater dem Wein gegeben, um in erster Linie einen unverkennbar spanischen Wein für den US-Markt zu schaffen. Daraus ist ein grosser Erfolg geworden: ein qualitativ guter Wein zu einem vernünftigen Preis.

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Und zugleich auch der quantitativ erfolgreichste Wein Ihres Imperiums?

Tatsächlich verkaufen wir davon mengenmässig bis zu zwölf Millionen Flaschen jährlich. Wir exportieren ihn in 140 Länder, damit ist er sicher der meistexportierte Wein Spaniens.

Welchen Anteil hat der Sangre de Toro am Gesamtausstoss Ihres Konzerns?

Wir verkaufen 4,5 Millionen Kisten Wein zu zwölf Flaschen im Jahr, inklusive Brandy, von dem wir etwa eine Million Kisten vertreiben. Fast jede vierte Flasche entfällt also auf unseren meistverkauften Tropfen.

Sie exportieren sechzig Prozent der Weine, und dies bei einem stattlichen Wachstum. Wie sieht es eigentlich im Heimmarkt aus, haben Sie dort eine Chance?

Wir wachsen zu Hause leicht, auch wenn der spanische Weinmarkt zurzeit etwas stagniert. Es zieht vor allem bei den Qualitätsweinen leicht an, greifen doch heute auch die Spanier für einen guten Wein etwas tiefer in die Tasche. Wir sind zuversichtlich, dass sich unser Heimmarkt noch besser entwickeln wird. Allerdings ist es uns fast wichtiger, auch künftig grösster Exporteur spanischer Qualitätsweine zu bleiben, denn dies ist und bleibt unser Hauptgeschäft. Wir haben immerhin einen Anteil von acht Prozent an der spanischen Weinexportquote.

Im Gegensatz zur Rioja-Gegend, wo nur ein paar Prozent der Gesamtproduktion auf den Weisswein entfallen, produzieren Sie in Katalonien weit höhere Quantitäten.

Das stimmt, obschon wir nach wie vor auch wegen des Sangre de Toro mehr Rotweine produzieren. Im Gegensatz zum Rest von Spanien ist der Weisswein für uns aber sehr wichtig, immerhin macht er vierzig Prozent der Gesamtproduktion aus. Einige erstklassige Weissweine aus unserer Region kriegen Sie übrigens auch in der Schweiz.

Torres tritt als grosses, traditionell spanisches Familienunternehmen auf, produziert aber schon längst auch in Chile oder in Kalifornien. Lösen diese Länder Spanien als Produzenten innerhalb des Torres-Imperiums bald ab?

Nein, auf keinen Fall, wir sind fest in Spanien verwurzelt, hier produzieren wir auch in Zukunft die grosse Menge unserer Weine. In Chile sind wir seit 1979 tätig, dies mit einer mittelgrossen Bodega. Und in Kalifornien betreiben wir nur eine kleine Bodega, die 1982 gegründet wurde und die meine Tante Marimar führt. Dort produzieren wir nur Spitzenweine in kleinen Mengen, das ist ein reines Nischengeschäft.

Seit längerem sind Sie auch in China mit einer eigenen Firma tätig. Ein schwieriger Markt, wie man hört, mischen die Chinesen doch europäischen Rotwein am liebsten mit Schweppes oder Grüntee.

Die Chinesen ziehen ihre eigenen, sehr zuckerhaltigen Weine vor, das stimmt. Aber glauben Sie mir, es findet allmählich eine Orientierung hin zu europäischen Produkten statt. Wir sind seit zehn Jahren in China tätig und spüren mittlerweile ein wachsendes Interesse an unseren Produkten. Unsere Tochtergesellschaft ist bereits die zweitgrösste Weinimportgesellschaft in China, was bei einem Milliardenmarkt doch etwas heissen will. Und immerhin beschäftigen wir dort bereits 85 Personen. Wir importieren in China aber auch Weine von anderen Produzenten. Der Markt ist noch sehr unreif, aber das dürfte sich in den nächsten Jahren ändern, auch wenn es ein harter Kampf werden wird.

Dänemark ist in Europa einer Ihrer wichtigsten Märkte, weit wichtiger zum Beispiel als die Schweiz. Ist das Geschäft hier so schwierig?

Nein, schwierig überhaupt nicht, aber der Schweizer Markt unterscheidet sich qualitativ sehr von Märkten wie Deutschland oder Dänemark. Die Schweiz ist ein Markt für gehobene Weine, hier verkaufen wir unsere Spitzenweine am besten: Weine, die auf einzelnen kleinen Weingütern produziert werden. Dafür ist die Schweiz ein sehr interessanter Markt. Und für unsere restlichen Weine ist vor allem die Schweizer Gastronomie sehr wichtig, weil die Leute hier auch auswärts bereit sind, etwas mehr Geld für guten Wein auszugeben als etwa die Dänen. In Dänemark kaufen die Kunden vor allem den günstigen bis mittelteuren Wein im Supermarkt, den sie dann zu Hause trinken.

Die Schweiz als Hochpreisland, einmal mehr.

Hochpreisland würde ich nicht sagen. Nicht die Weine sind teurer, sondern die Nachfrage nach edleren Weinen ist grösser.

Ist es für teure Qualitätsweine kein Risiko, unter dem Dach eines grossen Labels wie Ihrem zu laufen? Ist es im Weinmarkt nicht eher so, dass qualitätsbewusste Kunden eher auf Weine kleiner Fincas oder unabhängiger Weinbauern setzen?

Für uns ist und bleibt Torres die Dachmarke, daran werden wir nichts ändern. Das hilft uns sehr, vor allem bei unserer internationalen Strategie mit immer mehr neuen Märkten. Trotzdem sollen vor allem die neuen Weine eine eigene Marke erhalten, auch wenn immer klar ersichtlich sein soll, dass der Wein aus unserem Haus stammt. Das führt unserer Meinung nach zu einer starken Kundenbindung und einem grossen Kundenvertrauen. Wann immer unsere Kunden einen Wein kaufen wollen, kriegen sie gute Qualität. Auch für weniger Geld. Und wenn sie etwas zu feiern haben und der Geldbeutel etwas lockerer sitzt, kaufen sie sich einen unserer Spitzenweine. Ich glaube, dieses Konzept geht auf, auch mit unserem neu lancierten Wein der Marke Samos, den wir in diesem Frühjahr auf den Markt bringen.

Sie wählen einen griechisch anmutenden Namen für einen spanischen Wein. Offensichtlich scheint auch bei Torres das Marketing immer wichtiger zu werden. Immerhin haben Sie als wahrscheinlicher Patriarch der fünften Generation eine Marketingausbildung. Dies im Gegensatz zu Ihrem Vater, einem Önologen.

Halt, halt. Auf den Posten des fünften Patriarchen unseres Clans möchte ich mich nicht festlegen lassen. Ich sehe mich doch eher zusammen mit meiner Schwester als Nachfolger der fünften Generation. Meine Schwester ist Önologin, und wir arbeiten sehr gut zusammen. Auf keinen Fall möchte ich das Bild vermitteln, ich sei der grosse Erbe, auch wenn ich denselben Namen trage wie schon mein Grossvater und mein Vater. Richtig ist jedoch, dass für eine international agierende Weinfirma wie Torres das Marketing immer wichtiger wird. Gilt es doch eine Strategie zu fahren, die uns mit einfachen Mitteln erlaubt, viele unterschiedliche Märkte zu erschliessen.

Wenn man von der Erschliessung neuer Märkte spricht, so fällt auf, dass alle grossen europäischen Weinproduzenten auf den US-Markt schielen. Die Hoffnung, die Amerikaner würden dereinst Wein in ähnlichen Mengen konsumieren wie die Europäer, scheint noch immer da zu sein?

Es stimmt, die USA haben wohl aus Sicht der Europäer das grösste Entwicklungspotenzial. Jedenfalls wäre die Kaufkraft für gute europäische Weine längst vorhanden. Im Moment sind wir in den USA präsent, aber noch längst nicht so, wie wir es gerne hätten. Dennoch sind wir zuversichtlich, denn der Pro-Kopf-Konsum in den USA steigt, ähnlich wie in England. Auch die Engländer haben einen hohen Bierverbrauch, und dennoch hat der Wein in Grossbritannien unter den Alkoholika deutlich an Bedeutung gewonnen. Vor allem die Frauen schwenken in England vom Bier auf den Wein um, hauptsächlich auf Weisswein. Und seien wir ehrlich, ein Weissweinglas sieht in Frauenhänden doch edler aus als eine Bierbüchse. Das werden hoffentlich auch die Amerikaner und die Amerikanerinnen irgendwann merken.

Die Mehrheit der Schweizer sieht in der Europäischen Union nach wie vor den Teufel, und entsprechend sehen sie in spanischen Landwirtschaftsbetrieben auch in erster Linie subventionsschluckende Firmen, die erst noch papierlose Immigranten zu Hungerlöhnen beschäftigen. Gilt dieses Klischee auch für Ihre Firma?

Wir erhalten in der Tat punktuell Subventionen – wie jeder andere in der Landwirtschaft tätige Konzern in Europa oder auch in der Schweiz. Aber bei uns läuft alles auf legalem Weg. Alle Mitarbeiter sind legal angestellt, und wir zahlen auch Löhne, die über dem Marktniveau liegen. Schon mein Grossvater hat die soziale Verantwortung ernst genommen, und das werden auch wir weiterführen.

Aber Spanien als nach wie vor stark in der Landwirtschaft verankertes Land braucht immer mehr Arbeiter aus dem Maghreb, vor allem um die Ernte zu sichern und weil der Landwirtschaft in Spanien trotz noch immer hoher Arbeitslosigkeit in diesem Sektor an allen Ecken und Enden Arbeiter fehlen.

Ja sicher, wir brauchen die Leute aus dem Maghreb. Diese leisten harte Arbeit, aber da sie dafür auch gutes Geld erhalten, sind sie dazu bereit. Abgesehen davon ist Spanien auf eine verstärkte Immigration angewiesen. Die Geburtenrate in unserem Land sinkt dramatisch, sodass es viele Arbeiten gibt, für die wir keine eigenen Leute mehr finden. Wieso sollte man also jenen Immigranten, die nach Arbeit lechzen, den Zugang zu diesen freien Arbeitsplätzen verweigern? Abgesehen davon hat jedes entwickelte Industrieland sich nicht zuletzt dank einer starken Immigration entwickelt, wie das die Schweiz in den vergangenen Jahrzehnten ja auch erfahren hat.

Die Torres aus Vilafranca

Miguel Torres (33) ist der Sohn von Torres-Patriarch Miguel A. Torres und zuständig für das Marketing der Firma, die 1500 Mitarbeiter beschäftigt. Die Familie produziert in der fünften Generation Weine, hauptsächlich rund um die katalanische Stadt Vilafranca del Penedès, aber auch in Chile und Kalifornien. Vater Miguel A. Torres ist einer der angesehensten Weinproduzenten Europas und hat schon alles an Preisen eingeheimst, was die Branche zu bieten hat. Die Familie produziert und verkauft über 50 Millionen Flaschen Wein und Brandy im Jahr – und dies nach rund 140 Ländern.

Torres-Weine sind in der Schweiz erhältlich bei: Rudolf Bindella Weinbau-Weinhandel AG, Zürich.