Als Oswald Grübel das erste Mal Nein sagte, sass er im Büro seines Hauses in Südspanien. Seit seinem Abschied von der Credit Suisse verbrachte er hier viel Zeit, und das natürlich nie ohne seine Leidenschaft, die Finanzmärkte. Auf zwei Bildschirmen verfolgte er das Trauerspiel an den Börsen, als sein Mobiltelefon klingelte. Es meldete sich ein Headhunter aus dem Zürcher Büro von Spencer Stuart. Er machte ein überraschendes Angebot: Ob Grübel nicht Chef der UBS werden wolle?

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Der 65-Jährige lehnte ab: Es brauche eine jüngere Kraft, es gebe bestimmt genügend andere Kandidaten, er könne gern ein paar Namen nennen. Doch der Headhunter liess nicht locker. Er hatte das Mandat von UBS-Präsident Peter Kurer bekommen. Der bisherige Konzernchef Marcel Rohner hatte Kurer am 8. Januar mitgeteilt, dass er zurücktreten wolle. Zermürbt von 18 Monaten Finanzkrise, im Verwaltungsrat wegen fehlender Führungskraft unter Beschuss, in der gebeutelten Belegschaft verbraucht und als langjähriger Vermögensverwaltungschef durch die US-Anklage gegen die UBS bedroht, hatte der 44-Jährige genug. Der Headhunter stellte eine Liste zusammen, und darauf standen am Ende noch drei Namen: Josef Ackermann, der die Deutsche Bank mit sicherer Hand durch die Finanzkrise gelotst hatte, John Thain, der mit seiner Merrill Lynch bei der Bank of America Unterschlupf gefunden hatte, und er: der frühere Credit-Suisse-Chef Oswald Jürgen Grübel , der den Erzrivalen im Mai 2007 mit Gewinn und Aktienkurs auf Allzeithoch verlassen hatte.

Sehr schnell schaltete sich Kurer direkt ein. Für den Juristen an der Spitze der Grossbank war Grübel eindeutig der Favorit. Ackermann signalisierte zwar seine Bereitschaft, doch sein Pflichtgefühl verbot es ihm, die Deutsche Bank vor Ablauf seines Vertrages im Mai 2010 zu verlassen. Zudem soll er sich nach acht Jahren als operativer Konzernchef nur für das Präsidentenamt interessiert haben. Und der Amerikaner Thain war spätestens dann aus dem Rennen, als bekannt wurde, dass er sein Büro für mehr als eine Million Dollar hatte umdekorieren lassen und trotz Staatshilfe einen zweistelligen Millionenbonus einklagen wollte.

Grübel blieb zunächst bei seinem Nein, doch in den letzten zwei Januarwochen riefen ihn der Headhunter oder Kurer fast täglich an. Langsam bröckelte seine Abwehrfront. «Er will da sein, wo die Kanonen donnern», beschreibt ihn ein früheres CS-Konzernleitungsmitglied. Dass er die Finanzkrise nur am Rande mitverfolgen konnte, ohne selbst die grossen Entscheide zu fällen, nagte an ihm. Das Leben eines Pensionärs führte er ohnehin nicht. Er hatte sich ein eigenes Handelsbüro mit modernster Technologie eingerichtet und fuhr weiterhin morgens aus seinem Penthouse in Wollerau in die Zürcher Innenstadt.

Die Börse war sein Lebenselixir, seit er 1961 als 18-Jähriger bei der Deutschen Bank in Mannheim eingestiegen war, und das mit nur einem Ziel: so schnell wie möglich Millionär zu werden. Das hat er längst geschafft, und die Händler raunten sich ehrfürchtig zu, «Ossi», wie er überall genannt wurde, habe es in den goldenen Jahren bis 2007 sogar zum Milliardär gebracht (zumindest diese Gerüchte sind mit dem Börsencrash verstummt). Golfspielen füllte ihn nicht aus, und auch die Zahl der Reisen, auf die sich seine Tochter Caroline, sein einziges Kind, nach seiner Pensionierung mit ihm gefreut hatte, hielt sich in Grenzen. Auch schmerzte ihn der Schaden, den der Finanzplatz Schweiz, dem er so viel zu verdanken hat, durch die Krise nahm. Und er wusste genau, wie deprimiert sich die fast 80 000 UBS-Mitarbeiter im Dauerfeuer fühlen mussten – als er 2002 Co-Chef der darniederliegenden CS wurde, durchlitten die Mitarbeiter ein ähnliches Trauma, nur deutlich kürzer.

Schamlos kopiert. Und schliesslich handelte es sich hier nicht um irgendeine Bank: Die UBS war lange der unerreichbare Rivale, dessen Strategie, wie sein Lieblingsblatt «Economist» jüngst schrieb, Grübel «schamlos kopiert» hatte. Jetzt dort als Chef einzusteigen, schmeichelte nicht nur seinem Ego, sondern weckte auch seine Neugier: Er würde das Innerste des grössten Widersachers erkunden können. «Das ist, als ob der Oberfehlshaber der amerikanischen Armee plötzlich die russische Armee übernimmt», sagt ein langjähriger CS-Manager. «Ein Genuss für einen eingefleischten Banker wie ihn.»

Als Anfang Februar zwei weitere Verwaltungsratsmitlieder – Vizepräsident Sergio Marchionne, der Rohner für überfordert hielt, und Gabrielle Kaufmann-Kohler, die Leiterin des Nominierungskomitees – um seine Zusage buhlten, freundete sich Grübel weiter mit dem Gedanken an. Er nannte seine Bedingungen. Der Rechtsfall in den USA, bei dem die US-Behörden der UBS Beihilfe zur systematischen Steuerhinterziehung vorwarfen, müsse geklärt werden. Der Bundesrat, die Nationalbank und die Aufsichtsbehörde Finma müssten seine Ernennung begrüssen. Und schliesslich: Er müsse vollkommen freie Hand bei der Geschäftsleitung haben, der Verwaltungsrat dürfe ihm nicht dreinreden. Bei der CS hatte er sich oft über das Kontrollgremium, dessen Fachkompetenz er für überschaubar hielt, geärgert. Das sollte ihm nicht ein weiteres Mal passieren.

CS aufräumen. Erste Gerüchte, dass Grübel Rohner ablösen würde, hatte es schon im letzten Sommer gegeben, doch damals gab es keinen Kontakt zwischen der UBS und Grübel . Jetzt kamen die Gerüchte kurz vor der UBS-Jahrespressekonferenz am 10. Februar wieder auf – und diesmal waren sie ja begründet. Auch CS-Übervater Rainer Emil Gut, der Grübel in den siebziger Jahren zur Bank geholt hatte, hörte davon. Die beiden Männer trafen sich noch immer einmal im Monat zum Mittagessen, Grübels Haus in Spanien lag unweit von Guts Anwesen, und beim jährlichen Eröffnungskonzert des Lucerne Festival sah man die beiden Herren oft Seite an Seite. Doch die Beziehung war nicht so eng, dass Grübel Gut in dieser Frage konsultierte. Er löste sich spätestens in seinen fünf Jahren als CS-Chef von dem Patriarchen. Denn in dieser Zeit musste er einige Fehlentscheide aus der Vergangenheit aufarbeiten: Die «Winterthur», welche die CS auf Initiative Guts gekauft hatte, hatte die Bank 2002 durch ihre dramatischen Aktienverluste an den Rand der Pleite geführt. Gegen das integrierte Bankmodell hatte sich Gut immer gesperrt, und die Ernennung Lukas Mühlemanns zum Konzernchef erwies sich als Fehlgriff. Doch als am 10. Februar wenig Neues bekanntgegeben wurde – schon gar nicht der Abgang Rohners –, verstummten die Gerüchte wieder, und auch Gut soll nicht mehr mit Grübel als neuem UBS-Chef gerechnet haben.

Dann ging alles sehr schnell. Am 18. Februar gab die UBS die Einigung mit dem US-Justizministerium und der Finma über die Herausgabe von etwa 300 Kundendateien von Amerikanern bekannt, die mit Hilfe der UBS Steuerbetrug begangen hatten. Damit war die erste Bedingung Grübels erfüllt. Kurer, der die Verpflichtung Grübels zu seiner Mission gemacht hatte und ihn nach der Bekanntgabe mit leuchtenden Augen untypisch emotional als «fähigsten CEO im internationalen Bankgeschäft» anpreisen sollte, informierte Bundesrat, Finma und die SNB. Und dann war da noch der dritte Punkt: Wer würde VR-Präsident werden?

Grübel war in den Gesprächen selbstbewusst genug, diese Frage nicht offen zu thematisieren. Es war offensichtlich, dass Kurer angeschlagen war. Auch wenn die Finma ihm eine direkte Verantwortung für das Debakel in den USA absprach und sich Nationalbank und Bundesrat mit offenen Rücktrittsforderungen zurückhielten, so wurde der Druck nach der Weitergabe der Kundendaten an die USA enorm. Im April hatte Kurer noch im «SonntagsBlick» über seine sechs Jahre als Chefjurist gesagt: «Ich war zuständig für das Management der Rechtrisiken. In aller Bescheidenheit meine ich, dass wir diese Risiken gut unter Kontrolle hatten.»

Nun ja, der Spitzenanwalt, der in seiner kurzen Zeit als Präsident die Dossiers sauber abarbeitete, aber bei den brisanten Themen – Staatsbeteiligung, Boni, US-Klage – einen verschreckenden Mangel an Sensibilität für die Öffentlichkeitswirkung seiner Taten offenbarte, geht nun als der Bankier in die Geschichte ein, der den Schweizer Rechtsstaat ausgehebelt hat.

Doch gerade weil Kurer sich so stark um ihn bemüht hatte, ging Grübel davon aus, dass der Jurist zumindest noch einige Wochen im Amt bleiben würde. Also handelte er sich eine Klausel aus: Über einen Wechsel des Präsidenten oder wichtiger anderer VR-Mitglieder müsse er informiert werden, und wenn ihm die Nominierungen nicht passten, hätte er das Recht, die Bank sofort zu verlassen. Damit sicherte sich Grübel de facto ein Vetorecht für die Kurer-Nachfolge. Wenn der Verwaltungsrat etwa seinen früheren Chef Ackermann, der ihm kaum freie Hand gelassen hätte, nominieren würde, hätte er sein Veto einlegen können. Das reichte ihm als Versicherung.

Geheimes Treffen. Doch so weit kam es gar nicht. Am Dienstag, 24. Februar, erhielt Grübel einen Anruf von Kaufmann-Kohler. Die Leiterin des Nominierungskomitees hatte schon nach der Anklage gegen das Konzernleitungsmitglied Raoul Weil im November mit Kurers Wissen nach einem Nachfolger gefahndet und ebenfalls Spencer Stuart beauftragt. Auf der Liste ganz oben standen Villiger – und Ackermann, der damit als einziger Kandidat auf beiden Listen – CEO und VR-Präsident – stand.

Bei der ersten Anfrage im Januar hatte Villiger noch abgesagt. Mit einem möglichen Konzernchef Grübel sah die Sache anders aus. Villiger habe Interesse am Präsidentenamt, teilte Kaufmann-Kohler dem überraschten Grübel mit. Ob Grübel ihn nicht schnellstmöglich treffen wolle? Und so setzte sich der begeisterte Autofahrer erstmals seit Jahren wieder in den Zug und fuhr am Mittwoch mit dem Acht-Uhr-Zug nach Bern. Dort holte ihn Villiger ab. Die beiden kannten sich bereits – als Grübel 2002 Co-CEO der CS war, war Villiger noch Finanzminister. Sie fuhren nach Muri in Villigers Haus. Mit «kurzen, klaren Sätzen», wie Villiger eine Woche später bei seiner Vorstellung sagte, überzeugte ihn Grübel . Lange dauerte das Treffen dann auch nicht – Villiger fuhr Grübel schnell wieder zurück zum Bahnhof, denn dieser hatte noch seinen monatlichen Lunch mit Rainer Gut. Die beiden Herren trafen sich im Restaurant Casa Ferlin in der Nähe des Zürcher Centrals. Grübel erwähnte mit keinem Wort das UBS-Angebot und seine bevorstehende Zusage am gleichen Abend. Gut erfuhr es wie alle anderen am nächsten Tag bei der offiziellen Verkündung. Die Gratulation blieb aus.

Villiger sagte drei Tage später offiziell zu, was am Mittwoch darauf der Öffentlichkeit bekanntgegeben wurde. Der dritte der «drey scheenste Däg» war somit für den Fastnächtler Marcel Ospel kein schöner Tag. Denn er besiegelte endgültig seine Ära bei der grössten Schweizer Bank. Der langjährige Banklenker hatte den damaligen Finanzminister zwar noch im Jahr 2000 bei der Feier seines 50. Geburtstages zum Gesang von Udo Jürgens bewirtet. Doch spätestens seit dem Swissair-Debakel ein Jahr später war das Verhältnis zwischen den beiden Männern zerrüttet. Villiger beschuldigte Ospel und die UBS vor laufender Kamera, für das Grounding verantwortlich zu sein. Ospel widersprach scharf. Er begrüsste dann auch ausdrücklich die Wahl des Villiger-Nachfolgers Hans-Rudolf Merz. Einen Seitenhieb auf seinen Vorvorgänger konnte sich der Alt-Bundesrat selbst am Tag seiner offiziellen Kür nicht verkneifen. «Herr Grübel führt die Bank, nicht der Verwaltungsratspräsident führt die Bank. Das war vielleicht früher so und viel-leicht auch nicht ganz richtig», sagte er in der «Tagesschau».

Wie bei der CS, als der Aktienkurs nach seiner Amtsübernahme bei 18 Franken dümpelte, hat Grübel auch bei der UBS nur ein Ziel: den Kurs nachhaltig zu steigern. Die Rückkehr zur Profitabilität, im Schreckensjahr 2009 schwierig genug, ist da nur eine Zwischenetappe auf einem steinigen Weg. Die Kapitalerhöhungen der Krisenmonate haben zu einer gigantischen Verwässerung geführt – nach Wandlung aller Anrechte stehen etwa 3,5 Milliarden Aktien aus, vor 18 Monaten waren es noch 2 Milliarden. Das heisst: Selbst wenn im besten Fall die UBS 2011 wieder einen Gewinn von zehn Milliarden Franken ausweisen sollte – die Höhe von 2005 –, so wäre der Gewinn pro Aktie nur halb so hoch. Die bittere Wahrheit für alle UBS-Aktionäre ist: Im jetzigen Umfeld ist die Aktie mit zehn Franken fair bewertet.

Das Rezept ist klar: Grübel wird wie bei der Credit Suisse radikal die Kosten senken, und das ist ohne einen drastischen Arbeitsplatzabbau kaum möglich. Er weiss nur zu gut, dass ihm bei der CS-Sanierung auch die Märkte zu Hilfe gekommen sind. Ohne den Aufschwung ab 2003 hätte er kaum den Kultstatus erreicht, der ihn jetzt an die UBS-Spitze katapultiert hat. Diesmal sind die Aussichten eher düster. Zwar prophezeite Grübel Ende Oktober für die nächsten sechs bis neun Monate noch Kurssteigerungen von 30 Prozent oder mehr, doch da war ihm der dramatische Zustand der amerikanischen Banken noch nicht bewusst. Jetzt könnte auch ein anderes Szenario wahr werden, das er 2002 bei der Übernahme des CS-Chefpostens skizzierte und das er bei seinem Berufseinstieg in den sechziger Jahren erlitten hatte: 15 Jahre Börsenstillstand.

Dramatische Positionen. Eine Gesundung ist da nur über radikales Schrumpfen möglich. Besonders die Investmentbank steht vor einer Radikalkur. «Die sanieren im Schneckentempo», kritisiert Helvea-Analyst Peter Thorne. 17 000 Mitarbeiter zählt die Einheit noch immer, ein weiterer Abbau von 1500 Stellen ist bereits bekanntgegeben worden. Doch das scheint angesichts des dramatischen Geschäftseinbruchs kaum ausreichend. Der Schwede Jerker Johansson, der seit einem Jahr die Investmentbank führt, hatte bereits bei seinem vormaligen Arbeitgeber Morgan Stanley den Ruf eines risikoscheuen Administrators. Schon vor der Bilanzpressekonferenz vom 10. Februar hielten sich hartnäckig die Gerüchte über seine Ablösung. Doch der damalige Konzernchef Rohner überliess die Entscheidung seinem Nachfolger. Besonders der Problembereich «Festverzinsliche Wertpapiere», welcher der UBS den Grossteil der Milliardenverluste einbrockte, hält noch immer dramatische Positionen. Hier drohen weitere Abschreiber. Grübel soll geschockt gewesen sein, als er erstmals die Zahlen detailliert analysierte. «Idiotisch grosse Positionen» habe der Handel genommen, sagte der neue UBS-Chef gegenüber der «Finanz und Wirtschaft».

Doch auch im Private Banking, dem wichtigsten Bereich, werden harte Einschnitte nötig sein. Die Debatte um das Bankgeheimnis verunsichert die Kunden, der Börseneinbruch hat die Vermögen ohnehin schon kräftig dezimiert. «Jetzt wollen wir diesen Saftladen mal aufräumen», hatte Grübel gesagt, als er 1998 das CS-Private-Banking übernahm. Innerhalb von zwei Jahren verdoppelte er den Gewinn, vor allem durch den Einsatz von strukturierten Produkten und alternativen Anlagevehikeln. Eine derartige Strategie wird diesmal kaum greifen – der Markt für strukturierte Produkte ist praktisch tot. Und auch die anderen beiden Bereiche machen nur wenig Freude: Das amerikanische Brokergeschäft, die ehemalige PaineWebber, läuft schon lange bei der Rendite hinter den Vorgaben her, viele UBS-Mitarbeiter sehnen einen Verkauf herbei. Auch das Asset Management, zwar erfolgreicher als bei der CS, leidet seit Jahren, und der Chef, John Fraser, mit sieben Jahren Zugehörigkeit Veteran in der Konzernleitung, gilt kaum als Dynamiker. Doch Timing ist alles, das hat Grübel schon beim «Winterthur»-Deal bewiesen, und deshalb stehen Verkäufe erst einmal nicht zur Debatte.

Sehr schnell muss Grübel auch seine neue Mannschaft zusammenstellen. Die 13-köpfige Konzernleitung macht einen zersplitterten Eindruck. Unter Rohner traf sich einmal die Woche das sogenannte Exekutivkomitee, dem neben dem CEO der Finanzchef, der oberste Risikoverantwortliche und der Leiter des Corporate Center angehörten. Das gesamte Gremium kam jedoch nur alle sechs Wochen zusammen. Straffe Führung sieht anders aus. Die Autonomie der einzelnen Regionen und Geschäftseinheiten hat sich durch die Ankündigung im Sommer, die Geschäftsbereiche wieder eigenständig zu führen, noch verstärkt. Grübel machte schon bei der CS unmissverständlich klar, was er von einer derartigen Autonomie hält: nichts. Die vollständig integrierte Bank, die er bei der CS brachial einführte, sieht er als grossen Vorteil. Die proklamierte Eigenständigkeit der UBS-Geschäftsbereiche ist damit schon wieder Geschichte, bevor sie überhaupt umgesetzt wurde.

Schnelle Wechsel. Eine verstärkte Zentralisierung bietet grosses Einsparpotenzial. Grübel soll in seinen ersten Arbeitstagen erstaunt gewesen sein, wie zersplittert die Firma, die lange vor der CS die One-Bank-Strategie verfolgte, geführt ist. Als eine seiner ersten Amtshandlungen verfügte er etwa, dass der Einkauf für die gesamte Firma zentralisiert wird. Allein dadurch lässt sich ein dreistelliger Millionenbetrag sparen. Auch reduzierte er sofort das Marketingbudget drastisch. Er stoppte die «You & Us»-Kampagne, welche die Bank im Ausland wieder aufgenommen hat. Diese starke Hand aus der Zentrale wird auch die Konzernleitung zu spüren bekommen. « Grübel wird sich mit einer kleinen Zahl loyaler Leutnants umgeben, welche die Geschäfte hart führen», betont Helvea-Analyst Thorne.

Wie im Verwaltungsrat, wo nach Kurer auch Ernesto Bertarelli zurücktreten wird und ebenfalls der neue Shell-Chef Peter Voser als Rücktrittskandidat gilt, werden auch in der Konzernleitung schnelle Wechsel erwartet. Anrufe von früheren Kollegen soll Grübel schon erhalten haben. Manche hochrangige CS-Leute trauern ihm nach. Sie sind überzeugt, dass ihm die hohen Verluste im dritten Quartal nicht passiert wären – wie er selbst natürlich auch: Im kleinen Kreis äusserte er in gewohnt drastischer Wortwahl seine Enttäuschung.

Er selbst hat mit dem Sparen schon begonnen. Marcel Rohner liess sich jeden Morgen vom Chauffeur aus seinem Haus in Aarau abholen. Oswald Jürgen Grübel , dessen Wohnung in Wollerau gut 30 Kilometer vom UBS-Hauptsitz an der Bahnhofstrasse 45 entfernt ist, entschied gleich an seinem ersten Amtstag, ein Zeichen zu setzen. Er verzichtet auf den Chauffeur und fährt selbst.

Dirk Schütz
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