Der Aargauer Marcel Rohner ist mit seinen 41 Jahren einer der jüngsten Spartenchefs einer Schweizer Grossbank. Er war als CEO des Bereichs Wealth-Management und Business-Banking, dem auch das Private Banking zugeordnet ist, schon vorher für das Kerngeschäft der UBS zuständig – nun wird seine Rolle weiter aufgewertet: Die Bank hat ihr Wealth-Management (Vermögensverwaltung) weltweit zusammengefasst und Rohner unterstellt. Damit wird er hinter CEO Peter Wuffli de facto die Nummer zwei im Konzern. Wufflis bisheriger Vize, Investment-Banking-Chef John Costas, wird künftig für die UBS das Hedge-Fund-Business forcieren und scheidet aus der Konzernleitung aus.

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Die UBS will ihre Erfolgsgeschichte um ein weiteres Kapitel ergänzen. Nachdem die Gewinnsteigerungen bisher vor allem dank besserem Kostenmanagement erreicht worden sind, soll der Fokus nun auf die Erträge gelegt werden. «Der nächste Schritt ist primär eine Wachstumsgeschichte», betonte Wuffli im Anschluss an die Neuorganisation.

Bei der Umsetzung dieser strategischen Vorstellungen zeigt sich Rohner besonders innovativ. Der Bereich Wealth-Management und Business-Banking arbeitet bereits seit Anfang 2005 mit einer neuen Art rollender Planung ohne jegliche Jahresbudgets – weltweit einmalig in der Branche.

«Ausgangspunkt war der Gedanke: Wie können wir intern die besten Prozesse für nachhaltiges Wachstum schaffen?», sagt Anton Stadelmann, Finanzchef des Bereichs Wealth-Management und Business-Banking. Ziel sei es, «nach den Kostenverbesserungen nun auch auf der Ertragsseite zu brillieren». Man sei zum Schluss gekommen, dass der bisherige Prozess des Budgetierens diesem Ziel widerspreche: «Viel zu defensiv für unsere neuen Ambitionen», so Stadelmann.

In der Tat ergeben sich bei der Führung mittels Budgetvorgaben generell oft Nachteile. Kurz vor dem Erstellen der Jahrespläne zeigt sich jeweils ein Gezerre zwischen Front und Zentrale einerseits und den einzelnen Abteilungen andererseits um die Zuteilung von Geldern. Oft bekommt nicht jener den grössten Budgetspielraum, der ihn wirklich benötigt, sondern jener, der am lautesten dafür weibelt. Sobald die Jahresziele einigermassen erreicht scheinen, wird zurückgelehnt. Neue Aufträge werden dann mit Vorliebe aufs nächste Jahr verschoben – schliesslich will man nicht, dass einem die Vorgaben infolge des guten Ergebnisses im nächsten Jahr erhöht werden. Zudem kann man sich so schon ein Polster fürs nächste Jahr anlegen. Dies führt dazu, dass man nicht das Optimum aus den Marktchancen herausholt.

Rohner entschloss sich zu einem radikalen Schnitt – und kippte die Budgetvorgaben per 1. Januar 2005 komplett. Neue Leitplanken sind seither zwei Dinge: der zahlenmässige Vergleich mit dem Vormonat und der Vergleich mit den eigenen Kollegen. 26 000 UBS-Mitarbeiter sind von der neuen Lösung betroffen, nach der Verschmelzung mit Wealth-Management USA werden es bald 44 000 sein.

Im Wealth-Management etwa funktioniert das Konzept so: Mindestens einmal monatlich nimmt der Teamchef seine Gruppe zusammen und schaut im Quervergleich, wer wie viele neue Kunden beziehungsweise Kundengelder akquiriert hat und wie der jeweilige Erfolg in der Verwaltung der Kundengelder aussieht. So misst sich der Mitarbeiter nicht an einem Budget, das je nach Branchenkonjunktur mal zu optimistisch und mal zu pessimistisch aussieht, sondern am Kollegen neben sich, der ja unter den gleichen Bedingungen arbeitet. Die Quervergleiche werden dann am runden Tisch besprochen. Eine zentrale Benchmark sind die Ergebnisse der Besten in der Gruppe – von ihnen können die anderen lernen. «Das Ganze führt dazu, dass die Leute miteinander zu reden beginnen und fragen: Wie habt ihr das gemacht?», sagt Stadelmann. Durch diese Art von gegenseitigem Coaching könnten in der ganzen Gruppe bessere Leistungen erzielt werden.

Intern war die Skepsis gross, als die Pläne im letzten Herbst erstmals präsentiert wurden. Viele fühlten sich damals verunsichert, weil sie nicht wussten, wie sie das kommende Jahr planen sollten. Auch wie der für Banker stets wichtige Bonus zukünftig berechnet werden sollte, war für viele zunächst nicht klar.

Heute, nach sechs Monaten Erfahrung mit dem neuen System, ist die Skepsis zwar noch nicht ausgeräumt, die Akzeptanz habe sich aber stark verbessert, so Stadelmann. Statt sich an Zahlen zu orientieren, würden jetzt Aktivitäten geplant – ein unternehmerischer Ansatz. Gespannt sind die Banker derzeit auch auf erste Signale bezüglich der Bonusberechnung, denn in diesen Tagen führt die Bank die jährlichen Zwischenbeurteilungen durch.

Laut Insidern soll eine interne Mitarbeiterbefragung eine Verbesserung der Zufriedenheit gegenüber dem Vorjahr aufzeigen. Die UBS wollte dazu keine Stellung nehmen. Der Bericht werde im August bankintern veröffentlicht. Laut Finanzchef Stadelmann seien heute aber drei Viertel der Teams bei der Umsetzung «wunschgemäss» unterwegs, bei rund einem Viertel der Mitarbeiter werde das Ganze «noch nicht konsistent angewendet». Dies liege meist daran, dass der Vorgesetzte die Ideen noch nicht konsequent lebe.

Viele Kaderleute wehren sich immer noch gegen die neue Lösung, vor allem weil sie glauben, die verstärkte interne Konkurrenz gefährde den Teamgeist. Wenn man am Bürokollegen gemessen wird und wenn der Bonus letztlich vom direkten Vergleich mit dem Mann oder der Frau am Pult nebenan abhängt, dann hat man eben kein Interesse daran, dass der Kollege oder die Kollegin gut dasteht. Mit Tipps oder gar der Vermittlung von Kundenkontakten sei man daher zurückhaltend. Das widerspreche längerfristig dem Wachstumsgedanken, wird mokiert.

Laut Stadelmann sind die Probleme erkannt, man wolle die Vorgesetzten mit Information und Schulung noch vermehrt auf die neue Methode einschwören. «Das Ganze darf natürlich nicht dazu führen, dass man gegeneinander arbeitet», sagt er. Von den Führungskräften sei subtiles Coaching gefragt. Positiv am System ist: Die Gruppenleiter ihrerseits müssen sich eine Stufe weiter oben ja auch einem Quervergleich stellen – und haben daher Interesse an einem guten Ergebnis ihres gesamten Teams.

Wirtschaftlich hat die Änderung der Praxis jedenfalls Erfolg gezeigt: Die Erträge im Geschäftsbereich stiegen im ersten Quartal 2005 sowohl gegenüber dem Vorjahresquartal als auch gegenüber dem letzten Quartal 2004 deutlich. Gesteigert werden konnte auch der Neugeldzufluss: Die Wealth-Management-Einheiten verzeichneten Rekordzugänge von 21,2 Milliarden Franken.

Erik Nolmans
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