Urs Hölzle, im 300-Milliarden-Markt für Clouddienste liegt Google weit hinter Microsoft und Amazon und sogar hinter IBM und Oracle. Was macht Google falsch?
Das stimmt nicht. Wir machen mit Clouddiensten über eine Milliarde Dollar pro Quartal. Cloud ist ein dehnbarer Begriff, den definiert jeder anders. Wir sind entweder Nummer zwei oder Nummer drei – schwer zu sagen, weil die anderen Player ihre Zahlen nicht genau aufschlüsseln.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Aber auch Nummer zwei oder drei ist für Google nicht der Anspruch.
Nein, das ist aber auch noch nicht das Endstadium. Die Cloud ist noch ganz am Anfang, 90 Prozent der Informatikleistung werden noch vor Ort erbracht. Und in anderen neuen Märkten waren wir auch nicht die Ersten, wurden aber trotzdem schnell erfolgreich, weil die Nutzer unsere Dienste besser fanden. Sei es die Suche selbst, Gmail, der Chrome-Browser, Android, Maps etc.

Sie haben nun ein Cloudangebot in der Schweiz lanciert. Wieso erst jetzt?
Es hat mich immer gestört, dass das nicht schon früher passiert ist – die Schweiz ist ja ein Hightech-Standort, und es gibt viele Firmen hier, die von der IT abhängig sind. Wir sehen auch ein starkes Interesse der Firmen. Es gibt in der Schweiz viele Anwendungen, die aus regulatorischen Gründen im Land bleiben müssen – bei Bankendaten etwa. Aber weil es ein relativ kleinerer Markt ist, gehen alle Cloudanbieter zuerst dorthin, wo der Business Case offensichtlich ist, nach London, Frankfurt etc. Deshalb hat es etwas länger gedauert mit dem Schweizer Standort.

Wo genau wird das Rechenzentrum entstehen?
In Zürich. Somit untersteht es auch den Schweizer Datenschutzregulatorien.

Googles Mitarbeiter Nr.7

Urs Hölzle ist nach den Gründern Larry Page und Sergey Brin der dienstälteste Mitarbeiter im Google-Konzern. Als Mitarbeiter Nummer sieben begann der Liestaler seine Karriere als Technologiechef. Zuvor studierte Hölzle Informatik an der ETH. Mit einem Fulbright-Stipendium des US State Departments konnte er für die Doktorarbeit zur Stanford University in Kalifornien wechseln. In seinen Vorlesungen sassen auch Larry Page und Sergey Brin. Später wechselte Hölzle als Professor an die Universität Santa Barbara. Just als er vom Lehrbetrieb genug hatte, machte ihn ein Student auf Page und Brin aufmerksam, die gerade dabei waren, Google zu gründen. Kurz darauf hatte er das Jobangebot. Heute, knapp 20 Jahre später, ist er als Senior Vice President Herr über die gesamte technische Infrastruktur des Konzerns mit 20 Rechenzentren, Zigtausenden Servern, unzähligen Patenten und sieben Anwendungen, die jeweils mehr als eine Milliarde Nutzer zählen.

Urs Hölzle
Quelle: Jos Schmid für BILANZ

Was bedeutet das für den Google-Standort Zürich?
Das ist noch einmal eine Vertiefung, nach der Eröffnung des KI-Labs und der neuen Büros an der Europaallee. Und ich hoffe, dass das Rechenzentrum in ein paar Jahren grösser ist als ursprünglich gedacht, so wie das auch bei den Büros selber der Fall war. Da dachten wir anfangs auch nicht, dass das mal der grösste Standort ausserhalb der USA wird.

Und was bedeutet die für die Anzahl Mitarbeiter hierzulande?
Der Betrieb des Rechenzentrums selbst braucht nicht so viele Personen, vielleicht ein Dutzend. Aber Google Schweiz wird trotzdem weiterwachsen. Das Land ist entscheidend für uns. Viele Funktionen unserer Leuchtturmprodukte kommen von hier.

Weiterwachsen heisst konkret?
Wir haben derzeit rund 2500 Leute hier. In drei Jahren, wenn der letzte Teil der Europaallee bezugsbereit ist, haben wir Platz für bis zu 5000 Mitarbeiter. Das heisst aber nicht zwangsläufig, dass wir dann auch 5000 haben. Wir machen keine Mehrjahrespläne für einen Standort. Aber es würde mich freuen – es wäre nicht nur für die Schweiz gut, es würde auch bedeuten, dass es bei uns gut gelaufen ist.

Bekommt Google genug Arbeitsbewilligungen für ausländische Fachkräfte?
Im Moment schon. Aber das ist durchaus ein Thema.

Was passiert, wenn die SVP-Initiative zur Kündigung der Personenfreizügigkeit angenommen wird?
Das wäre sehr schädlich. Wir haben 85 Nationen im Haus. Wir sind darauf angewiesen, von überall auf der Welt Leute anzuziehen. Wenn wir das nicht mehr können, sehe ich keine Chance, dass wir auf 5000 Arbeitsplätze kommen. Denn in der Schweiz werden generell bei weitem nicht genug Fachkräfte ausgebildet.

«In der Schweiz hat der Informatiker noch häufig den Ruf des ungewaschenen Nerds, der alleine in einem kleinen, dunklen Raum mit einer Pizza vor sich hin programmiert. Das muss sich ändern.»

Urs Hölzle

Was also muss sich ändern in der Schweizer Informatikausbildung?
In der Schweiz sind nur 10 bis 15 Prozent der Informatiker Frauen – wie vor 15 Jahren. In den USA hat sich der Frauenanteil in der gleichen Zeit knapp verdreifacht auf 40 Prozent. Informatik war letztes Jahr an der Stanford University der beliebteste Abschluss bei Frauen, nicht mehr Biologie wie in den 25 Jahren davor. Auch weil man dort intensiv daran gearbeitet hat, das Image der Informatik zu verändern. Das fängt schon in der Mittelschule an. Aber in der Schweiz hat der Informatiker halt noch häufig den Ruf des ungewaschenen Nerds, der alleine in einem kleinen, dunklen Raum mit einer Pizza vor sich hin programmiert. Das muss sich ändern.

 

Wie?
In den USA hat man die Informatik umgedeutet: Es geht nicht ums Programmieren, sondern ums Problemlösen. Und es ist ein Mannschaftssport – man arbeitet ja mit dem Anwender oder anderen Informatikern zusammen. Dazu braucht es natürlich auch die richtigen Lehrmittel. In der Schweiz passiert da leider immer noch nicht genug. Dabei gibt es keinen Grund, warum das hier nicht auch funktionieren sollte. Wenn wir es auch hierzulande schaffen würden, auf 40 Prozent zu kommen, wäre das eine Verdoppelung der Absolventen.

 

Google im Gebäude der ehemaligen Sihlpost an der Europaallee in Zürich.

Google im Gebäude der ehemaligen Sihlpost an der Europaallee in Zürich.

Quelle: Keystone

Warum bilden Sie dann selber hier nur fünf Informatiker aus pro Jahr?
Das ist nicht das gleiche Berufsbild: Dort liegt der Schwerpunkt auf IT-Anwendung, nicht auf IT-Entwicklung. In der ganzen Branche ist der Lehrlingsgang der Minderheitsweg. Wir können die Uni nicht ersetzen.

Nach dem Datenskandal bei Facebook ist weltweit ein neues Bewusstsein aufgekommen, welche Firmen welche Daten horten. Stellt das nicht auch das ganze Google-Geschäftsmodell in Frage?
Nein, das tut es nicht. Denn anders als es dort passiert ist, geben wir weder Ihre Daten noch die Ihrer Freunde weiter. An niemanden. Ihre persönlichen Daten sind mit Ihrem persönlichen Google-Account verbunden, und nur Sie allein haben Zugriff.

Trotzdem ist jetzt erst vielen Menschen bewusst geworden, was Google alles weiss. Und viele Leute fangen an, sich damit unwohl zu fühlen.
Einverstanden. Unsere Antwort darauf ist sehr einfach: Transparenz und Kontrolle. Bei uns kann jeder Benutzer einsehen, welche Daten über ihn gespeichert werden, und er kann das abstellen und die Daten löschen – etwa die Historie seiner Bewegungspunkte auf Google Maps oder die Aufnahmen des Sprachassistenten Google Home. Das entspricht auch der neuen europäischen Datenschutzverordnung. Wir bieten das schon seit Jahren.

Wie kommentieren Sie die Rekordstrafe von 4,3 Milliarden Euro durch die EU-Wettbewerbskommission?
Gar nicht. Ich konzentriere mich auf das Thema Technologie.

Wie Urs Hölzle als Technologiechef seit fast 20 Jahren den IT-Giganten Google prägt, lesen Sie in der aktuellen BILANZ, erhältlich am Kiosk oder mit Abo bequem im Briefkasten.

Abonnieren
BILANZ Abonnement

Das führende Schweizer Wirtschaftsmagazin deckt alle Facetten des Wirtschaftsgeschehens ab und betreibt personalisierten, recherchierten Wirtschaftsjournalismus.