Seit Monaten steht er im medialen Scheinwerferlicht: Der Schweizer Finanzexperte René Brülhart. Der ehemalige Präsident der vatikanischen Finanzaufsicht ist in Italien wegen seiner möglichen Rolle im Immobilienskandal bei der Vatikanbank angeklagt worden.

Trotz des öffentlichen Drucks hat der Freiburger Wirtschaftsjurist sein Verwaltungsratsmandat bei der Hypothekarbank Lenzburg behalten - bis jetzt: Brülhart gibt seinen Posten per sofort «aus privaten Gründen» auf, heisst es in der kurzen Mitteilung.

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Brülhart betont seine Unschuld

Bei dem Immobilienskandal geht es um den Kauf einer Luxusimmobilie in London, die dem päpstlichen Institut hohe Verluste bereitete. Ende Juli hat der Prozess begonnen. Brülhart - ehemals Präsident der vatikanischen Finanzaufsicht - wird Amtsmissbrauch vorgeworfen. Er betont seine Unschuld. 

Insgesamt stehen neun Männer und eine Frau vor Gericht. Die Beschuldigten müssen sich unter anderem wegen Veruntreuung, Geldwäscherei und Betrug im Zusammenhang mit dem Immobiliendeal im Londoner Stadtteil Chelsea verantworten. Der Prozess könnte sich Beobachtern zufolge über Jahre ziehen. Die nächste Verhandlung ist für den 5. Oktober angesetzt.

Kauf zum überhöhtem Preis

Im Mittelpunkt des Skandals steht der Kauf eines Geschäftshauses in der 60 Sloane Avenue in London, wie aus einem Bericht des Medienportals «Vatican News» hervorging. Dass der Vatikan in Immobilien investiert ist nicht ungewöhnlich, denn damit erwirtschaftet der Staat Einnahmen.

Der Vatikan kaufte das Haus dem Bericht zufolge allerdings letzten Endes für einen unangemessen hohen Preis, weil der Wert der Immobilie wohl überschätzt war.

Wurden die «Vatikan-Banker» getäuscht?

Im Zuge des Deals wurden die Vatikan-Vertreter zudem offenbar von einem italienischen Investmentbanker über den Tisch gezogen, als sie in den vollen Besitz des Gebäudes gelangen wollten.

Der Banker behielt beim Kauf vertraglich Anteile mit Stimmrechten, wodurch der Vatikan quasi die Entscheidungsbefugnis für die Immobilie verlor. Der Investmentbanker verlangte laut des «Vatican News»-Berichts daraufhin 23 Millionen Euro für die Rückgabe seine Anteile. Nach Verhandlungen bezahlte der Vatikan schliesslich 15 Millionen Euro dafür.

Spendengelder für Immobilienkäufe

Rund um die zahlreichen Geschäfte unter anderem im Jahr 2018 sollen zudem Provisionen und Spesen geflossen sein. Insgesamt dürfte der Vatikan für das Geschäft einen dreistelligen Millionenbetrag ausgegeben haben. Für den Kauf sollen auch Spendengelder aus dem Peterspfennig, einer jährlichen Kollekte unter katholischen Gläubigen weltweit, verwendet worden sein.

Ermittler kamen dem verlustreichen Geschäft im Sommer 2019 auf die Schliche. Das Istituto per le Opere di Religione (IOR), auch Vatikanbank genannt, wurde bei finanziellen Aktivitäten misstrauisch.

Die Behörden ermittelten daraufhin und es folgte eine Razzia beim Staatssekretariat. Die Akten in der Sache umfassen mittlerweile mehrere Hundert Seiten. Neben den zehn Personen erhob die Justiz auch Anklage gegen vier Firmen. Durch die Untersuchungen kam ein international weit verstricktes Netz zum Vorschein, das die Ermittler unter anderem in die Vereinigten Arabischen Emirate, Luxemburg und die Schweiz führte.

(mbü, ab dem dritten Abschnitt mit Material der sda)