Am Samstag wurde J. O. am Flughafen von Abu Dhabi verhaftet und nach Griechenland überstellt. Gestern wurde er von den griechischen Antikorruptionsrichtern vernommen. Der Franzose hatte für BNP Paribas vor allem in der Schweiz gearbeitet. Er steht unter Geldwäscheverdacht in einer Reihe Affären mit politischen Duftnoten, unter anderem griechische Rüstungsgeschäfte mit dem deutschen Konzern Krauss-Maffei Wegmann, dem schwedischen Konzern Ericsson oder der brasilianischen Firma Embraer.

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Auch im Siemens-Bestechungsskandal soll der 55-Jährige gebürtige Franzose eine Schlüsselrolle gespielt haben: Mitarbeiter von Siemens hatten 1997 etwa 70 Millionen Euro Schmiergelder an die griechische Telekommunikationsgesellschaft OTE gezahlt, um die Digitalisierung des griechischen Telefonnetzes übernehmen zu können. Rund ein Dutzend damaliger Siemens-Vertreter und rund 40 weitere Angeklagte stehen deshalb seit März in Griechenland vor Gericht.

Beginn mit Dresdner Bank

J. O. betreute für die Genfer Niederlassung der Dresdner Bank jahrelang vermögende griechische Kunden. Darunter befand sich auch Prodromos Mavridis. Der Ex-Siemens-Manager ist eine der Schlüsselfiguren in der Siemens-Affäre. Zwischen 1997 und 2004 schmierte der deutsche Konzern zahlreiche griechische Beamte und Politiker, um sich lukrative Staatsaufträge in Millionenhöhe zu sichern. Dabei ging es neben der Digitalisierung des Telekomnetzes auch um ein Sicherheitssystem für die Olympischen Spiele. Für Siemens ist die Affäre abgeschlossen. 2012 einigte sich das Unternehmen mit Griechenland auf einen Vergleich über 270 Millionen Euro.

Die griechische Justiz ermittelte dennoch weiter gegen einstige Siemens-Manager und ihre Helfer - und seit der Verschärfung der Schuldenkrise ist auch eine Wiederaufnahme der Siemens-Korruption ein Thema geworden. Dem Genfer Banker J. O. wurde Beihilfe zur Bestechung und Geldwäscherei vorgeworfen. Er bestreitet alle Vorwürfe und hätte Mitte 2013 nach Athen fliegen sollen. Er trat die Reise aber nicht freiwillig an. Der Schweizer Banker sollte vor dem Untersuchungsrichter am Obergericht Athen erscheinen und als Beschuldigter in der Siemens-Bestechungsaffäre einvernommen werden.

Drehscheibe Genf

Am 8. Juli 2013 hätte O. J. vor Gericht erscheinen müssen. Er seufzte, als er darauf angesprochen wurde: «Es stimmt, ich wurde nach Athen vorgeladen.» Auch das Bundesamt für Justiz bestätigte die Zustellung. Die Dresdner Bank in Genf existiert nicht mehr. Sie wurde 2009 von der liechtensteinischen LGT Group übernommen. Doch das Interesse der griechischen Ermittler am Genfer Institut ist ungebrochen.

«Wir wussten, dass nicht alles richtig war»

«Ich wusste nicht, was Siemens tat», wehrt sich J. O. Der Siemens-Mann Mavridis habe ihm gesagt, dass er das Geld auf den Konten der Dresdner Bank für Immobiliengeschäfte benötige. Soweit J. O. das beurteilen konnte, stimmte das. «Weshalb sollte er mir überhaupt sagen, dass er das Geld brauchen würde, um griechische Beamte zu schmieren?», rechtfertigt sich der einstige Dresdner-Bank-Mitarbeiter. Ohnehin liege das Ganze schon Jahre zurück. Mit den einstigen Geschäftspartnern habe er seit 2005 keinen Kontakt, die wichtigen Siemens-Leute habe er gar nie getroffen, behauptet er heute. «Ich tat alles nach den Regeln der Bank», sagt J. O. Er habe nie einen Verdacht gehegt. Auch weil die Kontoeröffnungsunterlagen von Mavridis von einem Generaldirektor der Dresdner Bank und dem Compliance-Verantwortlichen unterzeichnet worden sein sollen. Und er fügt an: «Wir wussten, dass nicht alles richtig war, was wir taten, aber es wurde von der Bank akzeptiert.»

Bereits 2006 hatte er mit der Justiz kooperiert. Dabei machte er einen wohl folgenschweren Fehler. Die Erklärung, die der Banker damals abgab, soll schlecht ins Griechische übertragen worden sein. «Der Übersetzer muss sehr wenig vom Finanzwesen verstanden haben», sagt J. O. Viele der Anschuldigungen der Athener Staatsanwaltschaft seien auf das schlecht übersetzte Dokument zurückzuführen.

«Blackbox»

J. O. fühlt sich heute verloren. «Für mich ist das Ganze eine Blackbox», sagt er. Er spricht kein Griechisch, und sein Vertrauen in die Athener Justiz ist gering. Der Schweizer Anwalt empfahl ihm daher, nicht nach Athen zu reisen. Sein griechischer Anwalt riet ihm das Gegenteil, er solle hin. J. O. spielte mit dem Gedanken, hinzugehen - aber nur, wenn er die Gewissheit gehabt hätte, dass er wieder nach Hause reisen könnte. Doch diese Zusicherung wurde ihm von den griechischen Behörden nicht gegeben.

J. O. ist nicht der Einzige, der sich diese Frage stellte. Auch Ex-Vorstandsmitglieder des Münchner Siemens-Sitzes erhielten eine Vorladung zur Einvernahme zugestellt. Ignorieren sie die Vorladungen und erscheinen nicht persönlich, hat der Untersuchungsrichter das Recht, internationale Haftbefehle gegen sie zu erlassen.

Fehlerhafte Dokumente

J. O. stand schon einmal vor dieser Entscheidung. Im Mai 2013 wollte der Banker von sich aus nach Athen reisen und sich vor der Justiz rechtfertigen. Um sich darauf vorzubereiten, liess er sich die Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft zukommen. Dabei stellte sich heraus, dass die Dokumente voller Fehler waren. So wurde etwa behauptet, dass J. O. einst bei der Dresdner Bank in Athen angestellt gewesen sei oder dass er die Fonds von Mavridis verwaltet haben soll. Beides ist laut J. O. falsch und liesse sich seiner Ansicht nach leicht richtig stellen. Weshalb das nicht geschah, verwunderte ihn.

In Athen wollte er keine griechischen Dokumente unterzeichnen, sondern nur solche, die er auch lesen konnte. Das war für die Justizbehörden in Athen nicht möglich. Also reiste er nicht. Ein ehemaliger Kollege ging trotzdem hin - mit Erfolg. Sein Verfahren wurde eingestellt.

Auch J. O. hätte 2013 wahrscheinlich keine schlechten Karten gehabt. Der Rechtsanwalt Ilias Bissias, der in der Siemens-Angelegenheit ehemalige Top-Manager im griechischen Strafverfahren ebenso vertrat wie im Rechtshilfeverfahren in der Schweiz, erklärte, dass er die Anordnung einer Untersuchungshaft für den beschuldigten Schweizer Banker im Anschluss an dessen Einvernahme für fast ausgeschlossen hielt. Beschuldigte, die im Ausland leben und denen bei Wirtschaftsdelikten eine Teilnehmerfunktion vorgeworfen wird, kämen selten in Untersuchungshaft. In der Regel werde eine Sicherheitsleistung angeordnet, so der Anwalt.

Die Untersuchung in der Siemens-Angelegenheit wurde in Athen von drei erfahrenen Oberrichtern geführt. Wenn der beschuldigte Schweizer Banker bei seiner Einvernahme ihnen gegenüber seine Position darlegte und etwaige Verfahrensfehler rügt, hat er eine gute Chance, seine Rechtsstellung zu verbessern. Schlechter stehen die Chancen, wenn er nicht nach Athen fährt. Und er muss laut Bissias mit einem internationalen Haftbefehl rechnen. Trotz dieser Einschätzung wusste J. O. nicht, wie er sich verhalten soll: «Ich fühle mich in der Falle.» Mit Griechenland hatte er dennoch nicht abgeschlossen, er wollte Griechisch lernen, wenn er die Zeit findet.

*Name der Redaktion bekannt.

Mitarbeit: Christian Bütikofer