Kürzlich titelte die «Handelszeitung»: «Ü50-Party: So alt sind die Verwaltungsräte im SMI.» Laut dem Artikel sind mehr als die Hälfte der Verwaltungsräte über 60 Jahre alt, nur 1,42 Prozent sind 39 oder jünger. Dass es auch anders geht, zeigen einige mittelgrosse Schweizer KMU wie beispielsweise die Engineering-Gruppe HHM, welche mich vor drei Jahren mit rund 29 Jahren im Rahmen eines Executive-Search-Prozesses für ihren Verwaltungsrat rekrutierte.

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Gemäss der Ausschreibung suchten sie jemanden, der die Themenfelder digitale Transformation, Innovation, Kommunikation, Ökosystemdenken und Nachhaltigkeit strategisch abdecken würde.

Fünffache Verwaltungsrätin mit 32 Jahren

Sunnie J. Groeneveld ist fünffache Verwaltungsrätin von mittelgrossen Schweizer Unternehmen. Die 32-Jährige war zudem die erste Geschäftsführerin von Digitalswitzerland. Vor ihrem Abschluss in Economics an der Yale Universität in den USA lebte und arbeitete Groeneveld im Silicon Valley und in New York.

In den vergangenen drei Jahren habe ich vier weitere Verwaltungsratsmandate bei mittelgrossen Schweizer Firmen im IT-, Krankenversicherungs-, Kommunikations- und Mediensektor angenommen. Diese Zusammenarbeit hat meine Überzeugung bestärkt, dass interdisziplinäre, altersdurchmischte Strategiegremien als Erfolgsfaktor für Unternehmen immer wichtiger werden.

Denn die Zukunft ist volatil, ungewiss, komplex und mehrdeutig. Nicht nur die Covid-19-Pandemie, sondern auch langfristige Herausforderungen wie die branchenübergreifende Digitalisierung, der Klimawandel und die Globalisierung spitzen sich zu. Unternehmensstrategien, die nur inkrementelle Optimierungen des Status quo darstellen, reichen nicht mehr aus, um unsere Organisationen zukunftsfähig auszurichten.

Die Zusammensetzung von Strategiegremien muss daher neu gedacht werden. In einem Kontext, wo es beim Thema Leadership nicht mehr so sehr um «Run the Business», sondern viel mehr um «Change the Business» geht, ist jahrzehntelange, operative Erfahrung nicht das Mass aller Dinge. Und entsprechend ist auch die Idee, dass man über fünfzig oder gar sechzig Jahre alt sein muss, um als Verwaltungsrat einen strategischen Beitrag an die Zukunft des Unternehmens leisten zu können, überholt.

Alter ist auch ein immer weniger taugliches Mass für Erfahrung. Denn in einigen Strategiethemenfeldern haben jüngere Menschen heutzutage mehr Erfahrung als ältere. Insbesondere bei digitalen Technologien, die relativ neu sind: Facebook wurde 2004 an einer amerikanischen Universität gestartet und erst 2006 für eine breite Öffentlichkeit lanciert. Viele jüngere Leute haben sich seither intensiver mit Social Media auseinandergesetzt als ältere. Wenn eine Fünfzehnjährige 2006 mit Social Media angefangen und das konsequent gemacht hat, dann ist sie heute noch keine dreissig und trotzdem die Erfahrenste von allen. Dasselbe gilt für das iPhone und den dazugehörigen App Store, den es seit 2007 beziehungsweise 2008 gibt. Man kann also nur zwölf Jahre Erfahrung mit Mobile Apps und darauf basierenden digitalen Geschäftsmodellen haben.

Damit die Schweizer Wirtschaft auch in Zukunft stark und innovativ bleibt, ermutige ich die heutigen Verwaltungsratspräsidenten, Erfahrung als Kriterium bei Neubesetzungen offener und weitsichtiger auszulegen. Gleichzeitig wünsche ich mir, dass mein Werdegang als 32-jährige fünffache Verwaltungsrätin keine statistische Ausnahme bleibt. Es gibt zahlreiche herausragende Menschen in meiner Generation, von denen einige in Verwaltungsräten viel strategisch bewirken könnten, wenn man sie denn zur Wahl aufstellen würde.