Seit gut einem Jahr ist Volker Merk Chef der Schweizer Niederlassung des deutschen Softwarekonzerns SAP. Merk hatte zuvor neun Jahre am Hauptsitz seines Arbeitgebers in Walldorf bei Heidelberg gearbeitet. Wie waren der Start und das unvermeidliche Knüpfen von Beziehungen? «Hier bestehen sehr enge Beziehungsnetze; jeder kennt jeden, und es braucht Zeit, da hineinzukommen», beschreibt er die Herausforderungen, Kontakte mit Partnerfirmen und Kunden herzustellen. «Die grossen Partner wie IBM und Accenture gehen ihre eigenen Wege, unabhängig davon, wie sie betreut werden, und die meisten schweizerischen Grosskunden sind sehr international aufgestellt und wollen auch international betreut werden.»

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Für das Geschäft mit den mittelgrossen Kunden sind die kleineren Partner wichtig; mit ihnen trifft sich Merk regelmässig. «Das funktioniert gut in der Schweiz, es ist schwieriger in anderen Ländern, solche Kontakte herzustellen.» Den Golfplatz hält Merk für den Kontakt zu Kunden für wichtig. «Aber ich kenne auch genug CEO, die selber gar kein Golf spielen; letztlich kommt es darauf an, ob man fachlich kompetent auftritt. Zudem braucht es ausreichend Zeit, um gut zu spielen.» In seiner Freizeit erholt sich Merk beim Bergwandern und Tennis.

Die ist auch bei Merk knapp. Morgens ist er zwischen sieben und halb acht im Büro, die Abende enden gelegentlich erst um 22 Uhr nach Meetings. «Da muss man sich auch privat gut abgrenzen können», sagt Merk, «aber an den Wochenenden schalte ich ab, ich versuche, die ganze Arbeit während der Woche zu erledigen.» Den Blackberry lässt er an Wochenenden ausgeschaltet. Wirklich ganz? «Na ja, aber ich schaue nicht regelmässig rein. Höchstens mal eine halbe Stunde».

Betriebswirtschaftler und Ingenieur

Seine Frau arbeitet Teilzeit. «Wir haben ein anderes Schulsystem in Deutschland, und wir finden es gut, wenn über Mittag jemand für die Kinder da ist.» Die Kinder haben natürlich ihre Laptops. «Aber wir haben keinen Kühlschrank mit Internet-Anschluss.» Sein Sohn und seine Tochter wissen auch genau, wo und in welcher Funktion er arbeitet. «Wobei die Tochter beruflich eher in meine Richtung gehen könnte sie ist sehr gut in Mathematik.» Wird sie beruflich in die Fussstapfen des Vaters treten? «Den Entscheid überlasse ich ihr, aber ich würde es auch nicht forcieren.»

Merk selber hatte an der Technischen Universität Berlin in seinem Studium Betriebswirtschaftslehre mit Maschinenbau kombiniert. «Das lag auch daran, dass mein Vater aus dem Maschinenbau kam.» Er selber hatte seinen Schwerpunkt eher auf Betriebswirtschaftslehre gelegt und einen Abschluss als Wirtschaftsingenieur. Viele Hochschulabsolventen sind heute noch einseitig entweder technisch oder betriebswirtschaftlich ausgerichtet, und gerade für die mit Ingenieur-Hintergrund wird dann eine betriebswirtschaftliche Weiterbildung wie ein MBA-Abschluss wichtig.

Welchen Stellenwert hat ein solcher Titel? «Vor 20 Jahren war das noch nicht so relevant; ich würde aber auf jeden Fall einen Auslandaufenthalt vorziehen, unabhängig vom Abschluss, den jemand mitbringt, denn die internationale Erfahrung ist sehr wichtig.»

Technologie dominiert auch den Arbeitsalltag von Merk. Wobei er auch selber eingreift. «Ich komme aus dem Finanzbereich und hatte mit dem Aufbau von Informationssystemen zu tun, deshalb habe ich eine Affinität dazu und lasse mir nicht alles aufbereiten, sondern gehe selber in unser System.» Merk wird denn auch von Angestellten vor dem Hintergrund der Controller-Laufbahnstationen als «sehr exakter Zahlenmensch» beschrieben.

Das «Do-it-yourself» hat bei SAP Tradition. «Selbst unser CEO Henning Kagermann analysiert die Kennzahlen selber im System.» Und wer führt bei Merk den Terminplan? «Das macht meine Assistentin.» Immer? «Nein, manchmal trage ich die Termine selber ein, sie ist dann immer ganz überrascht».

Gegen das Quartalsdenken

Was macht eine Funktion als Chef einer Landesorganisation nach einer Reihe von internationalen Verantwortlichkeiten wie der Chefposition für das Corporate Controlling, Finanzchef für die Region Europa, Mittlerer Osten und Afrika sowie zuletzt als Chef der globalen Feldorganisation so attraktiv? «Es ist sicher die Nähe zu den Kunden, aber hinzu kommt auch, dass das Unternehmen in der Zeit, während deren ich in Walldorf gearbeitet hatte, stark gewachsen ist. Man versucht dann, Strategien, gestützt auf alle zur Verfügung stehenden Informationen, festzulegen, aber die Realität sieht dann oft anders aus.»

Merk hat hier bei seinen über 500 Mitarbeitern den notwendigen Spielraum. «Ich bin selbstständig, kann eigene Ideen durchsetzen und Schwerpunkte setzen.» Ist der Quartalsdruck bei SAP kleiner als bei Oracle oder Microsoft? «Nein, der ist natürlich schon da, wir werden von Analysten ganz schön unter Druck gesetzt, wenn das letzte Quartal nicht so gut war wie das im Vorjahr, aber ich versuche, das Quartalsdenken wieder etwas abzuschwächen», sagt Merk, «wir können nicht kurzfristig denken, sondern wollen eine langfristige Beziehung mit unseren Kunden pflegen.» Dennoch spielen gerade Grosskunden bei ihren Softwareherstellern ihre Macht aus und versuchen, Rabatte in den letzten Tagen vor Quartalsabschluss herauszuschlagen. «Ja, das trifft zu, auch wenn das schon wieder etwas nachlässt.»

Denn die Märkte sind gesättigt. Wie will Merk mit seinem Unternehmen weiter wachsen? «Oberhalb des KMU-Bereiches haben wir bezüglich der Anzahl der Kunden eine Marktdurchdringung zwischen 70 und 80%, wir haben aber noch weiteres grosses Potenzial.» SAP hatte bisher oft nur den Back-Office-Bereich bei seinen Kunden abgedeckt. «Aber jetzt bewegen wir ins in Richtung Front-Anwendungen und Industrielösungen und damit in völlig neue Bereiche.» In einigen Bereichen sind aber immer noch die Eigenentwicklungen der Kunden die grössten Herausforderungen, noch grösser als die Mitbewerber.

Innovativer Mittelstand

«Wir müssen Firmen davon überzeugen, dass sie die eigenen Ressourcen besser für die Integration von Software und Geschäftsprozessen verwenden.» Gerade die mittelgrossen Kunden können es sich auf Dauer gar nicht leisten, eine Eigenentwicklung zu betreiben.

Bei vielen Kunden beobachtet Merk einen Paradigmenwechsel, «Bisher wurde IT als Back-Office-Unterstützung wahrgenommen, jetzt aber geht es darum, IT als strategischen Waffe einzusetzen, um innovativ zu bleiben.» «Wachstum durch innovative Technologien» versprach Merk bei seinem Start vor einem Jahr als Erfolgsrezept heisst dass jetzt konkret, «besser anwenden» oder «mehr mit entwickeln»? «Dadurch dass wir mit vielen Firmen aus unterschiedlichen Branchen Kontakte haben, sind wir in der Lage, Best Practices zu entwickeln und solche Erkenntnisse weiter zu entwickeln, daraus ergibt sich dann auch ein Wettbewerbsvorteil für Kunden.»

KMU haben andere Entscheidungswege als Grossfirmen. «Hier entscheidet oft auch noch der Eigentümer mit, und es gibt auch nicht ein starres IT-Budget, deshalb ist hier mehr Überzeugungsarbeit notwendig», beobachtet Merk. «Aber der Entscheidungsprozess selber ist dann teilweise rascher, der Entscheid wird einfach getroffen und durchläuft nicht so viele Stufen.» In diesem Segment zählt weniger die Internationaliät. «Aber die Komplexität der Prozesse ist auch hier unglaublich hoch. Der Mittelstand ist erstaunlich innovativ.»



Steckbrief

Name: Volker Merk

Funktion: Managing Director SAP (Schweiz) AG

Alter: 48

Wohnort: Buchs, Zürich

Familie: Verheiratet, zwei Kinder

Karriere

1994-1999 Chef des Corporate Controlling, SAP AG

1999-2001 Chief Financial Officer, Region Emea, SAP AG

2001-2004 Senior Vice President, Global Field Organisation, SAP AG

Seit 2004 Managing Director, SAP (Schweiz) AG

Firma

SAP ist mit einem weltweiten Umsatz von 7,5 Mrd Euro mit Abstand Weltmarktführer bei Software, mit der Unternehmen ihre Ressourcen, Lagerbestände und Mitarbeiter verwalten sowie die Kundenbeziehungen managen. In der Schweiz setzt SAP mit rund 500 Mitarbeitern etwa 450 Mio Fr. um. Bei Grossunternehmen ist die Marktpenetration hoch. Das Wachstum soll durch Mehrverkäufe an kleinere und mittlere Kunden und durch neue Infrastruktur-Software erzielt werden. In der Schweiz verwenden 150 KMU-Kunden das «Business One»-Softwarepaket, 800 das «All-in-One»-Paket.