Viele Grundversicherte haben vergangene Woche nicht schlecht gestaunt, als erneut eine Krankenkasse mit Millionenverlusten aufgetaucht ist. Die Billigkasse Assura hatte einen Jahresfehlbetrag in der Grundversicherung von 258 Millionen Franken vermeldet. Kurz zuvor war bereits die Dübendorfer Krankenkasse Kolping in die Schlagzeilen geraten, weil sie für unerledigte Leistungsfälle zu wenig Geld beiseite gelegt und die Beseitigung dieses Missstandes ebenfalls zu einem Millionenverlust geführt hatte. Vielerorts fragt man sich, wie viele solcher Problemfälle gibt es eigentlich in der Branche?

Das Bundesamt für Gesundheit BAG, also die zuständige Aufsichtsbehörde, kann sich zu dieser Frage offenbar nicht äussern. «Wir prüfen derzeit die Jahresabschlüsse 2015 sowie die Reserven der Krankenkassen. Wie in den vergangenen Jahren werden all diese Daten im September publiziert», sagt die verantwortliche Leiterin der Versicherungsaufsicht für Krankenkassen beim BAG, Helga Portmann, gegenüber der Nachrichtenagentur sda.

Auch zur Frage, ob das BAG in die Geschäftstätigkeit von Krankenkassen eingegriffen hat, gibt sich die Behörde zugeknöpft. Allfällig angeordnete Massnahmen werden vom BAG zu gegebener Zeit der Öffentlichkeit kommuniziert, hält die Behörde fest.

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Schwierige Prognosen

Portmann zählt allerdings einige Gründe auf, weshalb Krankenkassen in die Verlustzone rutschen können, obwohl die Prämien kostendeckend sein müssen und die Aufsichtsbehörde streng darüber wacht. Erstens liegen derzeit vielerorts die Kapitalerträge deutlich tiefer, als noch zum Zeitpunkt der Prämiengenehmigung angenommen worden war.

Zweitens können die Schätzungen bei den Leistungen stärkeren Schwankungen unterliegen, falls Krankenkassen die Rechnungen erst nach Einreichung durch die Versicherten und nicht direkt an Leistungserbringer vergüten. Die tatsächlichen Informationen über die angefallenen Leistungen treffen in einem solchen Fall nämlich viel später bei den Krankenversicherern ein und das macht Schätzungen anfälliger.

Und schliesslich führt laut Portmann auch ein hohes Kundenwachstum dazu, dass die Prognosen der Krankenkassen stärker schwanken, denn den Versicherern fehlen dann noch Erfahrungswerte darüber, wie krank die Neukunden sind.

Verlust der Grundversicherung nicht planbar

Daher setzt Portmann auch Fragezeichen zu Aussagen, wie sie unlängst vom Visana-Konzernchef Urs Roth getätigt wurden, wonach seine Gesellschaft den Verlust der Grundversicherung exakt so geplant habe.

Die Versicherungsgesellschaften kennen nämlich erstens die Entscheidungen ihrer Kunden bezüglich Franchise, des Versicherungsmodells oder bezüglich eines Wechsels zu einer anderen Krankenkasse im Vorfeld nicht.

Zweiten weiss eine Krankenkasse während der Planung seiner Prämien die konkreten Leistungskosten des kommenden Jahres noch nicht und kann diese nur schätzen. Drittens kennt eine Gesellschaft logischerweise die Konkurrenzangebote und deren Prämien nicht und muss über deren Auswirkungen in der neuen Prämienrunde gewisse Annahmen treffen.

Und viertens hat der Risikoausgleich unter den Krankenkassen einen Einfluss auf das Jahresergebnis, dessen Geldflüsse aber das Management einer Krankenkasse im Planungsprozess der Prämien auch nur abschätzen kann.

Liste der Sorgenkinder

Geht das Sterben der Krankenkassen angesichts der hohen Verluste 2015 weiter? Zu Beginn des Jahres 2009 hatte das Verzeichnis der zugelassenen Krankenkassen des BAG 89 Einträge. Anfang 2016 waren auf der Liste, welche die Grundversicherung umfassend anbieten, noch 59 Gesellschaften aufgeführt. Demnach sind in nur wenigen Jahren 30 Anbieter verschwunden. Mit der Übernahme der Kopling durch die Basler Sympany-Gruppe dürfte es langfristig also wieder eine Kasse weniger geben.

Da das BAG noch zu weiteren Problemfällen der Branche und zu angeordneten Massnahmen schweigt, geben allenfalls die Ergebnisse des KVG-Solvenztests 2015 gewisse Anhaltspunkte über mögliche Schieflagen. Die Solvenzquote, die eine ausreichende Kapitalausstattung eines Versicherers signalisiert, lag zum Beispiel bei der verlustreichen Kolping lediglich bei 75 Prozent des vorgeschriebenen Mindestsatzes von 100 Prozent.

Gesellschaften mit geringer Solvenzquote

Negativ fallen auf der BAG-Liste auch vergleichsweise geringe Werte der folgenden Gesellschaften auf: Die Krankenkasse KLuG hat nur 82 Prozent. Diese Gesellschaft hat für das Geschäftsjahr 2015 auch einen Verlust von 4,2 Millionen Franken erwirtschaftet und dies nach einem Jahresfehlbetrag von fast 1 Million Franken im Vorjahr.

Die Caisse maladie Vallée d'Entremont kommt auf eine niedrige Solvenzquote von 93 Prozent, wobei die Firma 2015 auch einen Verlust ausweisen musste.

Die Krankenkasse KPT kommt nur auf einen Solvenzwert von gerade einmal 100 Prozent. Die Grundversicherungsgesellschaft konnte sich nach einem Verlust von rund 20 Millionen Franken im Jahr 2014 im vergangenen Jahr lediglich auf eine «schwarze Null» retten. Easy Sana und EGK erreichen ebenfalls nur 100 Prozent an Solvenz. Etwas über den geforderten 100 Prozent landen die ÖKK (108 Prozent), die Krankenkasse Stoffel (107 Prozent), Philos (111 Prozent) und Sansan (105 Prozent).

Beanstandete Kapitaleinschüsse

Das BAG hat zudem Kapitaleinschüsse bei einigen Gesellschaften beanstandet, ohne die die Solvenzquoten aber in unschöne Bereiche gefallen wären. So kamen etwa die CSS Kranken-Versicherung AG inklusive der monierten Einschüsse auf 108 Prozent und die Avanex nur auf 101 Prozent.

Wie schnell sich die Situation bei einer Krankenkasse verschlechtern kann, zeigt sich allerdings am Wert der Assura: Obwohl die Krankenkasse in die Mega-Verlustzone geraten ist, lag die Solvenzquote des BAG bei hohen 154 Prozent.

(sda/ccr)