Der VW-Konzern hat mit einer Mischung aus Demut und Reformwillen bei seinen Aktionären um Rückhalt für den Weg aus der Abgas-Affäre geworben. «Volkswagen ist mehr als diese Krise. Unser Konzern verfügt über Qualitäten, die nicht über Nacht verloren gegangen sind», sagte VW-Konzernchef Matthias Müller am Mittwoch vor den Anteilseignern bei der VW-Hauptversammlung in Hannover. Die Führungsspitze des Konzerns musste sich auf dem Aktionärstreffen auf harte Kritik einstellen. Vor allem VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch wurde schon vor der Versammlung scharf attackiert.

Die Anteilseigner monieren einen angeblichen Interessenkonflikt - Pötsch war in der Abgas-Krise vom Posten des Finanzchefs direkt an die Spitze der Kontrolleure gewechselt. Mehrere Aktionäre beantragten daher die Abwahl von Pötsch als Leiter der Hauptversammlung.

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VW will guter «Unternehmensbürger» werden

Müller, Nachfolger des im Abgas-Skandal zurückgetretenen Vorstandschef Martin Winterkorn, nannte als Ziele wirtschaftliche und ökologische Nachhaltigkeit, mit der der Autobauer zum Dienstleister für Mobilität werden wolle. Nach dem Beben der Affäre um manipulierte Diesel-Fahrzeuge muss VW laut Müller hart daran arbeiten, künftig wieder ein «guter Unternehmensbürger» zu werden, «der seinen Beitrag für das gesellschaftliche Wohl und eine intakte Umwelt leistet».

Die neue Strategie, mit der Europas grösster Autobauer unter anderem Milliarden in Elektrofahrzeuge und die Digitalisierung stecken will, sei kein «Weiter so», sondern ein grundlegender Wandel. «Wir haben damit den Startschuss gegeben für den grössten Veränderungsprozess in der Geschichte von Volkswagen», kündigte Müller an und versprach den Aktionären: «Wir werden gestärkt aus dieser Situation hervorgehen.»

VW am Scheideweg

Pötsch bezeichnete die Diesel-Krise als historischen Scheideweg. «Volkswagen steht in diesen Tagen vor der grössten Bewährungsprobe seiner Unternehmensgeschichte.» Als zentrale Punkte für den Weg aus der Krise nannte der Chefkontrolleur neben der Aufklärung der Affäre die Einigung mit den Behörden und Klägern in den USA. Dort flog der Skandal auf, es drohen für Rückrufe und Strafen Milliardenkosten.

Für den Kompromiss in den USA hatte der zuständige Richter Charles Breyer jüngst eine Frist verlängert bis zum 28. Juni. «Ich hatte gehofft, Ihnen heute schon über einen umfassenden Vergleich in den USA berichten zu können», sagte Pötsch.

Freigabe für Rückruf

Pötsch warb zudem um Verständnis für den bisher fehlenden Zwischenbericht über die Aufklärung der Abgas-Krise. Zum verschobenen Zwischenstand bei der Schuldfrage in der Affäre, den VW ursprünglich für April zugesagt hatte, sagte er in Hannover: «Wir bedauern dies sehr. Diese Entscheidung war auch für mich persönlich sehr schwierig.» Hintergrund sei die nötige Rücksicht auf eine Einigung mit den Behörden in den USA. Die Gemengelage bei den dortigen heiklen Verhandlungen mache eine öffentliche Transparenz mit Details zu den bisherigen internen Ermittlungen unmöglich. Müller sagte, die Ausarbeitung der finalen Vereinbarungen in den USA schreite voran.

Derweil kommt VW beim Kampf gegen die Altlasten der weltweit elf Millionen manipulierten Diesel voran. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) habe die Freigabe für europaweit rund eine Million zusätzliche Fahrzeuge erteilt, sagte Müller. Damit hätten auf dem Heimatkontinent mittlerweile mehr als 3,7 Millionen Diesel grünes Licht für die Nachbesserungen. Wie zuvor geht es dabei zunächst nur um die 2,0 Liter grossen Varianten des Skandalmotors EA189. Die kleineren Maschinen mit 1,2 und 1,6 Liter Hubraum sollen später im Jahr folgen.

8,5 Millionen Autos in Europa betroffen

Der Autobauer nähert sich damit beim Rückruf zusehends der Marke der 50 Prozent, denn in Europa sind insgesamt etwa 8,5 Millionen Wagen betroffen. Die Halter der Wagen mit Freigabe werden in den nächsten Tagen angeschrieben und können in die VW-Vertragswerkstätten fahren.

Für Deutschland, wo rund 2,5 Millionen Diesel-Fahrzeuge für die Nachbesserungen zum Rückruf müssen, gilt die Faustformel, dass etwa ein Drittel der bisherigen europaweiten Freigaben auf den Heimatmarkt entfällt. Damit sind hierzulande inzwischen rund 1,2 Millionen Wagen erfasst. VW will den Rückruf bis Ende des Jahres abgearbeitet haben.

Am Ende seiner Rede sagte Müller, er wolle nicht um Vertrauen bitten, weil sich Volkswagen das erst wieder verdienen müsse. «Daran arbeiten wir. Mit grosser Ernsthaftigkeit und mit ganzem Einsatz. Deshalb bitte ich Sie in diesem Jahr vor allem um eines: Dass Sie dem Volkswagen Konzern, dass Sie Ihrem und unserem Unternehmen die Treue halten.»

(awp/ccr)