Vorderhand sind die Zahlen unspektakulär, die Roche-CEO Severin Schwan – zum letzten Mal in dieser Rolle – vorgelegt hat. Der Konzernumsatz steigt um eine Milliarde Franken auf 63,3 Milliarden, der Reingewinn sinkt um 9 Prozent auf immer noch stolze 13,5 Milliarden Franken. Vor allem letzteres dürfte die Anleger enttäuscht haben. So gab der Genussschein der Roche um etwa ein Prozent nach.

Deutlich spektakulärer sind die Verschiebungen innerhalb des Zahlenwerkes. Und da gibt es vor allem ein Grossereignis: Die Covid-Pandemie. Wie kaum ein Unternehmen hatte der Basler Pharma-Konzern in den vergangenen Jahren von Covid-19 Profitiert. Einerseits, weil er passende Medikamente im Sortiment hatte. Aber vor allem, weil die Diagnostik-Abteilung der Roche die passenden Tests lieferte.

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Nun aber, und das wäre eigentlich eine gute Nachricht, läuft die Pandemie global aus und geht, so Roche-CEO Schwan an der Medienkonferenz, «in die endemische Phase über». Sprich: Aus dem Grossereignis wird eine normale Krankheit. Damit endet aber auch der Covid-Booster für die Roche-Umsätze.

2023: 5 Milliarden Franken weniger Corona-Umsatz

Noch im ersten Quartal 2022 hätten die Diagnostik-Umsätze coronabedingt um einen Viertel zugelegt, sagt der interimistische  Pharma-Chef Thomas Schinecker, der im März die Konzernführung übernehmen wird. Dann aber brach das Geschäft mit den Tests ein und zog das eigentlich weiterhin wachsende Diagnostik-Geschäft runter.

Um rund eine Milliarde Franken belastete dieser Effekt die Roche-Umsätze. Und für das laufende Jahr rechnet der Basler Riese  gar mit einem Umsatzrückgang wegen sinkender Corona-bedingte Verkäufe von fünf Milliarden Franken. Back to normal, gewissermassen.

Das Beispiel zeigt, wie gross die Dimensionen im Pharmageschäft sind. Beinahe schon beiläufig erwähnt die Konzernführung Wertberichtigungen im Umfang von 2,8 Milliarden Franken, weil sich die Hoffnungen bei gewissen Produkten nicht erfüllt haben. Roche hatte zuletzt mit einigen Flops Schlagzeilen gemacht, auch in der Kerndomäne Krebs: So hatte das Lungenkrebsmittel Tiragolumab bei Studien nicht ihre Ziel erreicht.

Noch grösser war die Enttäuschung im Bereich der Alzheimerforschung, wo Roches Wirkstoff-Kandidat Gantenerumab bei gross angelegten Studien scheiterte. «Das war für mich eine persönliche Enttäuschung», sagt der abtretende Konzernchef Schwan, der demnächst ins Verwaltungsratspräsidium wechselt. «Gerade in einem Bereich, wo der medizinische Bedarf so gross wäre.»

Die alten Krebsmedikamente sind heute weniger wichtig

Ein anderes Beispiel für die Klumpenrisiken: Die einstigen Blockbuster Avastin, Herceptin und Rituxan, die noch 2017 die Hälfte des Pharma-Umsatzes generierten, liegen inzwischen bei einem Bruchteil davon. Alleine das Krebsmedikament Avastin, dessen Patente inzwischen ausgelaufen sind, verlor 2022 mehr als 800 Millionen Franken Umsatz.

1,9 Milliarden Franken Umsatz gab die Roche im vergangenen Jahr an Konkurrenten ab, die ehemalige Roche-Exklusivitäten mit so genannten Bio-Similars – biotechnologischen Nachahmerpreparaten – kopieren. Im laufenden Jahr wird die Nachahmer-Medikamente Roche vermutlich noch 1,6 Milliarden Umsatz kosten, so Schwan.

Doch der Roche war es zuletzt gelungen, diese Löcher mit neuen Produkten zu stopfen. Und so liegen die Gesamtverkäufe der Pharmadivision heute zehn Milliarden oder rund einen Fünftel über den Werten von 2017. Man sei heute deutlich diversifizierter als damals, betont Schwan.

Einer der neuen Stars ist das MS-Medikament Ocrevus, das mittlerweile 6 Milliarden Franken Umsatz generiert und demnächst in einer neuen Form lanciert werde, die es einfacher mache, das Produkt zu verabreichen. Oder Hemlibra, ein Medikament gegen die Bluterkrankheit, das stark wächst und bereits 3,8 Milliarden Franken Umsatz macht. 

 

Roche bezahlte CEO und VRP deutlich besser als Novartis

Der scheidende Roche-CEO Severin Schwan hat im vergangenen Jahr 11,5 Millionen Franken verdient und damit gleich viel wie 2021. Schwan wird ab März den noch amtierenden VRP Christoph Franz ersetzen. Den CEO-Posten wird dann Thomas Schinecker übernehmen.

Unter den variablen Entschädigungskomponenten befinden sich im Bonus Genussscheine und Aktien mit einer Sperrfrist von 10 Jahren. Aufgrund der langen Sperrperiode berücksichtigt Roche für die Berechnung der CEO-Kompensation diese Titel mit einem reduzierten Verkehrswert von 55,8 Prozent. Werden diese gesperrten Titel vollständig miteinbezogen, liegt die Gesamtvergütung von Konzernchef Schwan für das vergangene Jahr bei etwas über 14 Millionen Franken.

Zum Vergleich: Der Novartis-CEO Vas Narasimhan musste 2022 eine deutliche Entschädigungsreduktion hinnehmen und bekam insgesamt noch 8,5 Millionen Franken.

Alle Mitglieder der Roche-Geschäftsleitung erhielten zusammen im Berichtsjahr 37,2 Millionen Franken nach 35,5 Millionen im Jahr 2021.

Der scheidende Verwaltungsratspräsident Christoph Franz verdiente in seinem letzten vollen Amtsjahr 5,9 Millionen Franken nach 5,2 Millionen im Vorjahr. Grund für die Zunahme ist insbesondere ein höherer Bonus. Er ist damit auch 2022 deutlich besser entschädigt als Novartis-Präsident Jörg Reinhard. Dieser erhielt 3,8 Millionen Franken. 

(awp)

Vorsichtiger Ausblick auf 2023

Insgesamt geht Roche für 2023 zu konstanten Wechselkursen von einem Rückgang der Umsätze im niedrigen einstelligen Prozentbereich aus. Der Kerngewinn je Titel dürfte ebenfalls im niedrigen einstelligen Prozentbereich zurückgehen. Ausserdem ist die Gruppe weiter bestrebt, die Dividende in Schweizer Franken zu erhöhen.

Der Gewinn pro Aktie hatte zuletzt stark zugenommen, weil Roche ein grosses Aktienpaket zurückgekauft hatte, das zuvor von der Konkurrentin Novartis gehalten wurde. Diese Aktien wurden vernichtet, weshalb sich der Gewinn nun auf weniger Aktien verteilt.

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