Die Europäische Kommission hat eine neue Richtlinie vorgestellt, um Plastikmüll vor allem in den Meeren und Stränden zu reduzieren. Der EU-Kommission zufolge ist 80 Prozent des Abfalls im Meer Plastikmüll – die Hälfte davon Einwegplastik und rund ein Viertel Plastikabfälle aus der Fischerei. Ein Teil dieses Plastiks soll nun in der EU verboten werden, für andere Produkte gibt es strengere Kennzeichnungspflichten. Künftig soll auf Plastikverpackungen deutlich auf die negative Umweltwirkung des Produkts hingewiesen werden, damit Konsumenten umweltschonender einkaufen.

Die Gesetzesinitiative ist Teil der EU-Plastikstrategie, die im Januar präsentiert wurde. Das Ziel: Bis im Jahr 2030 müssen 55 Prozent der Plastikverpackungen in der EU recycelt werden. Heute werden im EU-Durchschnitt weniger als 30 Prozent der 25 Millionen Tonnen Plastikmüll europaweit recycelt. Recycling-Spitzenreiter mit über 40 Prozent sind Norwegen und Schweden, gefolgt von Deutschland, der Tschechischen Republik und Spanien, die jeweils rund 35 Prozent Plastik recyceln.

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Schweiz ist abgeschlagen beim Plastik-Recyling

In der Schweiz ist der Verbrauch von Plastikverpackungen dreimal so hoch wie in anderen europäischen Ländern: 125 Kilogramm produziert jede Schweizerin und jeder Schweizer pro Jahr – im Jahr 2010 wurde 1 Million Tonnen verbraucht. Aber nur etwa 25 Prozent des Plastikmülls wird hierzulande wiederverwertet. Das nicht recycelte Plastik wird zur Energiegewinnung verbrannt oder nach Deutschland exportiert, bevor es in China landet. Bis vor einigen Monaten wurden Millionen Tonnen an Müll wie Plastik, Karton und Textilien nach China verschifft. Anfang 2018 lancierte China schliesslich ein Verbot für Plastikmüllimporte aus dem Ausland, das sukzessive umgesetzt wird, um die Umweltverschmutzung im eigenen Land zu reduzieren. Ein Grossteil der kritisierten Plastikwaren stammt allerdings aus China selbst.

Darum ist die Schweizer Plastikindustrie vom geplanten EU-Verbot auch nicht direkt betroffen: Die meisten Plastikprodukte werden ausserhalb der Schweiz produziert und importiert. Aber die Schweiz reagiert auf die internationalen Entwicklungen. Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) entwickelt gemeinsam unter Einbindung der Industrie eine Strategie, um das Recycling zu verbessern. Dabei geht es laut dem Plastikindustrieverband Swiss Plastics vor allem darum, ein gut funktionierendes Sammelsystem zu entwickeln. «Die Schweiz steht nicht still beim Thema Plastik-Recycling. Beim PET klappt das zur Zeit am besten - 83 Prozent der PET-Getränkeflaschen werden wiederverwertet. Das liegt vor allem am schlauen Sammelsystem», sagt Kurt Röschli, Geschäftsführer Technik bei Swiss Plastics.

Verbot von Strohhälmen und Co.

Die EU setzt Gebrauchsgegenstände aus dem Alltag auf ihre Liste. Konkret will die Brüsseler Behörde Einweg-Plastikprodukte wie Strohhälme, Plastikteller, Plastikkaffeelöffel, Wattestäbchen und Luftballonhalter aus Plastik verbieten – denn dafür gibt es preiswerte Alternativen. Der Gebrauch von Plastiktassen und Plastikbehältern für Take-Away-Essen hingegen soll vorerst nur reduziert werden.

Die Hersteller bestimmter Produkte wie Zigaretten, Plastiktüten, Verpackungen für Bonbons und Chips sollen in Zukunft die Kosten für Reinigung und Müllverarbeitung mittragen. Hygieneartikel wie Binden und feuchte Reinigungstücher sowie Luftballons müssen Hinweise auf den Verpackungen haben, wie die Produkte umweltschonend zu entsorgen sind. Ausserdem sollen die Konsumenten besser über die Gefahren von Plastikverpackungen informiert werden.

Chance für die europäische Wirtschaft

Die Vorreiterrolle Europas bei der Bekämpfung der Plastikverschmutzung der Weltmeere betont auch EU-Kommissar Jyrki Katainen, der für Wachstum und Investitionen zuständig ist. Den Kommissionsvorschlag sieht er gar als Chance für die europäische Wirtschaft, «indem wir neue Produkte auf den Markt bringen, nach denen die Nachfrage in der Welt in den nächsten Jahrzehnten gross sein wird».

Die Massnahmen sollen laut EU-Kommission den Ausstoss von CO2 um 3,4 Millionen Tonnen verringern. So könnten bis 2030 Umweltschäden im Wert von 22 Milliarden Euro vermieden werden. Auch Konsumenten könnten bis zu 6,5 Milliarden Euro durch die Plastikreduzierung sparen.

Umweltschützer reagieren unterschiedlich

Umweltschutzorganisationen begrüssen die Pläne der EU-Kommission zwar grundsätzlich, fordern aber weitere Schritte. Einige kritisierten den Vorschlag bereits im Vorfeld als zu vage, es fehle an klaren Zielvorgaben, da der Entwurf nur eine «beachtliche Reduktion» des Verbrauchs von Einwegplastik vorsieht. Weiterer Kritikpunkt ist, dass die Europäische Kommission beispielsweise nicht die Giftstoffe in Plastik verbietet.

«In dem Entwurf sind beispielsweise keine EU-weiten Reduktionsziele für Lebensmittelbehälter oder Einweg-Kaffeebecher festgelegt», kritisierte Greenpeace. Die Organisation forderte die Mitglieder des EU-Parlaments und die europäischen Regierungen auf, «weiter zu gehen und spezifische EU-weite Reduktionsziele festzulegen». Denn dem Gesetzesvorschlag der Europäischen Kommission müssen nun das Europäische Parlament und die EU-Mitgliedstaaten zustimmen. Bis zur Umsetzung könnten noch Jahre vergehen.

Weitere Initiativen

Einige EU-Länder oder einzelne Städte haben bereits im Vorfeld Massnahmen ergriffen, um das Plastikproblem in den Griff zu bekommen. Oslo will als erste Stadt der Welt Einwegplastik abschaffen, Grossbritannien führte im März ein Pfandsystem für alle Getränkeverpackungen, egal welchen Materials, ein. Dort haben sich auch einige Unternehmen, darunter die grössten Supermarktketten des Landes, freiwillig verpflichtet, Einwegplastik zu reduzieren.

Die europäische Mineralwasserindustrie hat gerade angekündigt, bis 2025 90 Prozent der Plastikflaschen zu recyceln – heute werden nur 60 Prozent im EU-Schnitt recycelt. Dazu hat sich mit Nestlé Waters als Mitglied im europäischen Branchenverband auch ein Schweizer Unternehmen verpflichtet. Nestlé hatte im April angekündigt, alle Verpackungen bis 2025 recycelbar oder wiederverwertbar zu machen.