Die Inszenierung war gelungen: Ren Jianxin, Chef von ChemChina und neuer Präsident des Basler Saatgutriesen Syngenta, lächelte mit seinem Schweizer CEO Erik Fyrwald vor den Kameras um die Wette. Ende Juni posierten die beiden für einen Gruppenhändedruck in der Basler Konzernzentrale von Syngenta. Anlass der PR-Übung waren der Abschluss der Übernahme des Agro-Riesen durch die Chinesen und die Einsetzung des neuen Verwaltungsrates. Chairman Ren hat mit dem teuersten Zukauf in der Geschichte seines Landes grosse Pläne: Der Umsatz soll verdoppelt werden, der Schweiz verspricht er «mehr Jobs und mehr Steuereinnahmen».

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Dennoch wird die Kritik am zunehmenden Ausverkauf von Schweizer Industrie-Ikonen lauter. Sogar SVP-Übervater Christoph Blocher rief in der «Weltwoche» nach einer staatlichen Genehmigung bei Übernahmen durch ausländische Käufer, sollten kritische Infrastrukturunternehmen oder Grossbanken betroffen sein. Doch das Wirtschaftsdepartement winkt ab; Dies sei nicht nötig, da Unternehmen wie die SBB dem Staat gehören.

Mit Blick auf das Ausland fällt indes auf, dass der Kreis der schützenswerten Unternehmen immer grösser wird: So hat sich die deutsche Bundesregierung vor kurzem mehr Macht zugeschanzt, um Auslands-Übernahmen unterbinden zu können. Sogar in den liberalen Niederlanden hatte Finanzminister Jeroen Dijsselbloem gefordert, dass auch sein Land eine Institution brauche, die Übernahmen durch ausländische Käufer blockieren kann, wenn diese «die Ertragskraft des Landes» gefährden. Im Auge hatte der Minister den mittlerweile gescheiterten Versuch von Kraft Heinz, Unilever zu übernehmen. Die EU-Kommission hat nun reagiert und Massnahmen gegen ausländische Übernahmen angekündigt.

Integration verlief oft schmerzhaft

Unternehmen mit hoher Ertragskraft für das Land sind in der Schweiz bereits reihenweise verkauft worden. Das wirft die Frage auf: Wie ist es ihnen ergangen? Bei einer kleinen Stichprobe von bekannten Namen wie Ciba oder Synthes zeigt sich, dass die Integration oft schmerzhaft verlief und sich die Erwartungen nicht immer erfüllt haben. Auch die Jobbilanz ist aus Schweizer Sicht zum Teil negativ.

Wie beim Schweizer Chemiekonzern Ciba, der wie Syngenta eine Novartis-Ausgründung war. Von Ciba ist heute nicht mehr viel übrig. Nach der Fusion von Ciba-Geigy und Sandoz zu Novartis wurde das verbliebene Chemiegeschäft 1997 als Ciba Spezialitätenchemie ausgegründet. Die Branche steckte damals in einer schwierigen Phase, die Konkurrenz aus Asien drückte auf die Preise. Hinzu kamen bei Ciba hausgemachte Fehler.

So erwies sich der Einstieg ins Geschäft mit Wasserchemikalien als teurer Flop. Die Firma war zudem zu breit aufgestellt, das Angebot reichte von Autolack-Chemikalien bis zu Zahnpastazusätzen. 2008 schluckte BASF schliesslich Ciba für gut sechs Milliarden Franken. «Die BASF wird Ciba und ihren Mitarbeitern ein gutes neues Zuhause bieten», flötete der damalige BASF-Chef Jürgen Hambrecht.

Keine zwölf Monate später erfolgte der Kahlschlag. 3200 von 12'500 Stellen weltweit wurden bei Ciba gestrichen. In der Schweiz fielen 650 von 2500 Jobs weg – vor allem in Basel. Heute hat BASF hierzulande noch 1600 Leute. Diesen Rückgang erklärt der Konzern aber auch durch Teilverkäufe, wie etwa den Ausstieg aus dem Geschäft mit Sportbodenbelägen. Die Schrumpfkur geht indes weiter: An den Standorten Basel und Schweizerhalle sollen noch 155 Stellen wegfallen, so BASF. «Die Ciba-Akquisition war nicht einfach», sagte rückblickend Konzernchef Kurt Bock im Juli der «NZZ». Die Schweiz sei weiterhin ein wichtiger Standort, betont BASF. Wenn auch arg geschrumpft, mag man anfügen.

Stimmung bei Syngenta ist offenbar gut

Syngenta ist zum Zeitpunkt der Übernahme durch ChemChina glücklicherweise in einer viel besseren Lage als damals Ciba beim Kauf durch BASF. Ob aber Rens Wachstumsfantasien in Erfüllung gehen, wird sich weisen. Derzeit ist die Stimmung intern offenbar gut. «Bisher haben die Chinesen nichts gross verändert», so eine interne Syngenta-Quelle. «Wir wissen endlich, wo es langgeht, und die Leute sind eher zufrieden», heisst es.

Ganz anders lief das, als der US-Riese Johnson & Johnson (J&J) sich das Schweizer Medtech-Juwel Synthes 2011 einverleibte. Ein gross angelegter Stellenabbau blieb dem Spezialisten für Implantate zur Behandlung von Knochenbrüchen immerhin erspart: Beschäftigte Synthes vor der Übernahme in der Schweiz 2800 Mitarbeiter, so sind es heute laut J&J bei der Tochter Depuy Synthes sogar etwa 3700.

Führen mit Excel-Tabellen

Doch die Integration des Schweiz-lastigen Traditionsunternehmens in das Organigramm des US-Riesen schaffte viel Frust. «Das J&J-Management hatte nie intern klar kommuniziert, was es vorhatte», bemängelt ein Ex-Manager. «Vieles wurde zentralisiert, zudem führt J&J strikt nach Zahlen und Excel-Sheets, wir mussten Dutzende Rapporte aufsetzen.»

Das Versprechen 
des ehemaligen Grossaktionärs Hansjörg Wyss, Synthes könne «ihre Kultur beibehalten», sei nicht erfüllt worden. So habe man es bei Synthes als Auszeichnung angesehen, viele Jahre den gleichen Job zu machen; dies sei ein Zeichen von Kompetenz. Bei J&J dagegen müsse man alle zwei Jahre das Land, die Funktion und den Bereich wechseln, heisst es. Die harzige Integration schlug sich auch im Geschäft nieder. Erst 2015 verzeichnete Depuy Synthes zum Beispiel in Europa wieder Wachstum.

Das scheinen keine guten Aussichten für Actelion zu sein. Denn Johnson & Johnson kaufte Anfang Jahr das Allschwiler Biotech-Unternehmen für 30 Milliarden Dollar. Doch Actelion-Mitarbeiter geben Entwarnung: Offenbar hat J&J aus dem Fall Synthes gelernt. «J&J legt sich mächtig ins Zeug, Pharma-Chef Joaquin Duato war schon oft in Allschwil und hat vor der Belegschaft präsentiert», so ein Kadermann. «Die Stimmung ist gut.» In Sachen Compliance verstehe J&J indes keinen Spass, hier würden die US-Standards durchgedrückt.

«Danaher-Business-Modell»

Nicht nur in Sachen Compliance, sondern über alle Bereiche drückt der US-Mischkonzern Danaher bei seinen Zukäufen seine Philosophie durch. Auch beim 2014 übernommenen Zahnimplantathersteller Nobel Biocare. Seit Gründung in den achtziger Jahren hat Danaher schon 400 Unternehmen gekauft und mit Hilfe des «Danaher-Business-Modells» auf Vordermann gebracht; es leitet sich von Toyotas «Kaizen»-Methode der ständigen Verbesserung ab und setzt auf totale Effizienz. Und Abschottung. Fragen zur Integration bleiben unbeantwortet.

Hingegen reden Ex-Mitarbeiter, aber nur hinter vorgehaltener Hand: «Nobel Biocare wird quasi zerschlagen», heisst es. Die Zentralfunktionen wie IT und Personal seien weitgehend abgezogen worden, auch die Produktion steht unter dem Kommando der US-Zentrale. «Danaher hat die meisten Länderchefs ausgewechselt, offenbar weil sie 
ihnen zu teuer waren, dabei sind sie entscheidend für den Erfolg an der Kundenfront», sorgt sich ein früherer Nobel-Biocare-Mitarbeiter. Schlüsselpositionen besetzten die Amerikaner mit eigenen Leuten.

«Der Frust ist gross», heisst es auch intern. Wie viele Jobs von den einstmals 2500 Stellen noch da sind, ist nicht bekannt. Weder Nobel Biocare noch Danaher antworteten auf eine Anfrage. Angesichts der Wechsel in den Länderorganisationen und der offenbar schlechten Stimmung dürfte es aber nicht überraschen, wenn das Geschäft leiden würde.

Harte Einschnitte gab es auch im Zuge der Integration des Genfer Biotech-Unternehmens Serono in den Darmstädter Merck-Konzern. Als Merck 2006 stolze 16,6 Milliarden Franken für Serono hinblätterte, war auch Serono angeschlagen: 2005 musste das Unternehmen in den 
USA 700 Millionen Dollar Busse wegen 
illegaler Vertriebspraktiken bezahlen, zeitgleich floppten zwei wichtige Forschungsvorhaben. Zudem war Serono zu abhängig von Rebif, einem Mittel gegen Multiple Sklerose (MS). Daher suchte die Eigentümerfamilie Bertarelli einen Käufer für Serono. Lange ohne Erfolg. Bis überraschend Merck auftauchte.

Radikaler Sparkurs

«Gemeinsam stärken wir unseren Umsatz und Gewinn», tönte der damalige Merck-Chef Michael Römer. Wie ehemalige Manager berichten, gab Merck bei Serono 
zunächst Gas: Die Zentrale für das konzernweite Biotech-Geschäft kam nach Genf, dort wurde das Personal von 800 auf 1200 Mitarbeiter aufgestockt.

Es folgte der Absturz: Alle sieben Wirkstoffe, die Merck-Serono in der Pipeline hatte, floppten. 2012 riss Merck das Steuer herum und setzte einen Sparkurs auf. Die Zentrale in Genf wurde dichtgemacht. Von den 1250 Stellen wurden 500 gestrichen, 750 nach Darmstadt verlegt. Vor der Übernahme beschäftigte Serono 1465 Mitarbeiter in der Schweiz. Laut Merck hat der Konzern heute im Schweizer Biopharma-Geschäft noch 1463 Mitarbeiter, doch sind in dieser Zahl auch jene mitgerechnet, die Merck bereits vor dem Zukauf in der Schweiz beschäftigte. Wie viele das waren, konnte Merck nicht mehr nachhalten. Branchenschätzungen gehen von weniger als 100 Leuten aus – damit wäre die Jobbilanz leicht negativ.

Von einem Flop will Merck aber nichts wissen: «Die Schweiz ist unser wichtigster Standort zur Herstellung biopharmazeutischer Medikamente», sagte Merck-CEO Stefan Oschmann Ende Juni. Erst dank Serono sei dem Konzern der Einstieg in das Biotech-Geschäft gelungen.

Was die Darmstädter aber nicht daran hindert, weitere Korrekturen vorzunehmen. Die Herstellung von Biotech-Nachahmerprodukten, sogenannten Biosimilars, wurde im April an Fresenius verkauft. Betroffen davon sind rund 70 Mitarbeiter.

Holger Alich
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