Wie sich Bally nach dem geplatzten China-Deal neu erfindet

Manche meinen immer noch, dass Bally inzwischen in der Hand der Chinesen sei: Denn immerhin gab es 2018 allerlei Hallos wegen die Meldung, dass der Textilkonzern Shandong Ruyi die Mehrheit an der legendären Schweizer Luxusmarke erwerben würde. Mit der Übernahme aus dem Besitz der deutschen JAB Holdings wollten Shangdong Ruyi zu einer Art «LVMH von China» werden, hiess es damals. Doch die Coronavirus-Pandemie machte den Plänen einen Strich durch die Rechnung. Vor knapp einem Jahr wurde klar, dass der Textilriese aus Jining die 600 Millionen Dollar für Bally nicht aufbringen kann. Was geschah dann? Es folgten die coronabedingten Ladenschliessungen – und die Einnahmen von Bally sackten um über einen Viertel in den Keller. Neue Stores in Metropolen Wie das Branchenportal «Business of Fashion» berichtet, soll Bally nun doch längerfristig mit JAB Holdings auf Kurs kommen. Das Investmentvehikel der deutschen Milliardärsfamilie Reimann besitzt die Schuh- und Modemarke seit 2008. Inzwischen sind also die Verkaufspläne vom Tisch, wie Bally-Chef Nicolas Girotto gegenüber «BoF» bestätigte: «Es gibt keine Frist, um JAB einen Ausstieg zu ermöglichen», so Girotto. Stattdessen wird der Schweizer Luxushersteller im Juni drei Flagship-Stores in New York, London und Sydney eröffnen. Ähnliche Bestrebungen gab es schon früher: Im Jahre 2014 eröffnete das Label an der Londoner Bond Street einen Laden, drei Jahre später folgte ein Geschäft an der Madison Avenue in New York. Als Nicolas Girotto vor knapp zwei Jahren seinen Posten als CEO antrat, schloss er diese Standorte wieder: Die Mieten waren zu hoch. Nun scheint man in Caslano, dem Schweizer Hauptquartier von Bally im Tessin, doch wieder auf neue Shops zu setzen. Es soll anders sein als vor einigen Jahren, versichert der ehemalige Bally-COO und jetzige Chef Nicolas Girotto. «Eine Marke wie Bally zu transformieren, bedeutet nicht nur, Geld in sie zu stecken. Es geht darum, wie man ein gesundes und nachhaltiges Wachstum erreichen kann», so Girotto gegenüber dem Branchenmagazin. Meatpacking District statt Fifth Dabei wolle man nicht wieder an die «Highstreets» gehen, sondern an Orte, wo Mode, Kultur und Food sich kreuzen. Dort, wo sich die Käufer der Marke aufhalten – und nicht alle anderen Luxusboutiquen. Deshalb wird sich der neue Laden in New York im hippen Meatpacking District befinden, gleich neben den Läden von Hermès und Marni. Aber auch ganz in der Nähe von Sehenswürdigkeiten wie dem Whitney Museum und dem Hotel «The Standard». Ein Ort, wo sich Touristen wie auch Locals gerne aufhalten. In London wird Bally nur ein paar Strassen vom bisherigen Standort entfernt in der New Bond Street einziehen. Der neue Standort zwischen der Zara-Filiale in der Regent Street und der U-Bahn-Station Piccadilly Circus wird vor allem von einer jüngeren Kundschaft stark frequentiert. Keine grossen Logos Bei der Neupositionierung setzt Bally nicht wie andere Luxusmarken auf einen visionären Chefdesigner, sondern auf: die Kundschaft. Bally führt Konsumentenumfragen durch, macht A/B-Tests für Kampagnen und Social-Media-Posts und testet sogar Prototypen an den Kunden. Man wolle versuchen, den Kunden zu verstehen, sagt Girotto. Bally ist neben Akris das einzige global agierende Modelabel aus der Schweiz. Aber es soll sich nicht mehr so sehr mit «Swissness» profilieren wie auch schon, sondern überhaupt mit dem langjährigen Erbe der Marke. Ob Sneakers oder von Bergsteigern inspirierte Lederstiefel – Bally hofft, dass sich die Käufer sich nach wie vor auch an klassischer Eleganz erfreuen. Und nicht nur an «lauten» Marken. «Es ist nicht unsere Aufgabe, eine modische Marke zu sein», sagt Girotto. Was das Design angeht, «würde es keinen Sinn machen, Bally in eine ‹Gen-Z-Marke› zu verwandeln», sagt der Chef. Bedeutet: Man verzichtet bei Bally auf klobige Sneakers und riesige Prints der Logos, wie das andere Marken zurzeit gerne tun. Weniger ist mehr Trotzdem muss Bally eine neue Generation an Käufern gewinnen, und das versucht die Firma mit Videos oder Partnerschaften mit Influencern. Und mit neuen Materialien: Eine Linie aus recyceltem Nylon half Bally, im Januar in die Top-30 der meistdiskutierten Luxusmarken auf Douyin – dem Pendant zu Tiktok in China – zu sein. Ein Paar Curling-Stiefel, deren Reinerlös einer Initiative zur Säuberung der Berge zugute kam, wurden ebenfalls zum Verkaufsschlager, schreibt «BoF». Der Einzug des Thema Nachhaltigkeit in der Modewelt soll Bally helfen. «Unsere zeitlosen Silhouetten eignen sich für Langlebigkeit und einen verantwortungsvolleren Umgang mit Mode», sagt Girotto. Die Bemühungen scheinen erste Früchte zu tragen: Zumindest im Onlinebereich wuchs der Umsatz im ersten Quartal um 46 Prozent. (tdr)