Was der Wirtschaftsring einst nicht sein wollte, wird die WIR Bank jeden Tag mehr: Ihr Wandel zum klassischen Finanzinstitut lässt sich nicht mehr aufhalten. Seit sich die Bank im Mai 2000 auch für Nicht-Mitglieder geöffnet hat, steigt der Anteil «normaler» Bankkunden stetig. Inzwischen macht dieses Kundensegment bereits 40% aus. Über sprunghafte Zuwachsraten darf sich die Bank aber auch bei den Kundengeldern freuen: Sie erhöhten sich 2001 um 27,4% auf 253 Mio Fr. 2002 haben sie die 500-Millionen-Franken-Grenze überschritten, was einer Verdoppelung gegenüber 2001 entspricht.

Dass die Genossenschaft mit grossem Erfolg zur klassischen Bank mutiert, verdankt sie ihren günstigen Zinskonditionen. In Vergleichstabellen belegen diese regelmässig Spitzenplätze. Denn während die Zinsen bei den Sparkonti der grossen Banken um 1 bis 1,25% herumdümpeln, gibt die WIR Bank für 100000 Fr. immer noch stolze 3% Zins. Wer als Privatkunde eine halbe Million Franken auf seinem WIR-Konto hinterlegt, erhält gar 3,25%. Da wird die Konkurrenz blass vor Neid. Und eine Frage drängt sich auf: Wie machen die das bloss?

*WIR-System Für KMU*

Die Basis für die günstigen Konditionen von heute legte die WIR-Genossenschaft 1934 mit der Einführung des WIR-Systems. Dieses Verrechnungssystem sollte seinen Mitgliedern ? vor allem KMU ? bei Geldknappheit in harten wirtschaftlichen Zeiten eine Alternative bieten. Statt Leistung nur gegen Cash beziehen zu können, ermöglicht die Mitgliedschaft in der Genossenschaft mit WIR-Guthaben zu bezahlen. WIR-Guthaben wiederum erhalten die Mitglieder, indem sie sich ihre eigenen Leistungen ebenfalls über das Verrechnungssystem des Wirtschaftsrings abgelten lassen (siehe Kasten).

Was bis Ende der 80er Jahre brillant funktionierte ? von 1980 bis 1991 legten die Umsätze um rund 800% auf über 2 Mrd zu ? geriet Anfang der 90er Jahre ins Stocken: Die Kernbranchen des Wirtschaftsrings, das Baugewerbe und der Detailhandel, waren gesättigt; mittelständische Unternehmen fusionierten zu Grossbetrieben. Es war für den Wirtschaftsring an der Zeit, ein zweites Standbein aufzubauen.

Mit der Lancierung eines Anlagekontos expandierte die Selbsthilfeorganisation 1998 in den klassischen Bankbereich und wurde zur «WIR Bank». Seither verblüfft die Bank mit äusserst attraktiven Konditionen. Das hat seine Gründe:

-Im WIR-System werden Guthaben nicht verzinst, Kredite aber sehr wohl. Zins- und Kommissionserträge aus dem WIR-System sind die wichtigste Einkommensquelle der WIR Bank. Aus ihnen subventioniert die Bank die günstigen Konditionen im «normalen» Bankbereich.

-Kaum ein anderes Finanzinstitut hat so geringe Fixkosten wie die WIR Bank. Denn als der Wirtschaftsring zur Bank wurde, baute man zwar die WIR-Niederlassungen in sieben Schweizer Städten zu Beratungszentren aus, das wars dann aber auch schon. Mit sieben Filialen und 200 Mitarbeitern deckt die WIR Bank die ganze Schweiz ab.

-Die WIR Bank hat ihre ursprüngliche Rechtsform beibehalten: «Als Genossenschaft versuchen wir zwar, unsere Gewinne zu optimieren, sind aber keiner Gewinnmaximierung verpflichtet», sagt Hervé Dubois, Leiter der Kommunikationsabteilung der WIR Bank.

*WIR hat auch Nachteile*

So weit, so gut. Einer der Pfeiler, die der Bank so günstige Konditionen ermöglichen, hat aber in den letzten Jahren Risse bekommen: Die Umsätze im WIR-System sind seit 1997 um rund 18% auf 1,7 Mrd Fr. (2001) gesunken; die Zins- und Kommissionserträge der Bank aus dem WIR-Geschäft gehen deshalb zurück. Auch 2002 hat der WIR-Umsatz wieder um etwa 1% abgenommen, vermutet Dubois. Denn das System, das den Mittelstand fördern soll, ist bei den Gewerblern mässig beliebt. Zwar anerkennen sie die Vorteile der WIR-Verrechnung: «Dank dieses Systems berücksichtigen sich die mittelständischen Unternehmen gegenseitig bei der Auftragsvergabe», sagt René Gehring, Inhaber einer Bedachungsfirma. Die Annahme von WIR-Geld führt für die KMU aber auch zu Problemen: «Mit WIR-Geld kann ich praktisch nichts kaufen», ärgert sich Yvonne Gyr, Inhaberin einer Schreinerei. Den letzten beissen die Hunde ? oder wer als letztes Glied in der Zuliefererkette zu viel WIR anhäuft, bleibt darauf sitzen.

Dem entgegnet Dubois von der WIR Bank, dass das WIR-System eine spezielle Denkweise und auch Selbstdisziplin erfordere: «Wer WIR entgegennimmt, muss sich zuerst überlegen, ob er das WIR-Geld auch einsetzen kann. Wenn das nicht möglich ist, sollte er den Auftrag ablehnen.» In Branchen mit drastischem Preiskampf, zum Beispiel im Baugewerbe, ist das aber leichter gesagt als getan. «Wenn die Firmen den Auftrag brauchen», beobachtet Gehring, «vergessen sie die Kalkulation.»

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