Über Jahre das Zugpferd im kriselnden Migros-Konzern, hat Denner an Schlagkraft verloren. Torsten Friedrich (48) soll den Discounter nun wieder auf Wachstum trimmen. Doch nicht nur sein Ex-Arbeitgeber Lidl wehrt sich dagegen. Die Migros-Bosse persönlich machen Denner nun Kundschaft streitig – mit einer nationalen Tiefpreislinie. Jetzt muss der neue Chef beweisen, dass er mehr Discount kann.
Herr Friedrich, Sie führen Denner seit fünf Monaten. Laufen Sie schon auf den Felgen?
Torsten Friedrich:(Lacht.) Mache ich etwa diesen Eindruck auf Sie? Ich bin sehr gut aufgenommen worden und habe mir ein umfassendes Bild von Denner und der Migros machen können. Es gibt natürlich auch Themen, an denen wir arbeiten müssen.
Berater klopfen den Migros-Konzern seit Monaten auf Einsparpotenzial ab. Ist auch Denner unter Beobachtung?
Eine gewisse Erwartungshaltung des Mutterhauses ist da, aber das nehme ich als Ansporn. Ich tausche mich regelmässig mit der Migros aus. Zum Beispiel auch über einen gemeinsamen Einkauf, um über die Menge tiefere Preise für unsere Kunden herauszuholen. Kräfte bündeln, das macht so oder so Sinn.
Was ging Ihnen durch den Kopf, als die Migros-Chefs öffentlich sagten, Kunden bräuchten nicht mehr zu Denner zu gehen, weil Ihr Mutterhaus nun ebenfalls Tiefpreise anbiete?
Ich habe kurz leer geschluckt, mir dann aber gleich gesagt: Dieser Challenge stellen wir uns. Denn wir haben unserer Kundschaft mehr zu bieten als nur Discountpreise. Nicht jeder geht gerne in einen grossen Supermarkt und will sich die günstigsten Produkte zusammensuchen. Bei uns findet man alles zum Tiefpreis auf kleinem Raum, und mit unseren Filialen sind wir auch näher bei den Menschen.
An welchen Stellschrauben dreht der neue Denner-Chef als Erstes?
Wir machen vieles richtig, sprechen aber zu wenig darüber. Wichtig ist mir, Denner wieder in den Blick der Schweizer Bevölkerung zu bringen. Dazu müssen wir die Bedürfnisse unserer bestehenden Kunden besser kennen und identifizieren, wer unsere zukünftigen Kunden sein könnten. Weiter können wir noch effizienter sein in der Bewirtschaftung unserer Läden. Ein weiteres Element ist das neue Sponsoring unserer Eishockey-Nati.
Ihre Konkurrenten haben dafür längst Apps und Kundenkarten, durch die sie Kundendaten gewinnen.
Wir wollen hier klar aufholen. Zum Beispiel beim Thema Selfscanning: Ich sehe für In-App-Lösungen viel Potenzial. Der Kunde soll die Wahl haben, seinen Einkauf selbst mit dem Smartphone abscannen und bezahlen zu können. In der zweiten Jahreshälfte erfahren unsere Kunden mehr darüber.
Lidl-Plus heisst eine Lösung bei Ihrem vorherigen Arbeitgeber. Kunden werden mit Prämien, Rabatten und Co. belohnt, wenn Sie eine spezielle App nutzen. Kommt Denner-Plus?
Wir haben bereits eine gute Denner-App, aber es geht in diese Richtung. Wir haben hohe IT-Kompetenz im Haus, wie auch die Migros. Entschieden haben wir bereits, dass wir nicht Cumulus einführen, sondern eine eigene Denner-Lösung aufbauen.
Schaffen Sie es damit, im laufenden Jahr wieder Marktanteile von Lidl und Co. zurückzuholen?
Ich rechne mit einem leichten Umsatzwachstum in diesem Jahr. Bereits steigen die Kundenfrequenzen in den Filialen, wo wir den Frischebereich mit Backwaren, Obst und Gemüse stark ausgebaut haben. Wir sehen dies auch darin, dass wir erstmalig mehr Umsatz mit Frische als mit Genussmitteln erwirtschaften. Auch dadurch werden wir weitere Kunden von den Konkurrenten zu Denner holen. Und wir werden weitere Filialen eröffnen, um dieses Ziel zu erreichen.
Denner hat mit 880 Standorten bereits ein dichtes Netz. Hat es noch weisse Flecken auf der Landkarte?
In den grossen Städten sehe ich noch Potenzial. Wir planen mit der Eröffnung von 120 zusätzlichen Filialen. Bis 2030 sollte unser Netz rund 1000 Standorte haben.
Finden Sie das Fachpersonal, das Sie für die Expansion brauchen?
Das ist tatsächlich gar nicht so leicht. Denn durch diese Expansion und den Bau der beiden neuen Logistikzentralen in Aclens und Mägenwil brauchen wir neue Mitarbeitende. Wir schaffen in den nächsten knapp fünf Jahren über 1000 neue Arbeitsplätze.
Manche Denner kommen immer noch wie vor 30 Jahren daher, dabei läuft seit zwei Jahren eine Modernisierung der Filialen.
Seit 2023 haben wir im Rahmen eines neuen Programms bislang rund ein Drittel der gut 600 eigenen Filialen umgebaut, um den steigenden Kundenbedürfnissen gerecht zu werden. Die Modernisierung, in die wir insgesamt 200 Millionen Franken investieren, geht parallel zur Expansion weiter. Bis Ende 2027, Anfang 2028 wollen wir damit durch sein. Wir investieren zudem nochmals eine grosse Summe in die Modernisierung der 280 Denner-Partner (ehem. Satelliten), die für uns unverzichtbar sind.
Die Teuerung geht in der Schweiz zurück. Warum steigen bei Denner dann Preise?
Wir haben keine breite Teuerung über das ganze Sortiment und viele Preise gesenkt. Zum Teil haben wir in der Schweiz bereits deflationäre Tendenzen. Allerdings zahlen wir im Einkauf derzeit für Orangensaft, Bohnenkaffee und Kaffeekapseln deutlich mehr. Wir arbeiten an unserer Effizienz, um möglichst wenig von den Preiserhöhungen an unsere Kunden weitergeben zu müssen.
Wie ist der Preis-Anstieg bei Schoggi?
In den vergangenen sechs bis zwölf Monaten sind die Schokoladenpreise insgesamt um rund 10 bis 15 Prozent gestiegen. Aktuell gehen wir davon aus, dass auf den Sommer 2025 hin leider ein weiterer Preisschub in der gleichen Grössenordnung vonseiten der Produzenten erfolgen wird.
Markenhersteller wie Lindt und Nestlé setzen in Supermärkten offenbar problemlos höhere Preise durch. Können Sie nicht dagegenhalten?
Wir sind mit Preiserhöhungen im Einkauf konfrontiert. Im Preiskampf mit den Markenherstellern scheuen wir kein Mittel. Zuerst gehen wir aber an den Verhandlungstisch. Wenn keine Einigung erzielt wird, listen wir die Markenprodukte aus dem Ladensortiment aus und greifen zu Parallelimporten.
Haben Sie einen Kandidaten für eine Auslistung im Visier?
Wir haben gerade einen Fall mit Coca-Cola, wo wir auf keinen gemeinsamen Nenner gekommen sind und den Verhandlungstisch verlassen haben. Wir haben Bestellungen beim Schweizer Cola-Abfüller nicht erneuert und importieren die Softgetränke aus dem europäischen Ausland zu günstigeren Preisen.
Gibt es weitere Fälle?
Einer unserer Lieferanten bietet uns Einkaufspreise an, die höher sind als die Preise, zu denen seine Kosmetika im ausländischen Supermarkt verkauft werden. Auch dagegen werden wir vorgehen.
Krieg mit Coca-Cola, Parallelimporte und Co. – das tönt, als ob Sie wieder auf das verblasste Denner-Image als Preiskämpfer einzahlen wollen.
Denner ist und war der Vorkämpfer für tiefe Preise in der Schweiz. Aber es geht eben nicht nur um Preise. Nähe zum Kunden, Umgang mit Mitarbeitern, Einkaufserlebnis im Laden – diese Punkte zahlen ebenso aufs Image ein.
Dieser Artikel erschien zuerst bei Blick unter dem Titel «Wir haben den Verhandlungstisch mit Coca-Cola verlassen».