Facebook-CEO Mark Zuckerberg, Amazon-Chef Jeff Bezos und Tesla-Gründer Elon Musk wissen, wie man in der Internetwirtschaft Geld verdient – ihre Konzerne sind Milliarden von Dollar wert. Es lässt deshalb aufhorchen, wenn alle in das gleiche Startup investieren. Dieses Kunststück hat Vicarious geschafft: Ein Unternehmen aus dem Silicon Valley, das Künstliche Intelligenz für Roboter entwickelt.

Vicarious will Maschinen das Denken und Lernen beibringen. Das Ziel ist ambitioniert. Roboter sollen mit Vicarious' Software gewisse Fähigkeiten des menschlichen Gehirns beherschen können. Im Interview erklärt Co-Gründer Dileep George, warum sich Menschen vor solchen intelligenten Robotern nicht fürchten sollten. Beim Treffen am Rande des St. Gallen Symposiums sprach George auch über seinen Wunsch, mit Vicarious an die Börse zu gehen – und erzählte von den Problemen, welche die Regierung Trump dem Silicon Valley bereitet.

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Roboter werden unsere Jobs wegnehmen, Killerroboter bedrohen die Menschheit: Verstehen Sie, dass sich viele Menschen vor Künstlicher Intelligenz (KI) fürchten?
Dileep George*: Roboter werden nicht die Welt übernehmen: An solche Befürchtungen glaube ich nicht. Solche Vorstellungen eignen sich für Science-Fiction-Storys, sie sind nicht realistisch. Doch es gibt Entwicklungen in der Künstlichen Intelligenz, die schief gehen könnten.

Was meinen Sie damit?
Heute haben wir KI-Systeme mit sehr eingeschränkten Fähigkeiten. In einer bestimmten Umgebung funktionieren sie gut. Wenn solche Systeme aber im grossen Stil zum Einsatz kommen, ohne dass sie vorher umfassend getestet wurden, können Fehler passieren. Ich fürchte mich nicht vor superintelligenten Maschinen, die die Welt erobern. Was mir Sorgen macht, ist die grossflächige Anwendung von KI-Systemen mit limitierten Fähigkeiten.

Dileep George

Dileep George ist Co-Gründer des Startup Vicarious. Vor der Gründung 2010 war er Chefentwickler von Numenta, einem weiteren US-Startup für Künstliche Intelligenz. Seine Karriere startete der indischstämmige Amerikaner als Forscher am Redwood Institut für Neurowissenschaften. George hat seinen Doktor als Elektroingenieur an der Stanford Universität erworben und sein Grundstudium in Indien absolviert.

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Quelle: Bild World Economic Forum

Wie beispielsweise von Autopiloten gesteuerte Tesla-Fahrzeuge, die in Unfälle verwickelt werden?
Das ist ein Beispiel für ein System, welches falsch angewendet wird. Die Tesla mit Autopiloten sind keine ausgereiften selbstfahrenden Fahrzeuge. Dieser Fakt wird von den Fahrern, welche die Unfälle verursachen, ignoriert. Hier ist das Problem die Interaktion zwischen Mensch und Maschine.

Muss der Staat die KI-Industrie stärker kontrollieren?
Die Entwicklung in der KI ist dafür noch zu wenig weit fortgeschritten. Es ist noch nicht klar, was reguliert werden könnte. Ich bin kein Gegner von Regulierung. Aber zurzeit wissen wir nicht, wo die Reise hingeht.

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Tesla X: Der Hersteller machte wegen durch Autopiloten verursachte Unfälle Schlagzeilen.

Quelle: Keystone

Wie müssen wir als Gesellschaft auf die Fortschritte in der Künstlichen Intelligenz reagieren? Mit der Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens?
Das ist ein Vorschlag, den wir testen sollten. Es tönt wie eine gute Idee. Wir sollten Wege finden, unser Arbeitsleben vom Zwang zu befreien, sich ein Einkommen zu sichern. Heute können viele Leute Kreativität in ihren Berufen nicht ausleben, weil es nur darum geht, Geld zu verdienen.

Kommt nun das Zeitalter der Musse, dass der britische Ökonom John Meynard Keynes vorausgesagt hat?
Viele der Jobs, die wir heute haben, hätten die Leute früher als Müssiggang empfunden. Wenn sie vor 200 Jahren jemandem erzählt hätten, dass sie ihren Arbeitsalltag damit verbringen, Interviews zu führen – die Person wäre sehr überrascht gewesen (lacht). Bei vielen Jobs der Zukunft wird das ähnlich sein.

John Maynard Keynes

John Maynard Keynes: 1930 sagte der bekannte Ökonom ein Zeitalter «der Musse und des Überflusses» innert hundert Jahren voraus.

Quelle: Keystone

Künstliche Intelligenz bietet mehr Chancen als Risiken?
Ohne Zweifel. Aber alle Technologien haben Vor- und Nachteile. Grundsätzlich hat Künstliche Intelligenz nichts Schlechtes an sich. Wir als Gesellschaft können von den Vorteilen, die sie bietet, profitieren – oder sie verteufeln.

Sprechen wir über Ihr Unternehmen Vicarious. 2013 gelang es Ihnen, mit Computern CATCHPA zu knacken  – jene Rätsel oder Aufgaben, mit denen im Internet Softwareroboter herausgefiltert werden. Ein eigenes Produkt haben Sie aber noch nicht entwickelt.
Wir arbeiten an Künstlicher Intelligenz in der Robotik. Unser KI-Applikationen werden Roboter smarter machen. Heute sind Roboter gut darin, repetitive Arbeiten auszuüben. Sie funktionieren nur in der Umgebung, für welche sie programmiert wurden. Dank KI werden Roboter flexibler. Sie können viel mehr Arbeiten in Fabriken übernehmen.

CAPTCHA_Sicherheitsprüfung

CAPTCHA: Diese Sicherheitsprüfung hat Vicarious überlistet.

Quelle: Keystone Images

Ist Ihre Software ausgereift?
Die Software ist noch in der Entwicklungsphase. Wir hoffen, sie bis Ende Jahr fertig zu haben.

Wollen Sie diese Software an bestimmte Konzerne verkaufen - beispielsweise an den Industriekonzern ABB? Der gehört ja zu den Investoren von Vicarious.
Ja, ABB könnte ein Partner werden.

Neben ABB haben viele bekannte Persönlichkeiten in Vicarious investiert – unter anderen Elon Musk, Mark Zuckerberg und Jeff Bezos. Erhalten Sie Ratschläge von diesen Tech-Unternehmern?
Manche Investoren bringen sich ein, andere Geldgeber halten sich eher zurück. Doch ihr Engagement hilft uns in jedem Fall – unser Unternehmen erhält dank ihnen Aufmerksamkeit.

Vicarious

Vicarious entwickelt Künstliche Intelligenz für Roboter. Das achtjährige Startup aus dem Silicon Valley will Maschinen das Lernen ermöglichen. 2013 gelang es Vicarious, die bekannte CATCHPA-Internet-Sicherheitsprüfung mit Computern zu knacken. Zu seinen Geldgebern gehört die Elite der US-Technologieindustrie: So haben unter anderen Mark Zuckerberg, Jeff Bezos und Peter Thiel in Vicarious investiert. Auch ABB hat sich am Jungunternehmen beteiligt.

Werden wir bald einen milliardenschweren Börsengang von Vicarious sehen?
Das wäre schön, ich würde das gerne erleben. Wir müssen aber zuerst alle unsere Ziele erreichen. Wir wollen unsere Software auf den Markt bringen und beginnen, damit Geld zu verdienen. Erst dann ist ein IPO realistisch.

Nicht nur Vicarious will smarte Roboter entwickeln. Google (DeepMind) oder Microsoft (Maluuba) haben ähnliche Ambitionen. Sehen Sie diese Konzerne als Konkurrenten?
Wir dürfen uns wegen dieser Grosskonzerne nicht zu grosse Sorgen machen. Oft kommt die Konkurrenz aus einer Ecke, wo sie sie am wenigsten erwartet hätten. Wir halten die Augen offen. Doch letztlich müssen wir uns auf unsere Ziele konzentrieren und auf die Frage, wie wir aus der Masse herausstechen.

Die US-Regierung riskiert einen Handelskonflikt und beschränkt die Einwanderung. Gefährdet diese Politik den Erfolg des Silicon Valley?
Ein sehr talentierter Bewerber aus Indien hat uns kürzlich wegen Visaproblemen eine Absage erteilt. Wir spüren bereits die Auswirkungen. Die USA könnten wegen einer solchen Politik ihre Wettbewerbsvorteile verlieren. Viele der hellsten Köpfe im Silicon Valley kommen aus dem Ausland – wenn sie künftig nicht mehr kommen können, haben wir ein Problem. Früher oder später wird die Regierung sich der Auswirkungen dieser Politik bewusst werden. Ich hoffe, sie wird ihren Kurs ändern.