Die Teilnahme eines Pferdes am Zürcher Sechseläuten ist für das Tier nicht stressiger als eine Spring- oder Dressurprüfung. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung der Vetsuisse-Fakultät der Universität Zürich, die am Donnerstag veröffentlicht wurde.

Am Umzug der Zürcher Zünfte durch die Innenstadt mit dem abschliessenden Ritt um den brennenden, mit Knallkörpern gefüllten Böögg auf dem Sechseläutenplatz nehmen jedes Jahr 550 Pferde teil. Tierschützer kritisieren den Anlass als zu belastend für die Tiere.

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Herzfrequenz gemessen

Dem widersprechen nun die Ergebnisse einer Masterarbeit, die an der Vetsuisse-Fakultät der Universität Zürich durchgeführt wurde. Die angehenden Tiermediziner untersuchten die Stressbelastung von 23 Pferden, die für neun Zünfte am Sechseläuten teilnahmen.

Die Tiere trugen einen Pulsgurt, damit die Forscher ihre Herzfrequenz messen konnten. 13 der untersuchten Tiere waren Beruhigungsmittel verabreicht worden. Zwei Wochen vor dem eigentlichen Sechseläuten nahmen sie an einem Testtag teil.

Pferde und Reiter absolvierten drei Teilstrecken des Umzugs: Den Kontermarsch, den Umzug und den Ritt um den brennenden Böögg. Die Tests fanden nicht in der Stadt statt, sondern auf einem Reitplatz. Am Sechseläuten wurden die Tiere auf den entsprechenden Abschnitten beobachtet.

Kontermarsch bringt am meisten Stress

Neben der Messung der Herzfrequenz nahmen die Forscher beide Male Kotproben, um die Konzentration eines Stresshormons zu analysieren. Ein Experte beurteilte das Verhalten der Pferde an beiden Tagen. Das Ergebnis: Obwohl die Pferde am Sechseläuten Lärm und Stress ausgesetzt sind, ist die Stressbelastung moderat und für die Tiere zumutbar.

Der Anstieg des Stresshormons unterschied sich zwischen Testtag und Umzug nicht. Die Experten sahen an beiden Tagen die meisten Stressanzeichen während des Kontermarsches. Bei dieser Kavallerie-Übung bewegen sich einzelne Tiere jeweils zwischen den Reihen der Formation in die Gegenrichtung und schliessen hinten wieder an.

Erfahrung zahlt sich aus

Während dieses Kontermarsches zeigten sich auch die deutlichsten Schwankungen der Herzfrequenz. An beiden Tagen stieg sie bei dieser Übung am stärksten an. Am Umzugstag war die Herzfrequenz der Tiere allgemein erhöht.

Unterschiede zeigten sich zwischen erfahrenen und unerfahrenen Pferden: Tiere, die zum ersten Mal am Sechseläuten teilnahmen, hatten eine deutlich höhere durchschnittliche Herzfrequenz. Die Forscher schliessen daraus, dass es sich lohnt, Tier und Reiter im Vorfeld auf die Reize und Anforderungen eines solchen Anlasses vorzubereiten.

Nur mit Brevet

«Wir sind froh um die Studienergebnisse», sagte Victor Rosser, Mediensprecher des Zentralkomitees der Zünfte Zürichs. Man sei sich bewusst, dass die Teilnahme der Pferde am Umzug mit seinen vielen Zuschauern nicht ungefährlich sei. Aber man habe auch in der Vergangenheit einiges eingeleitet.

«Die Reiter müssen ein Brevet machen, neben den Pferden gehen Begleiter im Umzug mit», sagte Rosser. Er hob hervor, dass sich die Pferde offensichtlich auch an den Anlass gewöhnen könnten und dann weniger gestresst seien.

Forderungen der Tierschützer

York Ditfurth, Präsident des Tierschutzbunds Zürich, sagte gegenüber der Nachrichtenagentur sda: «Wir fordern eine unabhängige Untersuchung.» Das Zürcher Tierspital sei am Anlass beteiligt.

Ditfurth sagte, wenn man das Sechseläuten in der Untersuchung mit einem Sportanlass vergleiche, müsse man am Anlass auch für dieselben Rahmenbedingungen sorgen: «Wir fordern Dopingkontrollen und alle Reiter müssen eine Befähigung vorweisen können.»

Nicht alle der 550 Tiere seien geeignet, ist sich Ditfurth sicher. Er sagte: «Es reicht, wenn ein Pferd durchdreht. Das Sechseläuten ist immer nur eine Glücksveranstaltung bis zu einem tragischen Ereignis.» Die Zahl der Pferde sei zu reduzieren und nur Profis sollten um den Böög reiten dürfen.

Totes Pferd vor zwei Jahren

2015 war ein Pferd am Sechseläuten zusammengebrochen und gestorben. Der Tierschutzbund Zürich kritisierte den Anlass als zu stressig für die Tiere. Die anschliessende Obduktion ergab, dass nicht Stress zum Tod des 24 Jahre alten Pferdes geführt hatte, sondern eine Herzrhythmusstörung.

(sda/jfr/me)