Sie wiegte sich in Sicherheit, doch dann kam das böse Erwachen: Als Daniela K. sich nach 18 Ehejahren scheiden lassen wollte, erfuhr sie, dass ihr Ehemann sich die Pensionskassengelder für den Schritt in die Selbständigkeit hatte auszahlen lassen – ohne ihre Einwilligung. Die Consultingfirma, die er gegründet hatte, war nicht von Erfolg gekrönt. Jetzt ist das sauer ersparte Geld weg, und es gibt schlicht nichts mehr zu verteilen.

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Dabei hätte Daniela K. auf die Hälfte des Pensionskassenguthabens ihres Ehemannes Anspruch gehabt, da dieses von Gesetzes wegen geteilt werden muss. Selber hat sie kaum Geld für ihr Alter sparen können: Über die letzten Jahre widmete sie sich hauptsächlich der Betreuung ihrer zwei Kinder und arbeitete nebenbei Teilzeit.

Keine Gedanken über Vorsorge

Das Scheidungsverfahren läuft noch, und die Anwältin von Daniela K., Elisabeth Schönbucher Adjani, Partnerin in der Kanzlei Trachsel Bortolani Partner in Zürich, wird sich mit der Pensionskasse streiten müssen, denn ohne Einwilligung der Ehefrau dürfen keine Pensionskassengelder ausbezahlt werden. Doch viele Frauen geben dem Ehemann auch freiwillig das Okay zur Auszahlung, mit der hehren Absicht, ihn in seinen beruflichen Plänen zu unterstützen – und gehen damit ein hohes Risiko ein.

Schönbucher Adjani erlebt es immer wieder, dass sich ihre Klientinnen erst im Rahmen einer Scheidung so richtig mit ihrer Situation im Alter befassen: «Sie machen sich leider häufig keine Gedanken über ihre Vorsorge und kommen dann bei der Scheidung auf die Welt, weil sie merken, dass das Geld nicht reicht.»

Wissen der Frauen lässt zu wünschen übrig

Fallstricke gibt es genug: Welche Frau weiss schon, dass die Teilung der Pensionskassengelder obsolet wird, wenn sich der Ehegatte frühpensionieren lässt und es nachher zur Scheidung kommt? Oder dass im Falle einer vereinbarten Gütertrennung die Gelder aus der Säule 3a nicht geteilt werden müssen?

Doch selbst wenn sie sich nicht mit einer Scheidung herumschlagen müssen: Das Wissen der Frauen um ihre Vorsorge lässt zu wünschen übrig. Das zeigt eine jährlich durchgeführte Umfrage von Axa Investment Managers bei 701 Personen. Während 91 Prozent der Männer ihr gesetzliches Rentenalter exakt beziffern können, sind es bei den Frauen nur 70 Prozent. Zwar hat sich der Wert gegenüber 2011 deutlich verbessert (damals wussten nur 50 Prozent der Frauen die korrekte Antwort), doch die Männer schneiden in der Untersuchung durchs Band besser ab, etwa bei der Frage nach dem Umwandlungssatz. Sie erkundigen sich beim Stellenwechsel auch häufiger als die Frauen nach den Pensionskassenleistungen.

Frauen brauchen Support

«Wenn Frauen anfangen, sich mit der Vorsorge zu befassen, ist es oft schon zu spät», bestätigt Enza Cipolla. Die Versicherungsmaklerin berät diese Zielgruppe seit 2007 unter der Marke «Frauenvorsorge». Es ist noch nicht lange her, da meldete sich eine Frau bei ihr, um Tipps einzuholen. Es stellte sich heraus, dass die Dame 60 war und noch keinen Rappen angespart hatte. Viel wirft die Beratungstätigkeit nicht ab, doch Cipolla ist überzeugt, dass Frauen in dem Thema Support brauchen.

Nicht nur, weil sie zu wenig wissen, sondern auch, weil sie handfeste Nachteile haben. Längere Erwerbsunterbrüche wegen Mutterschaft, kleine Teilzeitpensen, tiefere Löhne: All das kann sich im Alter zu einem ungeniessbaren Cocktail mischen. Reto Kleiner, Leiter Key Account Management Private Vorsorge bei der Versicherungsgesellschaft Helvetia, kennt die Probleme: «In der Schweiz leben viele Paare noch immer das klassische Rollenmodell. Wenn die Frau mehrere Jahre zu Hause bleibt oder nur wenig arbeitet, läuft sie tatsächlich Gefahr einer Unterversorgung», weiss der Fachmann.

Das Lebensmuster der 40 jährigen Noemi Berchtold (fiktives Beispiel) ist der Klassiker: Die zweifache Mutter lebt an der Goldküste und ist seit über zehn Jahren Hausfrau. Zuvor arbeitete sie als Sachbearbeiterin im Finanzwesen. Der Ehemann hat mit 350'000 Franken einen guten Lohn. Wenn Noemi Berchtold, wie angestrebt, in zwei Jahren wieder in den Job einsteigen und im Alter über 8'000 Franken im Monat verfügen will, muss sie sich sputen, sagt Kleiner. «Sie muss sich in die Pensionskasse einkaufen und zusätzliche Sparmassnahmen initiieren, um gut gebettet zu sein», so Kleiner.

Gefahrenherde

Der Experte macht auch auf andere potenzielle Gefahrenherde aufmerksam: Was etwa, wenn der Ehe mann stirbt und die Hypothek auf dem gemeinsamen Haus nicht von der Frau allein getragen werden kann? Oder wenn die Hausfrau durch einen Unfall erwerbsunfähig wird und plötzlich für teures Geld eine Kinderbetreuung engagiert werden muss? Fragen, die tatsächlich häufig vedrängt werden. «Frauen betreiben in Sachen Vorsorge zu wenig Risikomanagement, und sie werden von ihrem Umfeld – Arbeitgeber, Partner, Freunde – nicht dafür sensibilisiert», glaubt Kathrin Bertschy, Ökonomin und Nationalrätin (GLP) aus dem Kanton Bern. Sie befasst sich seit Jahren mit den Mechanismen der Altersvorsorge und kennt die Schwächen des Systems, die ihre Geschlechtsgenossinnen überproportional treffen.

Den Hauptgrund für die Benachteiligung sieht Bertschy bei der Eintrittsschwelle und dem Koordinationsabzug im BVG. Kleine Löhne, die Frauen häufig hätten – zum Beispiel durch Teilzeitpensen –, würden so unterdurchschnittlich versichert, grosse Löhne überdurchschnittlich. Hinzu kommt die nach wie vor existierende Lohnlücke zwischen Männern und Frauen. Laut einer Hochrechnung des Eidgenössischen Büros für Gleichstellung geht den Frauen dadurch eine Lohnsumme von 7,7 Milliarden Franken pro Jahr verloren, die in der Vorsorge entsprechend fehlt.

Sich selbst helfen

Die von Bundesrat Alain Berset angeschobene Reform «Altersvorsorge 2020» soll nun ein wenig Besserung bringen durch die Abschaffung des Koordinationsabzugs und eine Senkung der bisherigen Eintrittsschwelle im BVG. «Davon profitieren insbesondere die Frauen», heisst es in der Botschaft der Landesregierung. Doch noch muss das Geschäft durch die Räte.

Bis der Gesetzgeber Sukkurs leistet, müssen sich die Frauen selbst helfen – mit einer proaktiven Sparstrategie und einem gesunden Selbstbewusstsein in der Partnerschaft. Kathrin Bertschy: «Bei krass ungleichem Verdienst sollten Frauen den Mut haben, ihren Partner dazu zu verpflichten, für sie Einkäufe in die zweite oder dritte Säule zu tätigen.»

Dieser Meinung ist auch Christina Böck, Chief Investment Officer von Axa Investment Managers. Frauen, die zu Hause die Kinder betreuten, sollten einen Lohn von ihrem Mann fordern, um ihre Vorsorge gezielt aufzubauen, findet die Anlagefachfrau. Sie ist selber erst seit acht Jahren in der Schweiz und muss sich nun hier ihr Altersguthaben zusammen sparen. Für Böck ist dabei klar: «Ich kaufe mich mit so viel Geld wie möglich in die Pensionskasse ein.»