Das WEF 2024 ist Geschichte. Dass diesmal wieder mehr Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach Davos gekommen sind, wurde im Vorfeld als besonderer Erfolg gefeiert. Was aber hat das WEF tatsächlich erreicht? Nichts von Bedeutung. Allerdings hat diesmal auch kaum jemand anderes erwartet – angesichts der aktuellen Brüche im internationalen politischen und wirtschaftlichen Gefüge. 

Es waren drei Themen, die am WEF dominiert haben: die ungewissen Folgen der künstlichen Intelligenz, die ungewissen Folgen der geopolitischen Spaltung und der ungewisse wirtschaftliche Ausblick. Beschäftigt hat zudem die Aussicht auf eine Rückkehr von Donald Trump als US-Präsident. Ungewissheit ist das gemeinsame Element aller Themen. Und die Beiträge und Debatten am WEF haben in keinem Bereich für mehr Klarheit gesorgt. Das jedenfalls ist das Feedback, das von mehreren anwesenden Managern und Managerinnen zu hören war, die sich allerdings nicht zitieren lassen wollen. Wie aber wurden diese Themen diskutiert?

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Schwammiges zur künstlichen Intelligenz

Kein Thema hat am diesjährigen WEF derart dominiert wie jenes zur Zukunft der künstlichen Intelligenz (KI). Das einst dominierende Thema Nachhaltigkeit rückte im Vergleich dazu weit in den Hintergrund. Der Mann des Anlasses war Sam Altman, CEO von Open AI, dem Unternehmen hinter Chat GPT. Am Ende einer Podiumsdiskussion mit ihm sprang selbst EZB-Chefin Christine Lagarde wie ein Groupie auf die Bühne, um Star Altman zu umarmen. Doch gerade in diesem Bereich KI blieben die Teilnehmenden am Ende so ratlos, wie sie gekommen waren. Man war sich einzig darin einig, dass die neue Technologie zu tiefgreifenden Veränderungen führen würde und der Menschheit sowohl helfen als auch sie bedrohen kann. Nichts davon ist neu. 

Sam Altman selbst gab sich alle Mühe, die hohen Erwartungen zu dämpfen. Er sprach von «aktuell noch sehr beschränkten Möglichkeiten» der neuen Technologie und von «sehr schweren Mängeln», trotz derer die Menschen die Technologie produktiv zu nutzen verstünden. Zudem, so Altman, habe er «grosse Sympathie für alle, die gegenüber Chat GPT skeptisch sind». Und Altman warnte wie viele andere bei ihren öffentlichen Auftritten vor potenziellen Gefahren der neuen Technologie, schwärmte aber auch von ihrem grossartigen Potenzial. Regulierung hält man für nötig, man sorgt sich aber im Hinblick auf Übertreibungen, weil diese Innovationen behindern würden. 

Die grösste Sorge galt der potenziellen Gefahr für die Demokratie durch KI, da durch sie Desinformationen viel effizienter und wirkungsvoller verbreitet werden und weil freie Medien aufgrund der neuen Möglichkeiten in ihrer Existenz gefährdet werden könnten. Open AI hatte im Vorfeld des WEF angekündigt, Instrumente entwickeln zu wollen, die helfen sollen, dass Nutzerinnen und Nutzer mit KI erzeugte Falschinformationen wie manipulierte Bilder erkennen können. Wie das genau aussehen wird, ist aber noch unklar.  

Ein einmaliges Gemisch von globalen Spannungen

Einig waren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Davos mit Blick auf die geopolitische Lage: Die Weltordnung ist aus den Fugen geraten, und die Lage ist aktuell so gefährlich wie schon sehr lange nicht mehr. Diese Botschaft war in nur leicht unterschiedlichen Formulierungen in den Reden sowohl der Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd zu hören wie auch in jenen der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, des US-Aussenministers Antony Blinken und sogar in der Rede des chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang. Dass die Risiken einer weiteren negativen Eskalation weit grösser sind als eine baldige Lösung, zeigte sich in der abgelaufenen Woche nicht nur in Davos. Da ist einmal der fortwährende Abwehrkrieg der Ukrainer gegen die Invasionsarmee der Russen. In seiner Rede am WEF hat der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski klargemacht, dass mit Russlands Präsident Wladimir Putin kein Frieden möglich sei und dass dieser auch eine Gefahr für das demokratische Europa darstelle. 

Ursula von der Leyen, president of the European Commission, left, and Volodymyr Zelenskiy, Ukraine's president, center, at the 'CEOs for Ukraine' session on the opening day of the World Economic Forum (WEF) in Davos, Switzerland, on Tuesday, Jan. 16, 2024. The annual Davos gathering of political leaders, top executives and celebrities runs from January 15 to 19. (KEYSTONE POOL BLOOMBERG/Stefan Wermuth)

Hoffen auf mehr Unterstützung von der Europäischen Union: Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj im Austausch mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am WEF.

Quelle: Keystone

Zu einer dramatischen Verschärfung kam es diese Woche im Nahen Osten: Nachdem Iran Ziele im Irak und in Pakistan angegriffen hatte, antwortete Pakistan ebenfalls mit Raketen, die auf iranischem Boden einschlugen. Diese Entwicklung und ihre Hintergründe fanden in Davos Widerhall. Der iranische Aussenminister Hossein Amir-Abdollahian erklärte am WEF, der Raketenangriff seines Landes hätte einer Basis des israelischen Geheimdienstes Mossad im Irak und iranischen Terroristen in Pakistan gegolten und nicht den beiden Ländern selbst. Die Regierungen beider Länder seien darüber unterrichtet worden. Irak und Pakistan bestritten dies allerdings, und Pakistan reagierte in der Folge seinerseits mit dem Raketenangriff auf iranischen Boden mit der Begründung, der Schlag hätte pakistanischen Terroristen gegolten. In beiden Fällen kamen Kinder ums Leben.

Der Iran sei ein «Reich des Bösen» – das erklärte der israelische Präsident Isaac Herzog in Davos. Dieses Land stehe letztlich auch hinter dem bestialischen Angriff der Hamas auf israelische Bewohner am 7. Oktober 2023, als mehr als tausend Menschen jeden Alters getötet – viele lebendig verbrannt und geköpft – oder auch gequält, vergewaltigt und als Geiseln genommen wurden. Der iranische Aussenminister seinerseits nannte die Hamas dagegen eine Befreiungsbewegung und die Israelis eine Besatzungsmacht. Nichts deutet hier auf eine Entspannung der Lage hin – im Gegenteil. 

Zu viel Selbstgefälligkeit beim Wirtschaftsausblick

Im Zusammenhang mit den weiteren Aussichten für die Weltwirtschaft sprach UBS-Chef Sergio Ermotti an einem Panel von zu viel «Complacency» auf den Märkten, was sich mit «zu viel Selbstgefälligkeit» übersetzen lässt und sich auf die jüngst noch dominierende Erwartung bezieht, eine Rezession bleibe aus, die hohe Inflation der jüngsten Zeit sei bald Geschichte und die Zinsen würden wieder deutlich sinken. Ermotti wies darauf hin, dass die Volatilität an den Kapitalmärkten gross sei, was für Nervosität spricht. Unerwartete Ereignisse könnten die Kosten und Preise rasch wieder nach oben treiben. Er hoffe, seine Sorge sei unbegründet. 

Ermotti war ohnehin bei weitem nicht der einzige Warner. Direkt angesprochen auf die Aussichten, meinte auch der Ökonom Kenneth Rogoff, allein die grossen und wachsenden geopolitischen Konflikte könnten rasch zu einer Verdüsterung der Wirtschaftslage führen. Die Erwartung von bald sinkenden Zinsen gedämpft hat auch die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde. Die Gefahr bestehe, so Lagarde, damit den Kampf gegen die Inflation zu gefährden. 

Auf keinen Fall wollen die Notenbankerinnen und Notenbanker riskieren, die Zinsen zu früh zu senken und damit den Kampf gegen die Inflation zu verlieren. Wenn sie dann die Zinsen erneut anheben müssten, würde das nicht nur ihrer Glaubwürdigkeit schaden, sondern auch zu unerwünschten Ausschlägen an den Kapitalmärkten führen. Nichts zu den Leitzinsen in der Schweiz hat Thomas Jordan, Chef der Schweizerischen Nationalbank (SNB), in Davos verlauten lassen. Zum Kurs des Frankens hat er aber eingestanden, dass sich dieser jüngst auch real, also bereinigt um die Güterpreise, aufgewertet hat. Daten der SNB legen nahe, dass diese wieder Devisen kauft, um dem Aufwärtstrend entgegenzuwirken. 

Trumps Schatten

Der Ausgang der US-Präsidentschaftswahl war zwar kein offizielles Thema am WEF. Und die dort anwesenden Vertreter der US-Regierung, wie Sicherheitsberater Jake Sullivan oder Aussenminister Antony Blinken, gingen in ihren Reden nicht auf diese entscheidenden Wahlen ein. Dennoch betrieben sie mit ihren Aussagen bereits Wahlkampf. Die Botschaft lautete: Dank der Biden-Regierung sind die USA wieder stark in jeder Hinsicht. Wir sind verlässlich und sorgen für Lösungen weltweit. Kurz: Es braucht uns.

Fast zeitgleich bestätigten Vorwahlen im US-Staat Iowa den massiven Vorsprung von Trump im republikanischen Lager, den auch Umfragewerte für die ganze USA zeigen. Das Biden-Lager erscheint bisher chancenlos. Doch was würde eine weitere Präsidentschaft von Trump bedeuten? Martin Wolf, Chefkommentator der britischen «Financial Times», zeigte sich im direkten Gespräch wie viele andere am WEF überzeugt davon, dass Trump die Wahlen gewinnen wird. Wolf verglich diesen Wahlausgang mit dem Einschlag eines Meteoriten: «Wie bei einem solchen Ereignis können wir nichts dagegen tun, und wir wissen nicht, welche Folgen das hat, ausser dass es für die Welt verheerend ist.»

Bei allen am WEF debattierten düsteren Vorahnungen bleibt immerhin ein Trost: Gewiss ist vorerst gar nichts. An einem Anlass erklärte ein Spitzenbanker, dass die Einschätzungen am WEF bisher stets danebengelegen hätten. Vielleicht erklärt dieser Teil der Ungewissheit, warum die meisten Teilnehmenden am WEF meistens bestens gelaunt blieben. 

Markus Diem Meier
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