Die kostbarsten Weissweine der Welt stammen nach wie vor aus dem Burgund. Teilweise über 1000 Franken für eine einzelne Flasche auszugeben, erscheint allerdings selbst passionierten Sammlern nicht immer nachvollziehbar, zumal es auch in anderen Regionen Alternativen gibt, die für einen Bruchteil des Preises höchste Qualität bieten.
Dennoch führen rare Einzellagen-Chardonnays die Liste der weltweit gesuchtesten Weissweine unangefochten an. Das liegt nicht zuletzt am hohen Alterungspotenzial dieser Gewächse, das ihnen über Jahrzehnte hinweg eine eindrucksvolle aromatische Wandlungsfähigkeit verleiht und den zentralen Reiz der Burgunderweine ausmacht.
In der Jugend zeigen sich gerne Aromen von zartem Zitronenfleisch, Feuerstein und feiner Austernschale. Später treten reifere Fruchttöne hervor, und im Alter folgen dann Noten von Waldhonig, Bienenwachs und getrockneten Blüten. Stets präsent bleiben Präzision und Frische, unterstützt von französischer Eiche, die den Wein elegant stützt, statt ihn zu dominieren.
Solche Entwicklungen über mehrere Jahrzehnte hinweg vergleichend zu erfassen, ist aufgrund der kleinen Abfüllmengen leider nur selten möglich. Entsprechend gross war die Freude über die Einladung zu einer Vertikalverkostung der renommierten Domaine Leflaive im Zürcher Hotel Dolder Grand, begleitet von einem fein abgestimmten Menü des Sternekochs Heiko Nieder. So bot sich die Gelegenheit, insgesamt 17 Jahrgänge der Einzellage Puligny Montrachet Les Pucelles nebeneinander zu erleben.

Die 17 verkosteten weissen Burgunderweine.
Während jüngere Jahrgänge aktuell mit 550 bis 800 Franken pro Flasche zu Buche schlagen, haben ältere Exemplare wie 1990er längst die 1000-Franken-Schallmauer durchbrochen. Der Streifzug durch mehrere Jahrzehnte Weinbaugeschichte wurde dank dem fein auf die Weine abgestimmten Vier-Gang-Menu nicht nur zu einem historischen Erlebnis, sondern auch zu einem kulinarischen.
Der daran teilnehmende Weltmeister-Sommelier Marc Almert vom Hotel Baur au Lac in Zürich war voll des Lobes für das Pairing: «Ich war fasziniert davon, wie die zunehmende Reife des Les Pucelles vielschichtige Aromen offenlegte, die auch fordernden Speisenkomponenten exzellent Paroli bieten konnten. Vom schwarzen Trüffel über Kaffee bis hin zu Steinpilzen mit Shio Koji – alles schmiegte sich perfekt ineinander. Ein grosses Kompliment an Katharina Sarrot und Heiko Nieder für dieses grandiose Pairing!»
Durch den Abend führte Brice de La Morandière, Urenkel des Weingutgründers Joseph Leflaive. Er erinnerte daran, dass die Geschichte des Familienbetriebs bis 1717 zurückreicht und dass sämtliche Rebflächen seit 1997 biodynamisch bewirtschaftet werden. Seine Ausführungen boten einen vertieften Einblick in die Philosophie des Hauses und in die Besonderheiten seiner Lagen.

Seit 2015 führt Brice de La Morandière das Weingut. Er ist der Urenkel des Gründers.
Eleganter hätte ein Wein nicht sein können
Die 1er-Cru-Lage Les Pucelles zeichne sich durch eine leichte Hangneigung und einen besonders feinkörnigen Lehmboden mit Kalkstein aus. Diese Feinkörnigkeit trage wesentlich zur Eleganz des Weins bei, während gröberer Lehm, wie jener im südlicheren Mâconnais, oft zu konzentrierteren Weinen führe. Die präsentierten Jahrgänge, die den Zeitraum von 1986 bis 2018 abdeckten, hätten im Glas schliesslich eleganter nicht sein können.
Rasch wurde klar, weshalb weisser Spitzenburgunder seinen Ausnahmestatus bis heute verteidigt. Die Tropfen zeigten Finesse, Tiefgang und Spannung, verbunden mit einer unverkennbaren Harmonie und Noblesse, die weltweit ihresgleichen sucht. Weissweine von historischer Strahlkraft, geschaffen für den Genuss von heute und die Reife von übermorgen.
2014: Komplexer Auftakt mit Aromen von grünem Apfel, nassem Stein und Zitronenzeste. Energiegeladen und zugleich wunderbar filigran am Gaumen, mit hinreissender Eleganz bis ins lange, fokussierte Finish. Ein Traumwein. 96/100.
2006: Frisches Bienenwachs, getrocknete Blüten und subtiler Feuerstein. Hochkomplex und konzentriert, zugleich von spielerischer Leichtigkeit getragen, mit fast tänzelndem Mundgefühl. Eindrückliche Länge. 96/100.
1996: Betörende Finesse mit einem faszinierenden Zusammenspiel von Reduktion und Oxidation, getragen von extrem fein austarierter Balance und perfekt eingebundener Eiche. Mit fast dreissig Jahren noch immer von jugendlicher Leichtigkeit. Hallt weit über zwei Minuten nach. 96/100.
1988: Getrocknete Zitronenschale mit leichter Patina, ein Hauch Feuerstein mit frischem Stroh. Am konzentrierten Gaumen fein ausbalanciert, mit eindrücklicher Finesse im langen, feingliedrigen Abgang. 95/100.
Dieser Artikel ist im Millionär, einem Magazin der Handelszeitung, erschienen (Dezember 2025).

