Diese Woche wollte ich mich hier eigentlich zum Thema «Stillen in der Öffentlichkeit» äussern. Es gibt dazu allerdings nicht mehr zu sagen, als dass jede Frau das so halten soll, wie sie will. Und wer sich an tropfenden Nippeln stört, der soll wegschauen. Wie kann man nur den öffentlichen Verzehr von Muttermilch anstössiger finden als den von Bier? Beides muss erlaubt sein, zumal die beiden Getränke wahrhafte Säulen der Volksernährung sind.

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Man soll sie in Ehren halten und nicht mit ihnen herumpanschen. Womit wir nun beim Bier wären, das manchem in der kalten Unbehaustheit des Erwachsenendaseins den nährenden und tröstenden Milchstrom aus der Mutterbrust ersetzt. Auch trinktechnisch lehnt sich der Biergenuss eng an das Stillen an. Nirgendwo in der Trinkkultur bilden Saug- und Schluckreflex eine so vegetative Einheit wie beim zügigen Leeren einer Flasche Pils.

Eigentlich selbstverständlich

In wenigen Tagen begeht unser Land den 500. Geburtstag des Reinheitsgebotes, das zwar eigentlich ein bayerisches war und keineswegs ununterbrochen bis heute gilt. Aber sei's drum. Dass man Bier aus Gerste, Hopfen und Wasser macht und es nicht mit Kirschsaft, Austern, Cannabis, Schokolade oder Seehasenrogen versetzt, das war bei uns bis vor Kurzem eine jener Selbstverständlichkeiten, die jede Gesellschaft braucht, wenn sie nicht andauernd über alles diskutieren will, was nur für diejenigen eine schöne Vorstellung ist, die damit ihre Brötchen verdienen. Es muss auch mal Ruhe im Karton sein.

Pünktlich zum 500. Geburtstag des Reinheitsgebotes ist es mit der Ruhe beim Biertrinken aus. Nicht nur, dass in den Medien der «Mythos» des Reinheitsgebotes mit kalter Wut dekonstruiert wird. Dafür sind wir Deutschen ja bekannt, dass wir nicht ertragen, wenn uns etwas gelungen ist. Und deutsches Bier ist nun einmal etwas Gelungenes. Nein, es wird nun auch lifestylemässig an dem guten alten Volksnahrungsmittel Bier herumgeschraubt.

Zu viel des Guten

«Craft Beer» ist zwar noch nicht physisch in aller Munde, gilt aber als hip, obwohl keiner genau definieren kann, was das eigentlich ist. Die Hipstermassen wollen sich damit von der Masse abheben. Warum man ausgerechnet beim Biertrinken Distinktionsgewinne erzielen soll, bleibt mir schleierhaft. Man geht doch in den Biergarten, um das zu trinken, was alle anderen auch trinken. Deshalb ist es dort so schön. Wenn jetzt auch noch das Bier gnadenloser Individualisierung unterworfen wird, vergeht mir der Durst.

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