Es ist mehr als ein symbolischer Akt. Nun hat auch Deutschland wieder jene Art von Grenzen, die im europäischen Taumel zuletzt antiquiert erschienen. Das Grenzgebiet zwischen Deutschland und Dänemark verbindet seit Jahrhunderten ein enges Netz familiärer, kultureller, wirtschaftlicher und politischer Verflechtungen.

Eigentlich trennte diese Grenze vor allem Nord- und Südschleswig, seit Montagmittag 12 Uhr aber ist die schlagbaumallergische Freizügigkeit beendet. Die Dänen haben, genötigt von der Grenzrenaissance ihres Nachbarn Schweden, die Grundidee von Schengen ausser Kraft gesetzt.

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Freie Grenzen fallen wie Dominosteine

Vor den Schweden waren es die Finnen, davor die Norweger. Jetzt liegt der Dominostein direkt an der Nordgrenze Deutschlands und verdeutlicht, wie wenig Europa willens und in der Lage ist, die Flüchtlingskrise als europäisches Problem gemeinsam zu bewältigen.

Dänemarks Ministerpräsident Lars Lökke Rasmussen reagiert mit dem Rücken zur Wand. Nachdem Schweden, einst neben Deutschland Wunschheimat vieler Flüchtlinge, sein Boot für voll erklärt hatte, war klar, dass das wirtschaftlich starke, aber dennoch ziemlich kleine Dänemark nachziehen musste.

Dänen legen Wert auf Unabhängigkeit

Die Dänen tun dies mit Augenmass. Noch. Es sind eher Stichproben als eine harte Türpolitik für das weiterhin liberale und weltoffene skandinavische Zauberland. Die Dänen hatten – stets in besonderer Abgrenzung zu den übermächtigen deutschen Nachbarn – ihre innere wie äussere Unabhängigkeit gewahrt. Deshalb haben sie noch die Krone und waren bei Schengen erst ganz zum Schluss dabei.

Sie haben eine eigensinnige rauchende Königin und jede Menge Global Champions, nicht nur in Sachen Design und Film. Der Stolz der Dänen auf ihren eigenen Weg hat das Land stets mehr geprägt als eine europäische Identität. Jetzt nähren Passkontrollen wieder jenen nie verleugneten Hang zum alten Nationalstaat.

Mieser Jahresanfang für Europa

Europa steht auf dem Spiel, zumindest jenes wunderbare grenzenlose Europa, in dem die Überwindung nationaler Grenzen unmerklich geworden war. Dass ausgerechnet die progressiven, stets humanitär engagierten Skandinavier sich von Europa abschotten, ist für die deutsche Regierung kein gutes Omen.

Gerade diese Länder werden gebraucht, wenn es um die künftige Ausrichtung eines modernen, wirtschaftsfreundlichen und innovationsversessenen Europa geht. 2016 fängt für Europa mies an. Und das ist leider erst der Anfang. Es könnte bald noch ungemütlicher werden. Kein Silberstreif am Horizont.

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