Ein Schlagwort taucht auch immer mehr in der Schweiz auf: «Open Banking». Es ermöglicht den Austausch von Finanzdaten über standardisierte und sichere Datenschnittstellen. Im Bereich Business-to-Business (B2B), also zwischen den Banken, haben sich solche Schnittstellen etabliert, die für alle Banken zugänglich sind.

Die Schweizer Finanzinfrastruktur ist insbesondere im Zahlungsverkehr und im Handel gut entwickelt (Stichwort «Swiss Value Chain). Noch nicht weit fortgeschritten ist der Markt jedoch im B2C-Bereich. Also dort, wo Finanzdaten auf Wunsch der Kundinnen und Kunden mit anderen Firmen wie Fintechs geteilt werden.

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Im Gegensatz zu anderen Ländern der EU oder Grossbritannien besteht in der Schweiz bis anhin keine gesetzliche Verpflichtung für Finanzinstitute, Drittanbietern den Zugang zu Finanzdaten zu gewähren. Obwohl es bereits Anwendungsmöglichkeiten im Bereich Open Banking für Firmenkunden in der Schweiz gibt, sind die meisten Schweizer Banken in diesem Bereich bisher wenig aktiv.

Gastautor

Andreas Dietrich ist Professor an der Hochschule Luzern und leitet das Institut für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ). Dietrich ist zudem Verwaltungsrat der Luzerner Kantonalbank. 

Nur wenige Banken ermöglichen ausgewählten Partnern und Fintech-Unternehmen den Zugriff auf Kontoinformationen. Open Banking ist in der Schweiz also nur sehr selektiv vorhanden. Ein wirklich offenes System würde bedeuten, dass jede Drittpartei, die bestimmte definierte Voraussetzungen erfüllt, das Recht auf Zugriff bei jeder Bank hat – sofern der Kunde respektive die Kundin dies wünscht.

Der Bundesrat hat klar zum Ausdruck gebracht, dass er Massnahmen ergreifen wird, falls sich die Schweizer Finanzindustrie nicht vorwärtsbewegt. Das Ziel besteht darin, sicherzustellen, dass die Schweiz im Bereich Open Finance nicht hinter der internationalen Konkurrenz zurückbleibt.

Es wird deutlich, dass es für Finanzinstitute nicht mehr darum geht, ob sie etwas unternehmen sollten, sondern vielmehr darum, wie sie sich strategisch mit dem Thema auseinandersetzen können.

Ist diese Ankündigung sinnvoll? Ja und nein. Ja, weil viele Banken in der Schweiz eher die Risiken und Kosten der neuen Möglichkeiten von Open Banking sehen, anstatt die Chancen zu erkennen. Ein gewisser Druck, sich zu öffnen und sich intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen, kann Bewegung in den Markt bringen und den Finanzplatz weiterentwickeln. Durch diese Ankündigung wird zudem deutlich, dass es für Finanzinstitute nicht mehr darum geht, ob sie etwas unternehmen sollten, sondern vielmehr darum, wie sie sich strategisch mit dem Thema auseinandersetzen können.

Und nein aus den folgenden Gründen: Erstens sind die Anwendungsfälle für Kundinnen und Kunden im Ausland bisher nur mässig erfolgreich, und es besteht wenig Druck seitens der Endkundschaft, dass die Banken solche Angebote einführen sollten. Und zweitens, weil die Regulierung im Ausland auch unerwünschte Auswirkungen hatte und schon bald erneut angepasst werden muss. Daher hoffe ich persönlich, dass sich hierzulande ein marktwirtschaftlicher Ansatz durchsetzt.

England ist weiter, in der Schweiz gibt es erst Angebote für Firmenkunden

Grossbritannien ist in Bezug auf das Thema Open Banking am weitesten. Hört man britischen Banken und Fintechs zu, ist der Weg zu einem wirklich erfolgreichen Open Banking aber noch weit. Es gibt bislang keine Anwendungsfälle, die von einer grösseren Anzahl Kundinnen und Kunden genutzt werden. Wenn man das Glas als halb voll betrachtet, könnte man jedoch festhalten, dass auch eine Kumulation vieler kleinerer Fälle eine gewisse Marktrelevanz bedeuten kann.

Die bislang erfolgreichen Anwendungsfälle in der Schweiz konzentrieren sich hauptsächlich auf das Firmenkundengeschäft – zum Beispiel bei Buchhaltungsprogrammen, die direkt auf Kontodaten zugreifen können.

Ich persönlich begrüsse den Schritt. Es ist jedoch noch unklar, ob dieses Angebot tatsächlich von der Retail-Kundschaft genutzt werden wird.

Im Retail-Banking gibt es bislang noch praktisch keine Fälle. Um diesem Umstand entgegenzuwirken, hat die Schweizerische Bankiervereinigung nun eine Absichtserklärung mit zwanzig Schweizer Finanzinstituten – einschliesslich UBS, Postfinance und mehrerer Kantonalbanken – unterzeichnet. Das Ziel dieser Erklärung besteht darin, sogenannte Multibanking-Angebote für Privatpersonen einzuführen. Dadurch sollen Kunden und Kundinnen die Möglichkeit haben, alle ihre Konten bei verschiedenen Banken jederzeit über ihre Hauptbank im Blick zu haben.

Angebote werden kommen, wenn die Infrastruktur erst geschaffen ist

Was ist von dieser Initiative der Schweizer Banken zu halten? Ich persönlich begrüsse diesen Schritt. Es ist jedoch noch unklar, ob dieses Angebot tatsächlich von der Retail-Kundschaft genutzt werden wird, da es beispielsweise in Grossbritannien nur geringen Anklang gefunden hat. Sind Investitionen in die Infrastruktur aber erst mal getätigt, wird auch die strategische Bedeutung von Open Banking konkreter greifbar, und es werden neue Anwendungsfälle auftauchen, die man derzeit noch nicht auf dem Radar hat – zum Beispiel einfachere Bankwechsel.

Des Weiteren erwarte ich, dass der Druck von Open Finance weg von den Banken gehen wird. Vor allem bei Versicherungen und Pensionskassen könnte Open Finance einen grossen Einfluss haben. In diesem Bereich bewegt sich derzeit noch praktisch nichts – der Bundesrat hat aber auch diese Finanzinstitute im Blick.

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