Der Franken kommt nicht vom Fleck. Seit Monaten bewegt er sich innerhalb eines engen Bandes knapp unterhalb der Parität zum Euro. Damit ist er weniger wert als im Sommer, als an den Devisenmärkten jedem und jeder klar wurde, dass es die Schweizerische Nationalbank (SNB) ernst meint mit der Inflationsbekämpfung und ihr daher ein stärkerer Franken willkommen ist. Dafür würde sie auch am Devisenmarkt intervenieren. Aber sollte sie das weiterhin stark tun? Skepsis ist angebracht, denn aktuell sprechen weder Sicherheits- noch Ertragsmotive für den Franken.

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Zunächst zu den Sicherheitsmotiven. Historisch haben zwei Gründe zu einer Flucht in den Franken geführt: zum einen die allgemeine Unsicherheit an den Finanzmärkten – am besten messbar an einer hohen Volatilität an den Anleihemärkten –, zum anderen eine unsichere Situation in der Währungsunion – am besten messbar an den Zinsaufschlägen, die die hoch verschuldeten südeuropäischen Länder für ihre Anleihen zahlen müssen. Die Unsicherheit an den Finanzmärkten ist aktuell tatsächlich sehr hoch.

Allerdings trägt die Schweiz dieses Mal zur Unsicherheit bei. Der Niedergang der Credit Suisse und der Totalverlust ihrer AT1-Anleihen – so gerechtfertigt er ordnungspolitisch auch war – erhöhen nicht das Vertrauen in den Finanzplatz Schweiz und in den Franken als sicheren Hafen. Der Rekordverlust der Nationalbank von 132 Milliarden Franken im Jahr 2022 ebenso wenig. 

Das überraschend pragmatische Italien

Gleichzeitig erscheinen die südeuropäischen Länder so stabil zu sein wie lange nicht mehr. Ihre Zinsaufschläge sind aktuell niedriger als vor der ersten Leitzinserhöhung der Europäischen Zentralbank (EZB) am 21. Juli letzten Jahres. Viele Gründe tragen dazu bei. Politische Stabilität ist einer davon. Vor allem die italienische Regierung zeigt sich gegenüber Brüssel viel pragmatischer, als ihr Wahlkampf hatte vermuten lassen. Institutionelle Stabilität ist ein anderer Grund: Die Europäische Zentralbank (EZB) hat mit der Einführung ihres «Transmission Protection Instruments» (TPI) klargemacht, dass sie bei einer destabilisierenden Schuldenkrise intervenieren würde.

Hinzu kommen ökonomische Gründe. Das kräftige reale Wachstum und die hohe Inflation haben das nominale Bruttoinlandprodukt (BIP) stark erhöht. Dadurch sind die Schulden der Peripherie im Verhältnis zum BIP zurückgegangen – allein in den letzten vier Quartalen zwischen 24,7 Prozentpunkten in Griechenland und 6,3 in Spanien. Einen sicheren Hafen braucht der Euro-Raum derzeit nicht. Dies spiegelt auch der europäische Aktienmarkt wider, der seit der ersten Zinserhöhung der EZB um 20 Prozent angestiegen ist, während er in der Schweiz mehr oder weniger konstant blieb.

Schliesslich zu den Ertragsmotiven: Ihretwegen waren die niedrig verzinsten Schweizer Anlagen selten interessant. Inzwischen sind sie aber noch unattraktiver geworden. Die Zinsunterschiede zwischen Schweizer und deutschen Staatsanleihen – beide unisono mit Höchstratings versehen – sind explodiert. Zehnjährige deutsche Bundesanleihen werfen gegenüber den Anleihen der Eidgenossenschaft mit gleicher Laufzeit inzwischen eine Mehrrendite von gut 1 Prozent ab – der höchste Wert seit 2011. Noch Anfang 2022 lagen die deutschen Zinsen leicht unter denen der Schweiz.

Bei der Zinsdifferenz ist keine Kehrtwende zu erwarten

Angesichts einer um über 5 Prozentpunkte höheren Inflationsrate im Euro-Raum dürfte die Zinsdifferenz so bald kaum zusammenschmelzen. Auch bei den Realzinsen ist keine Kehrtwende zu erwarten, da die wirtschaftliche Dynamik in der Schweiz gemessen an den letzten Einkaufsmanagerindizes auf das Niveau des Euro-Raums zurückgefallen ist. 

Aber müssen die Investoren und Investorinnen nicht Interventionen der SNB zugunsten des Franken befürchten? Kurzfristig vielleicht; mittelfristig hat sich aber gezeigt, dass Devisenmarktinterventionen ohne klare Fehlbewertung einer Währung wenig erfolgreich sind. Die SNB wird daher ihre Devisenreserven vorsichtig einsetzen und keinesfalls verpulvern wollen. Ihr wird bewusst sein, dass auch die Liquiditätsströme gegen den Franken sprechen. 2015 hatte sie die Untergrenze des Franken aufgehoben, als klar wurde, dass die EZB mittels Ankauf von Staatsanleihen viele zusätzliche Euro in Umlauf bringen würde, die das relative Angebot von Euro und Franken verändern würden. Dem massiven Aufwärtsdruck auf den Franken wollte sie sich nicht entgegenstemmen.

Die SNB wird sich bewusst sein, dass sich die Situation nun umgedreht hat. Während sie in den letzten Wochen ihre Bilanz durch zusätzliche Liquiditätshilfen für die Credit Suisse ausgeweitet hat, reduziert die EZB ihr Anleiheportfolio seit März um 15 Milliarden Euro monatlich. Zudem müssen die Banken ihre Langfristkredite (TLTROs) zurückzahlen, wodurch die EZB-Bilanz zusätzlich schmilzt – 477 Milliarden Euro allein im Juni, insgesamt 1098 Milliarden Euro bis Ende 2024. Im Vergleich dazu schauen die 770 Milliarden Franken Fremdwährungsreserven der SNB gar nicht mehr so hoch aus.

Auch im Vergleich zu den wöchentlich gehandelten Volumina am Devisenmarkt sind sie es nicht. Die SNB wird daher ein paar Reserven behalten wollen, falls tatsächlich einmal fundamental gerechtfertigter Interventionsbedarf besteht. Im aktuellen Umfeld sollte sie froh sein, wenn sie den Franken auch in den nächsten Monaten nahe der Parität halten kann.

Karsten Junius

Der Autor ist Chefökonom der Bank J. Safra Sarain.

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