Bei welchen Anwendungen macht KI bereits Sinn für die Raiffeisenbanken?

Wir setzen heute schon künstliche Intelligenz ein, beispielsweise für die Identifikation der Kundschaft bei der digitalen Kontoeröffnung, für das automatisierte Einlesen von Dokumenten bei der Vergabe einer Hypothek oder bei der Erkennung von betrügerischem Verhalten im Zahlungsverkehr. Zudem testen wir aktuell Chat-GPT-Anwendungen wie Textgenerierung oder Zusammenfassungen von Gesprächen und Dokumenten. In Zukunft vorstellbar sind auch Anwendungen wie intelligente Chatbots oder die Analyse von komplexen Daten wie zum Beispiel Finanz- und Risikodaten.

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Steckbrief

Seit wann sind Sie CEO Ihrer Bank? Januar 2019
Höchste/letzte Ausbildung? Master of Business Administration (MBA)
Alter: 59
Hobbys: Mountainbiken, Wintersport und Lesen

Hat Ihre Bank eine KI-Strategie entwickelt? 

Die Nutzung von neuen Technologien ist eine wichtige Stossrichtung unserer Strategie – dazu gehört auch die künstliche Intelligenz. KI ist für uns kein Tool, um Kosten zu senken, sondern eine Chance, das Kundenerlebnis zu verbessern und mehr Zeit für die Beratung unserer Kundinnen und Kunden zu schaffen. Uns ist ein verantwortungsvoller Umgang mit KI wichtig, insbesondere in Fragen wie Datenschutz und in unserer Rolle als Arbeitgeberin.

In welchen Bereichen arbeiten Sie mit externen Partnern zusammen und weshalb?

Dank unserer Grösse und dem breiten Kreis von internen Fachspezialisten und Fachspezialistinnen verfügen wir über eine beträchtliche Innovationskraft, die es uns erlaubt, viele Lösungen und Prozesse inhouse zu entwickeln und zur Verfügung zu stellen. Auf externe Partner setzen wir unter anderem in der Vermögensverwaltung und bei Versicherungen für unsere Kundinnen und Kunden oder bei der Entwicklung von gewissen Applikationen und Tools, weil uns dort entweder das entsprechende Know-how fehlt oder sich die Prozesse dadurch effizienter und kostengünstiger abwickeln lassen. 

Was sind in Ihren Augen die drei wichtigsten Aufgaben und Herausforderungen in den kommenden Monaten und Jahren im Bankenwesen generell?

Kurzfristig beschäftigen uns hauptsächlich die Zinswende und das herausfordernde Marktumfeld. Mittel- bis langfristig sind es die technologischen Entwicklungen und die Veränderung der Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden. Wir wollen unserer Kundschaft ein personalisiertes Bankerlebnis, eine durchgehende Verfügbarkeit aller Leistungen und bequeme Lösungen bieten. Wir glauben, dass bei der Bankwahl vor allem das Kundenerlebnis und die Kundennähe entscheidend sind. Darum investieren wir nicht nur in digitale Lösungen, sondern auch in die Beratung und in die Kundennähe vor Ort. Ein weiteres Thema ist die Cyberkriminalität. Hier sind wir als Branche gefordert. Wir haben beispielsweise unser Personal für IT- und Information-Security seit 2018 verdreifacht. 

Ist ein Zusammenschluss mit einem anderen Finanzinstitut für Ihre Bank ein Thema?

Das ist kein Thema. Schon heute ist fast die Hälfte der Schweizer Bevölkerung Kundin oder Kunde der Raiffeisen. Wir verfügen über das dichteste Bankstellennetz in der Schweiz und haben grosse Fortschritte bei der Weiterentwicklung unserer digitalen Services gemacht. Die Raiffeisen ist in einem wettbewerbsintensiven Umfeld gut aufgestellt, weil wir die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden sehr gut verstehen. 

Steckbrief Raiffeisen Gruppe

Gründungsjahr: 1899 (Gründung der ersten Raiffeisenkasse der Schweiz in Bichelsee, TG)
Bilanzsumme in Millionen Franken: CHF 297’135 Mio. (per 31.12.2023)
Kunden in Tsd.: 3,66 Mio.
Verbreitungsgebiet/abgedeckte Region: ganze Schweiz

Was ist an Ihrer Bank im Vergleich zu anderen Banken speziell? 
Das Genossenschaftsmodell und die Kundennähe sind herausragende Merkmale der Raiffeisen-Gruppe. Mit 219 Raiffeisenbanken an 784 Standorten verfügt die Raiffeisen über das dichteste Bankstellennetz der Schweiz und ist für über 90 Prozent der Bevölkerung in 10 Fahrminuten erreichbar. Über 90 Prozent des Jahresgewinns verbleiben jedes Jahr zu Stärkung des Kapitals im Unternehmen. Das macht die Raiffeisen zu einer sehr sicheren Bank.
 

Werden Sie wie die ZKB bald auch auf Kontogebühren verzichten?

Uns ist es wichtig, insgesamt ein attraktives Gesamtpaket für die Kundinnen und Kunden zu bieten. Dieses Paket besteht aus verschiedenen Bestandteilen an Dienstleistungen, Vorzugskonditionen und weiteren Vorteilen. Wir setzen auf eine transparente Preispolitik. Schlussendlich entscheidet jede Raiffeisenbank eigenständig, wie sie ihre Konditionen gestalten will. Die Mehrheit der Kundinnen und Kunden der Raiffeisenbanken sind Genossenschaftsmitglieder mit einer Hauptbankbeziehung, weshalb sie bereits seit langem von einer kostenlosen Kontoführung profitieren. 

Wie beurteilen Sie die Konkurrenz durch Fintechs und «Banking as a Service»?

Ich glaube, in Zukunft wird es ein gesundes Nebeneinander von etablierten Anbietern, Neobanken und Fintechs geben. Wir verfolgen die Entwicklung und begrüssen Massnahmen zur Standardisierung von Schnittstellen. Der Wettbewerb, aber auch Kooperationen zwischen etablierten Finanzinstituten und Fintechs fördern die Innovation, und davon profitieren letztendlich die Kundinnen und Kunden. 

Bedrohen Online-Banken, die zwar Payment-Services und Ähnliches anbieten, aber eigentlich keine Banklizenz haben, Ihr Geschäftsmodell?

Die Raiffeisen ist mit ihrer Strategie gut aufgestellt, um der Digitalisierung und den rasanten Entwicklungen des Branchenumfelds und der Kundenbedürfnisse Rechnung zu tragen. Fintechs und Neobanken haben schon vor einiger Zeit eine digitale und preisaffine Kundengruppe angesprochen. Wenn es aber ans «Eingemachte» geht, sprich, um die wesentlichen Fragen und Lebensentscheidungen wie etwa um den Entscheid, wie man für sich und seine Familie vorsorgen kann, stehen Angebote mit starker physischer und digitaler Präsenz mit kompetenten Beraterinnen und Beratern, bei der Kundschaft im Vordergrund. Wir kennen dank unserer lokalen Verankerung die Lebenssituation unserer Kundinnen und Kunden und können sie ganzheitlich und langfristig begleiten. Von den Neobanken können wir, vor allem was die Einfachheit der Lösungen betrifft, viel lernen. 

Planen Sie, in neue Geschäftsfelder respektive Marktsegmente zu expandieren?

Die Raffeisen konzentriert sich auf ihre Stärken. Der Fokus liegt auf Bank- und banknahen Dienstleistungen. Insbesondere im Vorsorge- und Anlagegeschäft und im Firmenkundengeschäft sehen wir für uns noch Wachstumspotenzial. 

Wie würden Sie Ihren eigenen Führungsstil beschreiben?

Für mich steht das Team im Vordergrund, aber jeder und jede Einzelne soll eigenverantwortlich handeln und sich bestmöglich für das grosse Ganze engagieren. Das heisst, ich erwarte Engagement, Identifikation mit der Aufgabe und Verantwortungsübernahme und fördere Vielfalt, Entwicklung und Zusammenarbeit. 

Welches Ziel streben Sie als CEO in diesem Jahr an?

Mein Ziel für 2024 ist, die Etappenziele in der Umsetzung unserer Strategie zu erreichen. Insbesondere wollen wir 2024 unsere neue Raiffeisen-App für alle Kundengruppen öffnen. Gleichzeitig möchte ich bereits vorausschauend mit dem Verwaltungsrat und der Geschäftsleitung von Raiffeisen Schweiz gemeinsam mit den Raiffeisenbanken die Weichen für die Zukunft stellen und unsere strategischen Prioritäten ab 2026 festlegen.

 

Das Interview wurde schriftlich geführt.

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Karin Bosshard, Chefredaktorin von HZ Banking, und ihr Bankenexperten-Team liefern Ihnen die Hintergründe zu Themen, welche die Schweizer Bankenszene bewegen. Jeden Tag (werktäglich) in Ihrem E-Mail-Postfach. Jetzt anmelden und unseren exklusiven Guide zu Lohn- und Vergütungsfragen erhalten.
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