Risikolose Zinsen auf Guthaben: Banken parkieren Geld bei der SNB und kassieren Milliarden

In Zeiten der Bank-Runs und des Credit-Suisse-Niedergangs geht gerne vergessen, dass das Zinsumfeld den Banken wohlgesonnen ist. Die steigenden Zinsen ermöglichen höhere Zinsmargen, weil die Kreditzinsen schneller steigen als die Verzinsung der Kundengelder. Nicht überraschend haben viele Schweizer Banken letztes Jahr Rekordgewinne verbucht, trotz miserabler Finanzmärkte. Mit der Verflachung der Zinskurve und der nachlassenden Nachfrage nach Krediten und Hypotheken wird das Geschäft 2023 jedoch nicht mehr gleichermassen florieren. Risikolose Zinsen auf Sichtguthaben Doch eine Gewinnquelle bleibt den Banken sicher, jene bei der SNB. Denn die Banken nehmen die Kundeneinlagen zu Null- oder einem Minizins entgegen und können einen Teil davon bei der SNB horten. Dort ist es sicher, es kann jederzeit abgezogen werden und wird obendrein noch fürstlich verzinst, nachdem darauf jahrelang Negativzinsen angefallen waren. Bis zu einer gewissen Grenze, die sich nach der Höhe der Mindestreserven und einem Faktor bemisst, bezahlt die SNB auf diese Sichtguthaben der Geschäftsbanken einen Satz in der Höhe des Leitzinses von aktuell 1,5 Prozent. Alles darüber hinaus wird mit 1 Prozent abgegolten. Auf die rund 500 Milliarden Franken, die die Banken noch immer in Form von Sichtguthaben bei der SNB halten, kommen so mindestens 5 Milliarden zusammen. Da die Leitzinsen voraussichtlich noch etwas weiter steigen und auch das Abschöpfen der Liquidität den Banken Zinseinnahmen beschert, dürfte der Betrag, den die SNB dieses Jahr den Banken überweist, eher bei 7 Milliarden Franken liegen. Das ist kein Pappenstiel, sondern entspricht etwa 10 Prozent der gesamten Wertschöpfung des Finanzsektors. «Der Geldfluss von der SNB zu den Banken hat relativ zur Wertschöpfung des Finanzplatzes ein bedeutendes Ausmass erreicht», sagt Alexandra Janssen, Chefin des Vermögensverwalters Ecofin Portfolio Solutions. Auch im Einzelfall ist der Zustupf je nach Institut beachtlich: Geht man davon aus, dass die in den Bilanzen ausgewiesenen flüssigen Mittel zum Grossteil bei der SNB geparkt werden, können die Postfinance, die Raiffeisen-Gruppe oder die ZKB mit je 300 bis 400 Millionen Franken an Zinseinnahmen rechnen. SNB ist kein Einzelfall Die SNB ist bei dieser Verteilaktion in guter Gesellschaft. In der Euro-Zone sind die Beträge noch um ein Vielfaches grösser, allein schon wegen der viel höheren Zinsen. Der Einlagezins liegt dort mittlerweile bei 3,25 Prozent. Angesichts der Bankreserven bei der EZB in der Höhe von über 4000 Milliarden Euro wird der Transfer an die Banken auf rund 100 Milliarden geschätzt. Aber warum beglückt die Zentralbanken die Finanzinstitute mit Milliarden? Die Antwort hat mit der Umsetzung der straffen Geldpolitik zu tun. Die Notenbank muss die Sichtguthaben verzinsen, um den gewünschten Zins in der Wirtschaft zu verankern. Ziel der Notenbanken ist ja derzeit, das Zinsniveau zu heben, um die Inflation zu zähmen. Die SNB zum Beispiel will, dass kurzfristige Kredite am Franken-Geldmarkt wieder etwas kosten. Sie hat den entsprechenden Ziel- oder Leitzins auf 1,5 Prozent angehoben. Wäre Liquidität ein knappes Gut, könnte sie einfach den Zins, zu dem sich Banken bei der SNB Liquidität abholen können, auf 1,5 Prozent hieven. Folge der strafferen Geldpolitik Das Problem ist allerdings, dass die Banken nach Jahren der expansiven Geldpolitik mehr als genug Liquiditätsreserven haben. Sie verleihen Geld am Interbankenmarkt nur, wenn sie dafür mehr bekommen als bei der SNB. Läge dort der Satz weiterhin bei null, würden sich auch die Banken zu tieferen Zinsen Geld leihen. Das Ziel der höheren Zinsen wäre verfehlt. Die Milliardenzahlungen den Zentralbanken sind also die logische Folge der Geldpolitik. Sie wären auch überhaupt kein Thema, wenn die Reserven nicht so hoch wären. «Das Grundproblem ist die grosse Bilanz der SNB. Die SNB muss Zinsen auf sehr hohen Beständen bezahlen», sagt Janssen. Gross geworden ist die Bilanz wegen der jahrelangen expansiven Geldpolitik und Devisenmarktintervention zur Schwächung des Frankens. Dabei kaufte die SNB im grossen Stil Euro oder Dollar und schrieb den Franken-Betrag den Banken auf den Sichteinlagen gut. Bei der EZB und der US-Notenbank Fed ist die Bilanz wegen der Anleihenkäufe in die Höhe geschossen. Eines von vielen Privilegien der Banken Handelt es sich bei den SNB-Milliarden um eine Subvention? Das sei eine semantische Frage, findet Adriel Jost, Ökonom und Fellow am Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) an der Universität Luzern. Fakt aber sei: «Die Verzinsung der Giroguthaben gehört zu den vielen Privilegien, die die Banken in unserem Geldsystem geniessen.» Gemeint ist das Teilreservesystem, bei dem nur ein kleiner Bruchteil der Assets als Reserve gehalten werden muss. In der Schweiz gilt eine Reservepflicht von 2,5 Prozent, in der Euro-Zone eine von 1 Prozent. Die USA haben die Mindestreservepflicht ganz abgeschafft. Stattdessen agieren die Zentralbanken als Lender of Last Resort und sorgen so für Sicherheit. Das System hat sich wegen seiner Effizienz bewährt, kommt nun aber vermehrt in die Kritik, wie die Diskussionen um die Too-big-to-fail-Regulierung zeigen. Das Stossende an der aktuellen Situation sei jedoch, dass die Banken diese Gewinne nicht vollständig weitergeben in Form von höheren Einlagezinsen. Der Gewinn bleibe bei den Banken hängen, sagt Jost. Träge Bankkundschaft Doch im Kampf um Kundengelder spielt der Wettbewerb zu wenig. Einerseits sind die Eintrittshürden für neue Player recht hoch, eine Banklizenz ist nicht einfach zu bekommen. Kundinnen und Kunden wechseln ihre Bankverbindung nur zögerlich und sind nicht so sensibel auf Zinsunterschiede. «Die Kunden und Kundinnen müssten mehr Druck machen», findet Jost. Einer, der sich besonders an der Praxis der Zentralbanken stört, ist der renommierte Ökonom Paul de Grauwe. «Diese Gewinne gehören der Gesellschaft und sollten dem Staat zugeführt werden», schreibt der Volkswirtschaftsprofessor der London School of Economics and Political Science (LSE) in einem Beitrag für das Centre for Economic Policy Research (Cepr). Hohe Mindestreservepflicht wäre eine Lösung Darin argumentiert de Grauwe, dass diese üppige Vergütung der Sichtguthaben überhaupt nicht zwingend sei. Es gebe für die Zentralbanken durchaus Wege, das Zinsniveau zu heben, ohne einen Grossteil ihrer Monopolgewinne an die Geschäftsbanken zu transferieren. Man müsste bloss die Mindestreserveanforderungen drastisch erhöhen. Die Banken wären dann gezwungen, hohe Reserven zu halten – zum Beispiel 30 Prozent der Assets –, ohne dass sie dafür Zinsen erhalten. «Das wäre eine Lösung des Problems», sagt Jost zu de Grauwes Vorschlag. Doch es würde auch einen radikalen Systemwechsel in Richtung eines Vollgeldsystems bedeuten. Aber vor einer solch grundlegenden Diskussion scheue man sich, vermutet Jost. Wenn sich das Bankensystem mehr in Richtung Vollgeld entwickeln soll, dann müsste das international koordiniert umgesetzt werden. Bei einem solchen Systemwechsel stelle sich wieder die Frage nach der Wettbewerbsverzerrung, wenn nicht alle Zentralbanken diesen Wechsel vollziehen, sagt Jost. Banken würden sich gegenüber der Konkurrenz im Ausland benachteiligt fühlen. So wird es wohl oder übel bei den Milliardentransfers an die Banken bleiben. Es bleibt nur zu hoffen, dass genug zinssensible Kundinnen und Kunden für Bewegung bei den Spar- und Girozinsen sorgen.

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Schweizer Banken nutzen SNB als sichere Gewinnquelle